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05/15/2025 12:02

Welchen Wert hat die deutsche Sprache in Namibia?

Carina Grewe Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
FernUniversität in Hagen

    In Namibia lebt eine deutschsprachige Community. Dr. Almut Leh von der FernUniversität führte vor Ort Interviews, um mehr über ihr Leben und ihren Alltag zu erfahren.

    Namibia ist für seine Natur und vor allem für die Namibwüste mit den höchsten Dünen der Welt und den Etoscha Nationalpark berühmt. Das Land ist das am zweitdünnsten besiedelte weltweit und zieht jährlich zahlreiche Touristinnen und Touristen an. Rund drei Millionen Menschen leben in Namibia, darunter etwa 20.000 deutschsprachige Personen. In Namibia, das bis zum Ende des Ersten Weltkrieges deutsche Kolonie war, gibt es auch mehr als 100 Jahre danach immer noch eine deutsche Kirche, deutsche Straßennamen, Geschäfte und eine deutschsprachige Zeitung.

    Interviews mit 24 Personen

    Dr. Almut Leh ist Geschäftsführerin des Instituts für Geschichte und Biographie der FernUniversität. Sie verbrachte einen Monat zu Forschungszwecken in Namibia, gemeinsam mit FernUni-Masterstudent Jörg Niehoegen, dessen Reisekosten die Gesellschaft der Freunde der FernUniversität e.V. mit einem Stipendium unterstützte.

    Im Forschungsprojekt „Transnationale Biographien: Selbstverständnis, Lebenswelten und Netzwerke deutschsprachiger Namibier“ interviewten sie 24 Personen, die sich selbst als Deutsche oder deutschsprachige Namibier:innen verstehen. „Ich finde es interessant, dass die Menschen völlig abseits von Deutschland, die deutsche Sprache für wichtig erachten und in einer Sprachgemeinschaft leben“, sagt Dr. Almut Leh. Die Historikerin interessierte vor allem, ob es in dieser Gruppe eine gemeinsame Identität gibt und was für sie Deutsch- oder Namibier-Sein bedeutet.

    Große Bereitschaft

    „Die Bereitschaft, mit uns zu sprechen, war überraschend hoch. Denn viele Deutschnamibier sehen sich in deutschen Medien oft als Ewig-Gestrige dargestellt und sind deshalb sehr zurückhaltend, wenn es um Interviewanfragen geht. Wir haben jeden Tag bis zu zwei Interviews geführt“, zieht Leh Bilanz. Leh und Niehoegen kontaktierten ihre Interviewpartner:innen über verschiedene Wege – etwa über das Forum deutschsprachiger Namibier. Ausgewählt wurden Personen, die die Unabhängigkeit von Südafrika 1990 als Erwachsene erlebt haben. Die meisten waren über 80 Jahre alt, einige in Namibia geboren, andere eingewandert. Die Gespräche fanden teilweise in Altenheimen in Windhoek und Swakopmund statt, meistens allerdings bei den Interviewten zu Hause. Die Oral-History-Interviews dauerten oft mehrere Stunden und werden aktuell für das Archiv „Deutsches Gedächtnis“ aufbereitet.

    „Meine Heimat ist Namibia“

    Die Interviewten berichteten offen über ihr Leben. Almut Leh stellte ergänzende Fragen, um einzelne Aspekte zu vertiefen. Bald zeichnete sich eine zentrale Gemeinsamkeit ab: Alle bezeichnen Namibia, nicht Deutschland, als ihre Heimat. „Ich merkte schnell, dass die Frage nach der Heimat überflüssig war, denn alle nannten Namibia – mit einem besonderen Selbstverständnis, weil sie weiterhin Deutsch sprechen“, erklärt Leh. Dabei ist Namibia vielsprachig. Auch die Deutschsprachigen sprechen zumeist Afrikaans und Englisch. Sie haben eine große Verbundenheit mit dem Land, mit der Natur und der Lebensweise.

    Ihr Interesse an Deutschland ist unterschiedlich. Manche haben gar keine Verbindung nach Deutschland – aber allen ist die deutsche Sprache wichtig. „Das hat sich in allen Gesprächen wiederholt, dass es die Sprache ist, die sie als Community verbindet.“ Dabei spielt auch deutsches Fernsehen eine große Rolle. „Dadurch ist das Deutsch, das wir dort gehört haben, sehr aktuell. Das hat mich schon sehr überrascht. Denn in exterritorialen Sprachgemeinschaften kommt es oft dazu, dass ein sehr altmodisches Deutsch gesprochen wird“, sagt die Wissenschaftlerin.

