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03/19/2025 10:37

Quantenwärmedynamik durch Magnetfelder steuerbar

Simon Schmitt Kommunikation und Medien
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

    Wie herkömmliche Materialien Wärme leiten, ist gut bekannt. Unter extremen Bedingungen, etwa Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt in Verbindung mit starken Magnetfeldern, wo Quanteneffekte zu dominieren beginnen, sind die Dinge jedoch nicht so klar. Dies gilt insbesondere für Quantenmaterialien. Forschende setzten nun das Halbmetall Zirkonium-Pentatellurid (ZrTe₅) hohen Magnetfeldern und sehr tiefen Temperaturen aus. Sie fanden dramatisch verstärkte Wärmeoszillationen, die durch einen neuartigen Mechanismus verursacht werden. Dieses Ergebnis stellt die verbreitete Annahme in Frage, dass magnetische Quantenoszillationen im Wärmetransport von Halbmetallen nicht nachweisbar sein sollten.

    Das Quantenmaterial ZrTe₅ gehört zur Klasse der sogenannten topologischen Halbmetalle. In der Physik beschreibt der Begriff „topologisch“ spezielle Materialien, die aufgrund ihrer einzigartigen elektronischen Struktur extrem robuste („topologisch geschützte“) Leitungseigenschaften aufweisen. In solchen Materialien können Quanteneffekte zu unkonventionellen und oft bizarren Phänomenen führen, die eine entscheidende Rolle bei der Weiterentwicklung künftiger Quantentechnologien spielen könnten. Sowohl in der Forschung als auch in der Industrie werden derzeit erhebliche Anstrengungen zur Entwicklung von Quantencomputern unternommen, wobei sich topologische Materialien als vielversprechender Weg zu deren Umsetzung erweisen. So wie ZrTe₅: Es vereint eine seltene Kombination nicht trivialer elektronischer Eigenschaften, die es für hochpräzise elektronische Anwendungen und Magnetfeldsensoren potentiell relevant machen.

    „Wenn ein normales Metall wie Silber oder Kupfer bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, also bei –273,15 °C in starke Magnetfelder gebracht wird, ist zu erwarten, dass seine Wärmeleitung oszilliert – ein eindrucksvolles Beispiel für die quantenmechanische Dynamik von Elektronen in Metallen. Dieser Effekt entsteht durch die Existenz der so genannten Fermi-Fläche, einer Grenze zwischen besetzten und unbesetzten Energiezuständen der Elektronen in einem Metall“, erklärt Dr. Stanisław Gałeski, derzeit Assistenzprofessor an der Universität Radboud und Gastwissenschaftler am Hochfeld-Magnetlabor Dresden (HLD) des HZDR. „Andererseits stehen in Halbmetallen nur sehr wenige Elektronen für den Wärmetransport zur Verfügung, so dass die Wärmeleitung nach allgemeiner Auffassung von Phononen dominiert wird. Phononen sind quantisierte Schwingungen des Kristallgitters. Quantenoszillationen sollten daher beim Wärmetransport nicht nachweisbar sein“, fasst Gałeski die eher traditionellen Erwartungen zusammen. Mehrere neuere Experimente haben jedoch sehr große Quantenoszillationen in der Wärmeleitung von Halbmetallen gefunden, welche den zugrundeliegenden Mechanismus des Wärmetransports in Frage stellen.

    Unerwarteter Mechanismus, überraschendes Verhalten

    Die vorliegende Studie zeigt, dass dieses Phänomen auf einen unerwarteten Mechanismus für den Wärmetransport unter starken Magnetfeldern in Halbmetallen zurückzuführen ist. „Es stellte sich heraus, dass der Wärmetransport tatsächlich vor allem durch Gitterschwingungen dominiert wird. Durch das Vorhandensein starker Magnetfelder werden die Elektronenenergien jedoch in diskreten Energieniveaus eingeschlossen. Dieser Prozess verstärkt die Wechselwirkung zwischen den Elektronen und den Phononen erheblich. Infolgedessen nehmen die Phononen einige Eigenschaften der Elektronen an und zeigen ihrerseits Quantenoszillationen in der Wärmeleitung“, umreißt Dr. Toni Helm vom HLD den untersuchten Prozess.

