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04/29/2025 17:58

Angeborene Herzfehler: Psychokardiologie kommt viel zu kurz

Michael Wichert Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Herzstiftung e.V./Deutsche Stiftung für Herzforschung

    Zum Tag des herzkranken Kindes am 5. Mai: Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler (ABAHF) fordert Ausbau fachgerechter psychokardiologischer Betreuungsangebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit angeborenem Herzfehler (EMAH) sowie deren Angehörige/ Herzstiftungs-Vorstand: „Massiver Versorgungsengpass“

    Jährlich kommen 8.700 Kinder mit einem angeborenen Herzfehler in Deutschland zur Welt. Über 95 Prozent von ihnen erreichen heute Dank der Fortschritte in der Kinderherzchirurgie und Pädiatrischen Kardiologie das Erwachsenenalter. Sie bilden mit den schon heute in Deutschland lebenden über 350.000 Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler (EMAH) eine stetig wachsende Patientengruppe. Ein Großteil von ihnen benötigt lebenslang eine sorgfältige regelmäßige medizinische Nachsorge. Für einen Menschen mit angeborenem Herzfehler kann je nach Komplexität des Herzfehlers der damit verbundene Eingriff oder die Eingriffe traumatische Folgen haben. Und auch im weiteren Krankheitsverlauf können Menschen mit angeborenem Herzfehler neben den körperlichen Auswirkungen ihres Herzfehlers mit vielfältigen seelischen Belastungen und Ängsten konfrontiert sein: mit der Angst vor dem eigenen operierten Herz in Belastungssituationen, etwa beim Toben oder beim Sport, der Angst vor Ausgrenzung (sichtbare Narbe beim Schwimmen) oder vor dem bevorstehenden Herz-Eingriff, einem neuen Implantat (Herzschrittmacher, Stent, implantierbarer Defi) oder einer Dauertherapie mit Gerinnungshemmern. Nicht nur die Eltern sind in ihrer Fürsorgefunktion mit den seelischen Problemen ihrer Kinder konfrontiert; auch die Angehörigen von EMAH sind stets betroffen, wenn das erkrankte Familienmitglied erneut stationär behandelt oder gar einer neuen Operation unterzogen werden muss. Allein im Jahr 2022 wurden über 7.200 chirurgische Operationen bei Patienten mit angeborenem Herzfehler und über 8.100 Herzkatheter-Untersuchungen und -Interventionen durchgeführt (Deutscher Herzbericht – Update 2024).
    „Wir wissen, dass Betroffene nicht nur mit den physischen Folgen ihrer Erkrankungen zu kämpfen haben, sondern auch mit seelischen Belastungen, die sich im Laufe des Lebens verstärken können. Es ist daher wichtig, die psychische Gesundheit von Anfang an mitzudenken“, betont Prof. Dr. Stefan Hofer, Elternvertreter herzkranker Kinder im Vorstand der Deutschen Herzstiftung, eine von mehreren Patientenorganisationen im Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler (ABAHF). „Menschen mit angeborenem Herzfehler bedürfen einer psychokardiologischen Betreuung, die fachgerecht auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten ist.“ Zum Tag des herzkranken Kindes (5. Mai) fordert das ABAHF (https://www.abahf.de) mit hoher Dringlichkeit den Ausbau entsprechender Versorgungsangebote, um allen Betroffenen und deren Familien den Zugang zu psychokardiologischer Betreuung zu ermöglichen.

