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Wissenschaft
Bereits eine Dosis des Pocken-Impfstoffs Imvanex verleiht gegen Mpox eine Schutzwirkung von 84 Prozent. Das hat eine Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin jetzt ergeben. Bei Menschen mit HIV ist dagegen nach einer Impfdosis der Schutz noch unzureichend. Alle Risikogruppen, insbesondere aber Menschen mit HIV, sollten daher die empfohlene zweite Impfdosis erhalten. Die Ergebnisse sind jetzt im Fachmagazin The Lancet Infectious Diseases* veröffentlicht.
Seit 2022 eine Infektionswelle das Mpox-Virus global verbreitete, empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) Personen mit erhöhtem Mpox-Risiko eine Impfung mit dem Impfstoff Imvanex. Ursprünglich zum Schutz vor den echten Pocken entwickelt, wurde die Vakzine im Juli 2022 angesichts der gesundheitlichen Notlage von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) auch zum Schutz vor Mpox zugelassen. Das Mpox-Virus ist mit dem ursprünglichen Pockenvirus (Variola major) verwandt. Basis der Zulassung waren Labordaten, nach denen die Impfung einen sogenannten Kreuzschutz verleiht. Wie stark der schützende Effekt, insbesondere bei Risikogruppen, ausfällt, war bisher jedoch nicht geklärt.
Umfassende Studie mit mehr als 9.300 Teilnehmenden
Im Auftrag der EMA hat ein Team um Prof. Leif Erik Sander, Direktor der Klinik für Infektiologie und Intensivmedizin der Charité und Leiter der Arbeitsgruppe für Personalisierte Infektionsmedizin am Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), die Wirksamkeit der Impfung gegen Mpox nun in einer umfangreichen Studie untersucht und erstmals auch für Menschen mit und ohne HIV verglichen. „Unsere Ergebnisse bestätigen, dass schon eine Impfdosis zumindest kurzfristig gut vor Mpox schützt“, sagt der Infektiologe. „Das gilt allerdings nur für Menschen, die nicht mit HIV leben. Bei Menschen mit HIV – selbst wenn sie gut wirksame Medikamente nehmen – sehen wir nach einer Impfdosis leider keine ausreichende Schutzwirkung.“
An der Studie nahmen zwischen Juli 2022 und Dezember 2023 mehr als 9.300 Männer oder trans Menschen teil, die angaben, mit wechselnden Männern oder trans Menschen Sex zu haben. Sie gehören zu den Personengruppen, denen eine Impfung von der STIKO empfohlen wird. Die Hälfte der Teilnehmenden erhielt eine Dosis der Imvanex-Impfung, die andere Hälfte blieb ungeimpft. Für beide Gruppen wurde im Durchschnitt über knapp zwei Monate hinweg erhoben, wie viele Menschen sich mit Mpox infizierten.
Eine Dosis schützt immungesunde Menschen
Bei den Probanden ohne HIV traten in der geimpften Gruppe deutlich weniger Mpox-Fälle auf als in der ungeimpften, die Schutzwirkung betrug 84 Prozent. „Das ist ein sehr guter Wert, der vermutlich durch die zweite Impfdosis noch weiter erhöht wird“, sagt Leif Erik Sander. Aufgrund des stark zurückgehenden Infektionsgeschehens im zweiten Halbjahr 2022 ließ sich die zusätzliche Wirkung der zweiten Impfdosis jedoch in der Studie nicht ermitteln.