    „Viele kennen sich untereinander“

    In den Interviews fiel auf, dass sich viele der deutschsprachigen Menschen in Namibia kennen, oft zumindest über mehrere Ecken. Fast alle Interviewten haben deutschsprachige Schulen besucht und in privat geführten Schülerheimen gelebt. Die dort entstandenen Kontakte halten oft ein Leben lang. Die Verbindung der Interviewten nach Deutschland ist unterschiedlich. Einige haben dort noch Verwandte, einige haben gar keinen Bezug zu Deutschland außer der Sprache, während wiederum andere ihre Kinder für die Ausbildung oder das Studium nach Deutschland schicken – und hoffen, dass sie danach zurück nach Namibia kommen. „Deutsches Brauchtum ist längst nicht allen wichtig bis auf den Tannenbaum zur Weihnachtszeit. Karneval und das Oktoberfest haben kaum eine gemeinschaftsstiftende Bedeutung.“

    Friedliches Zusammenleben

    Das Verhältnis zur schwarzen Bevölkerung und das Zusammenleben werden als konfliktfrei, manchmal sogar auch als harmonisch beschrieben. Einige der Befragten sind mit Personen der schwarzen Bevölkerung befreundet und arbeiten mit ihnen zum Beispiel in der Politik oder auf ihren Farmen zusammen. Einig sind sich die Befragten darin, dass der Übergang zur Unabhängigkeit von Südafrika 1990 ausgesprochen friedlich verlief. Ein paar der Interviewpartner:innen erlebten die Feierlichkeiten auch im Stadion – waren oder sind auch politisch aktiv, und vielen ist es wichtig, Namibia als Nation weiterzuentwickeln. „Sie möchten sich stark einbringen, gerade in der Wirtschaft. Die hohe Arbeitslosigkeit bei jungen Menschen ist ein großes Problem. Hier versuchen sie, Lösungen zu entwickeln.“

    Deutsche Sprache ist ihnen wichtig

    Die deutschsprachige Community ist eine sehr kleine Minderheit in Namibia. Nur 1% der Bevölkerung spricht deutsch, und trotzdem ist ihnen die Sprache immer noch sehr wichtig – in einem Land, dass tausende Kilometer von Deutschland entfernt ist. Almut Leh und Jörg Niehoegen möchten zukünftig mit diesen Interviews weiter forschen und mehr über die Sicht der deutschen Community auf die Geschichte der Apartheid und auf das unabhängige Namibia erfahren. An der FernUniversität forscht bereits Prof. Jürgen Nagel zum südafrikanischen Apartheitsregime, das nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Namibia Einzug hielt. Jürgen Nagel möchte die Sicht der schwarzen Bevölkerung in Namibia erfragen. „Die Forschungen ergänzen sich sehr gut, und wir tauschen uns regelmäßig aus. Wichtig ist uns auch die Kooperation der FernUniversität mit der University of Namibia.“ Partner an der University of Namibia ist Dr. Kletus Likuwa (Leiter des Oral-History-College in Namibia), den Almut Leh und Jörg Niehoegen in Windhoek besucht haben.

    Infos zu Namibias Unabhängigkeit:
    Von 1884 bis 1915 war das heutige Namibia sogenanntes „Schutzgebiet“ und deutsche Kolonie. Nach dem Ersten Weltkrieg übertrug der Völkerbund Südafrika die Verwaltung. Seit dem 21. März 1990 ist Namibia ein unabhängiger Staat. Im Rahmen der Feierlichkeiten zur Unabhängigkeit wurde im Nationalstadion in Windhoek die südafrikanische Flagge eingeholt und die namibische gehisst. Tausende Menschen lauschten damals der Rede des ersten Präsidenten Sam Nujoma und feierten die Unabhängigkeit. Nach über 30 Jahren Unabhängigkeit und mehr als 100 Jahre nach der Kolonialzeit sind immer noch viele Fragen der Aufarbeitung von historischen Verbrechen offen.

    Redaktion: Annemarie Alice Gonsiorczyk


    Contact for scientific information:

    Dr. Almut Leh, Geschäftsführerin des Instituts für Geschichte und Biographie der FernUniversität in Hagen und Leiterin des Archivs des Instituts für Geschichte und Biographie „Deutsches Gedächtnis“, almut.leh@fernuni-hagen.de


    More information:

    https://www.fernuni-hagen.de/geschichteundbiographie/


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    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    History / archaeology, Language / literature
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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