    „Kein flächendeckendes Versorgungsangebot“
    Aufgrund der wachsenden Zahl der Kinder und Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler (EMAH) nimmt auch der Bedarf an einem fachgerechten psychokardiologischen Versorgungsangebot zu. „Leider sehen wir aber einen massiven Versorgungsengpass gerade im Bereich der Psychokardiologie mit Fokus auf angeborene Herzfehler – ein flächendeckendes Angebot gibt es bislang nicht“, warnt Prof. Hofer. „Für viele Kinder mit seelischen Problemen und Bedarf an psychokardiologischer Betreuung – ebenso für ihre Eltern – stellt dieser Engpass ein großes Problem dar. Das gilt natürlich auch für EMAH.“ Betroffene Eltern herzkranker Kinder und EMAH können sich bei Bedarf für eine psychokardiologische Betreuung an Kliniken und Herzzentren wenden, die im Bereich der Erwachsenenkardiologie eine psychokardiologische Versorgung mit Fokus auf angeborene Herzfehler anbieten. Zu nennen sind hier beispielhaft das Deutsche Herzzentrum der Charité Berlin (DHZC), das Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), das Herzzentrum Leipzig und das Deutsche Herzzentrum München der TUM. Vereinzelt bestehen auch psychokardiologische Versorgungsangebote in Reha-Kliniken mit kardiologischer Reha.

    Psychokardiologie: ein lebensbegleitendes Thema?
    Dass es in Deutschland Nachholbedarf im Bereich Psychokardiologie für Menschen mit angeborenem Herzfehler gibt, sehen auch Experten auf diesem Gebiet. „In der deutschen Psychokardiologie sind EMAH erst seit relativ kurzer Zeit ein Thema und zu Kindern und ihren Familien dürfte es nicht besser aussehen“, berichtet Prof. Dr. Christoph Herrmann-Lingen vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung und Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen sowie Mitglied im Vorstand des Herzzentrums Göttingen. Der Experte für Psychokardiologie forscht derzeit an der Frage, inwiefern Psychokardiologie bei Patienten mit angeborenem Herzfehler, je nach Krankheitsverlauf und Komplexität des Herzfehlers, ein lebensbegleitendes Thema ist.
    Wenn beispielsweise ein EMAH vor mehr als 18 Jahren mit einem Ein-Kammer-Herz geboren wurde, hat er/sie unter Umständen mehrere Operationen in Kindheit und Jugend hinter sich. Aber auch die grundsätzlichen medizinischen Rahmenbedingungen haben sich rund um die Versorgung solcher Herzfehler verändert. Heute kommen herzkranke Kinder in aller Regel gemeinsam mit ihren Eltern in die Kliniken und haben dort auch deren stetigen Beistand. EMAH, die in den 1980er oder 1990er Jahren operiert worden sind (damit heute im noch jungen Alter zwischen 35 und 45), waren zum Teil wochenlang völlig allein in der Klinik untergebracht. Auch können im Verlauf des weiteren Lebens Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen hinzukommen, die zusätzlich zu versorgen sind. Ähnlich verhält es sich bei Patienten mit einer Transposition der großen Arterien (TGA). Neben medizinischen Versorgungsthemen kommen für viele dieser Patienten meistens weitere Themen hinzu, „die sie ein Leben lang begleiten, oft belasten und auch zu psychischen und psychosomatischen Problemen führen können“, so Prof. Herrmann-Lingen.
    Seiner Einschätzung nach kommt die Mehrheit der betroffenen EMAH „auf der Oberfläche“ gut mit der Erkrankung zurecht. „Aber in Schwellensituationen, etwa bei auftretenden somatischen Komplikationen, invasiven Behandlungen oder bei der Familiengründung, Schwangerschaft oder der Berufswahl, können psychische Belastungen entstehen, die eine psychokardiologische Unterstützung erfordern“, berichtet der Experte für Psychokardiologie Prof. Herrmann-Lingen.