Bei Personen, die mit HIV leben, zeigte sich dagegen nur ein kleiner Schutzeffekt, der statistisch nicht signifikant war. „Der Grund liegt vermutlich darin, dass für den Aufbau des Immunschutzes nach der Impfung bestimmte Immunzellen, die T-Zellen, nötig sind“, erklärt der Mediziner. „Bei Menschen mit HIV sind diese T-Zellen häufig reduziert und nicht voll funktionsfähig, sodass die Immunantwort schwächer ausfällt. Dazu passt auch unsere Beobachtung, dass bei ihnen nach der Impfung weniger lokale und systemische Nebenwirkungen auftraten.“
Zwei Impfdosen für alle empfohlen, insbesondere für Menschen mit HIV
„Wir gehen davon aus, dass sich bei Menschen mit HIV nach der zweiten Impfdosis ein Schutz gegen Mpox entwickelt, und legen ihnen dringend nahe, sich die von der STIKO empfohlenen zwei Impfdosen verabreichen zu lassen“, betont Prof. Florian Kurth. Der Leiter der Arbeitsgruppe für klinische Infektionsforschung an der Charité hat die Studie zusammen mit Leif Erik Sander federführend verantwortet. „Wir empfehlen auch allen anderen Risikogruppen, die beiden Impfungen zu komplettieren. Das Immunsystem baut typischerweise einen länger andauernden Immunschutz auf, wenn es sich mehr als einmal mit dem Vakzin auseinandergesetzt hat.“ Wie hoch die Schutzwirkung bei den verschiedenen Personengruppen nach zwei Impfungen genau sein wird, müssen weitere Studien zeigen.
Das Forschungsteam beobachtete, dass geimpfte Personen schwächere Symptome zeigten, wenn sie sich dennoch mit dem Virus ansteckten: Sie entwickelten weniger Pocken auf der Haut, die außerdem schneller abheilten, und berichteten seltener über systemische Erkrankungsanzeichen wie Fieber. „Wir gehen davon aus, dass die Zweitimpfung die Ausprägung der Symptome noch weiter reduzieren wird“, sagt Florian Kurth. „Mit weniger Pocken sinkt mutmaßlich auch das Risiko einer Übertragung des Virus. Eine vollständige Impfung dürfte einem Wiederaufflammen von Mpox-Ausbrüchen daher entgegenwirken.“
Impfung ist gut verträglich
Die Forschenden untersuchten zudem bei über 6.500 Personen die Verträglichkeit und Sicherheit der Mpox-Impfung. Als Impfreaktion gaben die Probanden am häufigsten Schmerzen an der Einstichstelle an. Weniger als drei Prozent der Geimpften berichteten über stärkere Empfindungen wie Fieber, Kopf- und Muskelschmerz, Übelkeit oder Durchfall. „Die Mpox-Impfung ist also sicher und insgesamt gut verträglich“, resümiert Florian Kurth. „Zu beachten ist, dass der Impfschutz erst nach etwa 14 Tagen vollständig aufgebaut ist. Zusätzlich sollten allgemeine Präventionsmaßnahmen wie die Nutzung von Kondomen ergriffen werden – auch zum Schutz vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten.“
Da im Studienzeitraum die Klade IIb des Mpox-Virus in Deutschland zirkulierte, gelten die Ergebnisse zum Impfschutz für diese Viruslinie. Aufgrund des hohen Verwandtschaftsgrades mit der Klade I, die momentan in Zentralafrika und angrenzenden Regionen grassiert, gehen die Forschenden jedoch von einem sehr hohen Kreuzschutz aus. Ihnen zufolge dürften die Studienergebnisse deshalb auch für den aktuellen Klade-I-Ausbruch in Afrika relevant sein. Noch unklar ist, wie lange der Impfschutz anhält. Im nächsten Schritt plant das Forschungsteam dazu Langzeitstudien und will zusätzlich untersuchen, welche Wirkung eine dritte Impfdosis entfaltet.
*Hillus D et al. Safety and effectiveness of MVA-BN vaccination against Mpox: A combined prospective and retrospective cohort study (SEMVAc/TEMVAc). Lancet Infect Dis 2025 Mar 18. doi: 10.1016/S1473-3099(25)00082-9
Über Mpox
Mpox (bis 2022: Affenpocken) werden durch das Monkeypox-Virus ausgelöst, das mit den humanen Pockenviren verwandt ist. Das Krankheitsbild ähnelt dem der echten Pocken, die seit 1980 als ausgerottet gelten. Waren die Pocken eine lebensbedrohliche Infektionskrankheit, verläuft Mpox in der Regel milder. Es kommt zu Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen, die Lymphknoten schwellen an. Einige Tage später bilden sich Pusteln auf der Haut oder den Schleimhäuten. Diese Pocken können teilweise sehr stark jucken und auch schmerzhaft sein. Tödliche Verläufe sind sehr selten und betreffen vor allem Kinder und immungeschwächte Personen. Jedoch können schwere Krankheitsverläufe zu starken Vernarbungen und langfristigen Schäden führen. Das Mpox-Virus wird durch engen Körperkontakt übertragen.