    „Wir haben die Existenz dieses unkonventionellen Phänomens durch die Untersuchung der Wärmeleitfähigkeit und der Ultraschalldämpfung in halbmetallischem ZrTe₅ in starken Magnetfeldern und bei Temperaturen von nur einem Bruchteil eines Grades über dem absoluten Nullpunkt bestätigt. In unserem Experiment haben wir deutliche thermische Quantenoszillationen mit einer für das elektronische Teilsystem charakteristischen Frequenz nachgewiesen. Die Temperaturabhängigkeit ihrer Amplitude folgt jedoch eindeutig dem charakteristischen Verhalten der Phononen – ein klarer Nachweis des vorgeschlagenen Mechanismus“, sagt Gałeski.

    Bemerkenswerterweise ist dieses Prinzip nicht auf ZrTe₅ beschränkt, sondern gilt für alle Halbmetalle mit geringer Ladungsträgerdichte – ganz unabhängig davon, ob sie topologisch sind oder nicht. Bekannte Beispiele sind Graphen und Wismut. Die Studie legt nahe, dass die Wärmeleitfähigkeit von Gitterschwingungen als empfindlicher Sensor zur Untersuchung subtiler Quanteneffekte dienen kann, die anders kaum nachweisbar wären.

    Publikation:
    B. Bermond, R. Wawrzynczak, S. Zherlitsyn, T. Kotte, T. Helm, D. Gorbunov, G. Gu, Q. Li, F. Janasz, T. Meng, F. Menges, C. Felser, J. Wosnitza, A. Grushin, D. Carpentier, J. Gooth, S. Galeski: Giant quantum oscillations in thermal transport in low-density metals via electron absorption of phonons, in PNAS, 2025 (https://doi.org/10.1073/pnas.2408546122)

    Weitere Informationen:
    Dr. Stanisław Gałeski
    HFML-FELIX, Radboud University, Nijmegen, Niederlande
    E-Mail: sgaleski@science.ru.nl

    Dr. Toni Helm
    Hochfeld-Magnetlabor Dresden am HZDR
    Tel: +49 351 260 3314 | E-Mail: t.helm@hzdr.de

    Medienkontakt:
    Simon Schmitt | Leitung und Pressesprecher
    Abteilung Kommunikation und Medien am HZDR
    Tel.: +49 351 260 3400 | Mobil: +49 175 874 2865 | E-Mail: s.schmitt@hzdr.de

    Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
    • Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
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    • Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?

    Das HZDR entwickelt und betreibt große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
    Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat sechs Standorte (Dresden, Freiberg, Görlitz, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt fast 1.500 Mitarbeiter*innen – davon etwa 680 Wissenschaftler*innen inklusive 200 Doktorand*innen.


    Contact for scientific information:

    Dr. Stanisław Gałeski
    HFML-FELIX, Radboud University, Nijmegen, Niederlande
    E-Mail: sgaleski@science.ru.nl

    Dr. Toni Helm
    Hochfeld-Magnetlabor Dresden am HZDR
    Tel: +49 351 260 3314 | E-Mail: t.helm@hzdr.de


    Original publication:

    B. Bermond, R. Wawrzynczak, S. Zherlitsyn, T. Kotte, T. Helm, D. Gorbunov, G. Gu, Q. Li, F. Janasz, T. Meng, F. Menges, C. Felser, J. Wosnitza, A. Grushin, D. Carpentier, J. Gooth, S. Galeski: Giant quantum oscillations in thermal transport in low-density metals via electron absorption of phonons, in PNAS, 2025 (https://doi.org/10.1073/pnas.2408546122)


    More information:

    https://www.hzdr.de/presse/ZrTe5


    Images

    Künstlerische Veranschaulichung eines kristallinen Stabs aus dem Halbmetall ZrTe₅. Von einem Ende zum anderen herrscht ein Wärmegefälle. In der Mitte des Stabs löst ein Magnetfeld riesige Schwankungen in der Wärmeleitung des Halbmetalls aus.
    Künstlerische Veranschaulichung eines kristallinen Stabs aus dem Halbmetall ZrTe₅. Von einem Ende zu ...
    B. Schröder
    B. Schröder/HZDR


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Chemistry, Energy, Information technology, Materials sciences, Physics / astronomy
    transregional, national
    Cooperation agreements, Research results
    German


     

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