    Psychokardiologie auch mit Fokus auf angeborene Herzfehler
    Die Psychokardiologie verfolgt einen fächerübergreifenden Ansatz. Die noch recht junge medizinische Disziplin der Psychokardiologie befasst sich mit den Wechselwirkungen zwischen Herzerkrankungen und Psyche. Sie behandelt sowohl psychische Beschwerden, die durch die Auseinandersetzung mit der Herzerkrankung entstehen, als auch Herzkrankheiten, die durch psychischen Stress ausgelöst oder gefördert wurden. In den vergangenen 20 Jahren konnte das Behandlungsangebot der Psychokardiologie für Patienten mit erworbenen Herzkrankheiten in Deutschland deutlich ausgebaut werden. Inzwischen arbeiten viele kardiologische Akutkliniken eng mit psychosomatischen Diensten zusammen. Sie bieten zum Beispiel unterstützende Gespräche an und helfen bei der Anbahnung einer Psychotherapie.
    „Wir setzen uns für eine stärkere Integration psychologischer Unterstützung für alle Menschen mit angeborenen Herzfehlern in die medizinische Versorgung ein. Nicht erst in späteren Lebensabschnitten, sondern vom Säugling beginnend über die Eltern, denn psychisch gesunde und ausgeglichene Eltern fördern die psychische Stabilität von Kindern mit angeborenem Herzfehler“, betont Kai Rüenbrink, Sprecher des ABAHF. Die Patientenorganisationen des ABAHF setzen hierbei auf Herzzentren mit Expertise in der psychokardiologischen Betreuung auch im Bereich der Angeborenen Herzfehler wie die genannten in Berlin, Göttingen, Leipzig und München, deren Vorbildcharakter für neu entstehende Einrichtung dienen könnte.

    „Der Tag des herzkranken Kindes soll erneut als Anstoß dienen, auf die aktuelle Versorgungssituation von Menschen mit angeborenem Herzfehler hinzuweisen. Wir fordern alle Entscheider im Gesundheitswesen dazu auf, gemeinsam mit uns und anderen Patientenorganisationen sowie den kardiologischen Fachgesellschaften Wege zu finden, um die psychische Gesundheit als wesentlichen Bestandteil der Behandlung auch für diese Patientengruppe zu etablieren“, betonen die im ABAHF vertretenen Patientenorganisationen einstimmig.

    (wi)

    Das Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler (ABAHF)
    Um in der Öffentlichkeit mit einer Stimme für eine bessere Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern und deren Familien einzutreten und ihnen noch effektiver zu helfen, haben sich 2014 auf Initiative der Deutschen Herzstiftung e. V. bundesweit tätige Patientenorganisationen zum „Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler“ (ABAHF) zusammengeschlossen. Die Organisationen sind: Bundesverband Herzkranke Kinder e.V., Bundesverein Jemah e.V., Herzkind e.V., Interessengemeinschaft Das Herzkranke Kind e.V. und die Kinderherzstiftung der Deutschen Herzstiftung e.V.

    Etwa 8.700 Neugeborene mit angeborenem Herzfehler kommen in Deutschland jährlich zur Welt. Heute erreichen rund 95 % dieser Kinder dank der Fortschritte der Kinderherzchirurgie und Kinderkardiologie das Erwachsenenalter. Die Zahl der Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler (EMAH) wird auf über 350.000 geschätzt.

    Zur ABAHF-Homepage: https://www.abahf.de/

    Für Foto- und Bildmaterial wenden Sie sich bitte unter presse@herzstiftung.de oder Tel. 069 955128-114 an die Pressestelle der Deutschen Herzstiftung

    Informationen:
    Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler (ABAHF)
    c/o Deutsche Herzstiftung e.V.
    Pressestelle: Michael Wichert (Ltg.)/Pierre König
    Tel. 069 955128-114/-140
    E-Mail: presse@herzstiftung.de


    More information:

    https://www.abahf.de - ABAHF-Homepage


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    Prof. Dr. Christoph Herrmann-Lingen, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen u. Mitglied im Vorstand des Herzzentrums Göttingen
    Prof. Dr. Christoph Herrmann-Lingen, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftun ...
    umg/schmidt
    umg/schmidt

    Prof. Dr. Stefan Hofer, Elternvertreter herzkranker Kinder im Vorstand der Deutschen Herzstiftung
    Prof. Dr. Stefan Hofer, Elternvertreter herzkranker Kinder im Vorstand der Deutschen Herzstiftung
    Christian Hesselmann
    Deutsche Herzstiftung/Christian Hesselmann


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Psychology
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications
    German


     

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