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05/21/2025 17:00

Hand2 und nachwachsende Gliedmaßen: Positionscode der Wunderlurche gefunden

Manel Llado IMBA Communications
IMBA - Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften GmbH

    Mit seiner faszinierenden Fähigkeit, Gliedmaßen und innere Organe komplett nachwachsen
    zu lassen, ist der mexikanische Axolotl das ideale Modell für die Erforschung von Regeneration. Wissenschaftler:innen aus dem Labor von Elly Tanaka am Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien haben nun eine bahnbrechende Entdeckung gemacht: sie fanden jenes Signal, das Zellen mitteilt, welcher Teil des Arms regeneriert werden soll - und nutzten es gleich, um die Identität der Zellen während ihrer Entwicklung neu zu programmieren. Die Studie wurde heute in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.

    Der Axolotl lebt in einem trüben See in der Nähe von Mexiko-Stadt, umgeben von aggressiven und kannibalischen Nachbarn. Der Salamander läuft hier ständig Gefahr, ein Bein oder den Schwanz an einen hungrig knabbernden Nachbarn zu verlieren. Glücklicherweise wachsen verlorene Gliedmaßen von Axolotln nach und sind innerhalb von acht Wochen wieder funktionsfähig. Diese Fähigkeit machten den „Wunderlurch“ zum Star der Regenerationsforschung.

    Nachwachsenden Körperteile müssen ihre Position im Axolotl-Körper genau kennen, um die richtige Struktur für eine bestimmte Stelle zu regenerieren. Jener lange gesuchte Code, der den Zellen ihre Position verrät und dadurch den Körperteilen ihre Identität verleiht, wurde nun von Elly Tanaka und ihrer Gruppe am IMBA, dem Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am Vienna BioCenter in Wien, geknackt. Im Fachjournal Nature zeigen die Wissenschaftler:innen, dass Zellen beim Verlust einer Gliedmaße ein Signal einschalten, das über eine Seite der nachwachsenden Struktur ausstrahlt und damit die Position codiert.

    Sobald die Regeneration beginnt, bilden Stammzellen auf der vorderen Seite (der Seite des Daumens) das Signalmolekül FGF8, während die Stammzellen der hinteren Seite (kleiner Finger) das Molekül Shh bilden. Diese beiden Signale verstärken sich gegenseitig und weisen die Zellen an, zu wachsen und den sich regenerierenden Arm zu formen - eine frühere Entdeckung des Labors von Tanaka.

    „Was wir nicht wussten, war, welche Signale dafür sorgen, dass FGF8 und Shh während der Regeneration an den beiden Seiten der Gliedmaße eingeschaltet werden. Also die Grundlage für die Positionsinformation,“ erklärt Leo Otsuki, Erstautor der Studie.

    Axolotl haben sehr große und komplexe Genome, und genetische Werkzeuge, die für andere Modellorganismen zur Verfügung stehen, fehlen für Axolotl oft. Erst jüngste Fortschritte bei diesen molekularen Werkzeugen ermöglichten es den issenschaftler:innen, systematisch nach Signalstoffen zu suchen.

    Viele Hinweise zur Kodierung des Positionsgedächtnisses

    Zu ihrer Überraschung fanden die Forscher:innen Hunderte von Faktoren, deren Muster sich in der vorderen (daumenseitigen) gegenüber der hinteren (kleinfingerseitigen) Hälfte der Gliedmaßen schon vor einer Verletzung unterschieden. Doch ein Protein stach besonders hervor: Das passend benannte „Hand2“ wird nur auf der hinteren Seite gebildet, in der vorderen Hälfte überhaupt nicht.„Hand2 hat unsere Aufmerksamkeit erregt, weil es an der richtigen Stelle gebildet wird, um als Orientierungshilfe zu dienen“, sagt Otsuki. Experimente an sich entwickelnden und regenerierenden Gliedmaßen bestätigten, dass Hand2 eine wichtige Rolle bei der Aktivierung von Shh nach einer Verletzung spielt, was seine Bedeutung für Positionsinformationen unterstreicht.