Zum Mpox-Infektionsgeschehen
Auf Basis genetischer Unterschiede wird das Mpox-Virus in sogenannte Kladen eingeteilt. Im Mai 2022 kam es zu einem weltweiten Ausbruch der Klade IIb, bei dem sich das Virus vor allem durch engen Körperkontakt und Sexualkontakte ausbreitete. Seither sind mehr als 100.000 Fälle in 122 Ländern erfasst worden. Während das Infektionsgeschehen seit Herbst 2022 in Europa deutlich zurückgegangen ist, wurden 2024 in einzelnen Ländern wie den USA, Brasilien oder Australien teils deutlich mehr als 1.000 Fälle registriert. Aktuell werden neue Klade-IIb-Fälle in Australien, Südafrika und Südamerika gemeldet. Seit 2023 werden zusätzlich vermehrt Mpox-Infektionen der Klade I (inklusive einer neuen Variante Ib) in Afrika registriert, insbesondere in der Demokratischen Republik Kongo. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte 2022 für den Klade-II-Ausbruch und 2024 für den Klade-I-Ausbruch eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite (PHEIC).
Über den Mpox-Impfstoff
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Mpox-Impfung mit dem in der EU zugelassenen Impfstoff Imvanex. Er ist seit 2013 zum Schutz vor Pocken und seit Juli 2022 auch zum Schutz vor Mpox zugelassen. In den USA und Kanada gilt die Zulassung gegen Mpox seit mehreren Jahren, dort unter dem Impfstoff-Namen Jynneos bzw. Imvamune. Es handelt sich um einen Lebendimpfstoff mit Viren, die im Menschen nicht vermehrungsfähig sind. Das Präparat beruht auf einem abgeschwächten Kuhpockenvirus (modifiziertes Vaccinia-Virus Ankara, MVA-Impfstoff), das als eine Art Prototyp der Pockenviren gilt und so einen Kreuzschutz auch gegen andere Pockenviren hervorrufen kann. Zu den Gruppen, denen die Impfung empfohlen wird, zählen Männer ab 18 Jahren, die Sex mit Männern haben und häufig die Partner wechseln, sowie Laborpersonal, das mit infektiösen Mpox-Proben arbeitet. Die Grundimmunisierung erfolgt mit zwei Impfdosen.
Über die Studie
Die Studie war in zwei Studienarme geteilt, um die Verträglichkeit bzw. die Wirksamkeit der Mpox-Impfung zu ermitteln. Zur Bestimmung der Sicherheit und Verträglichkeit wurden rund 6.500 Personen prospektiv untersucht und regelmäßig befragt. Zur Ermittlung der Wirksamkeit kam ein Rolling-Cohort-Design in einem sogenannten Target Trial zum Einsatz, das durch einen rückblickenden Vergleich der Daten von über 9.300 Geimpften und Ungeimpften mit vergleichbaren demografischen und klinischen Merkmalen eine randomisierte klinische Studie simuliert. Über die gesamte Gruppe der Teilnehmenden hinweg – also mit oder ohne HIV – ergab sich eine durchschnittliche Schutzwirkung von 58 Prozent. Die Studie wurde gefördert durch das BIH und die EMA.
Prof. Leif Erik Sander
Direktor der Klinik für Infektiologie und Intensivmedizin
Charité – Universitätsmedizin Berlin
T: +49 30 450 553 332
E-Mail: leif-erik.sander@charite.de
https://doi.org/10.1016/S1473-3099(25)00018-0
https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(25)00018-0/fullt... Originalpublikation
https://infektiologie.charite.de/ Klinik für Infektiologie und Intensivmedizin
Mpox-Viruspartikel (eingefärbte elektronenmikroskopische Aufnahme)
© National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID)
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
Medicine
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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