    Die Wissenschaftler leiteten ein neues Modell für die Regeneration von Gliedmaßen ab, das einem Radiosignal ähnelt: In der voll entwickelten Gliedmaße bilden nur Zellen auf der hinteren Seite Hand2 in geringer Menge. Diese Hand2-Expression bildet das Gedächtnis der Zellen dafür, dass sie sich in der Hälfte des kleinen Fingers befinden. Bei einer Verletzung erhöhen diese Zellen die Hand2-Expression auf ein höheres Niveau, wodurch das Shh-Signal in einer Untergruppe der Hand2-exprimierenden Zellen eingeschaltet wird. Shh-Zellen in der Nähe der Shh-Quelle regenerieren sich dann als Zellen aus dem hinteren Teil des Arms; Zellen, die weit vom Shh-Signal entfernt sind, regenerieren sich als Zellen aus dem vorderen Teil.

    Sobald die Gliedmaße vollständig regeneriert ist, bilden die Zellen erneut Hand2 auf niedrigem Niveau, um sicherzustellen, dass ein stabiles Gedächtnis ihrer Position für den nächsten Zyklus von Verletzung und Regeneration bereitsteht. Mit diesen Erkenntnissen lässt sich zum ersten Mal erklären, wie ein bereits vorhandenes Positionsgedächtnis-Signal nach einer Verletzung erneut aktiviert wird, um wiederholt eine korrekte Musterbildung zu bewirken.

    Vielversprechende Möglichkeiten für Gewebe- und Organoid-Engineering

    Die Entdeckung ist ein wichtiger Durchbruch für das gesamte Feld der Regenerationsforschung: „Wir haben ein flexibleres Regenerationsmodell entdeckt, als wir erwartet hatten, und das ist wirklich aufregend. Unser Modell sagte voraus, dass wir in der Lage sein sollten, Zellen von einer daumenseitigen Identität zu einer kleinfingerseitigen Identität zu wechseln, indem wir die Shh-Übertragung nutzen“, erklärt Otsuki. Als die Forscher Zellen von der Daumenseite des Arms in die Seite des kleinen Fingers verpflanzten, regenerierten sich diese Daumenzellen tatsächlich und verhielten sich wie Zellen des kleinen Fingers, da sie in den Bereich des Shh-Signals fielen. „Wir waren in der Lage, Zellen von der Vorderseite umzuprogrammieren und ihre Identität zu verändern.“

    Die Fähigkeit, die Identität von Zellen zu verändern, birgt ein immenses Potenzial für Tissue Engineering, den Nachbau von Geweben im Labor, und für regenerative Therapien. Dieses Konzept könnte es Wissenschaftlern ermöglichen, Zellen in verschiedenen Teilen des Körpers eine neue Identität zu geben und Gewebe gezielt zu verändern.

    „Die Fähigkeit, Zellen etwa nach einer Verletzung umzuwandeln und ihre Funktion zu ändern, ist für Anwendungen in regenerativen Therapien von entscheidender Bedeutung“, betont Otsuki. „Es macht es auch leichter, mit kleinen Modellen für Organe, sogenannten Organoiden, zu arbeiten und Gewebe zu entwickeln: Wir kennen jetzt die Signale, die Zellidentitäten steuern und können damit ihre Regenerationsleistung steigern. Die Nutzung solcher Signale könnte es ermöglichen, Zellen über ihre normalen biologischen Grenzen hinaus zu bringen.“ Die Zellen könnten damit völlig neue Aufgaben übernehmen - eine aufregende Perspektive für medizinische Innovationen.

    Vielversprechend für die Regenerationsmedizin macht die Entdeckung vor allem, dass die
    Handregeneration von Axolotln auf den Hand2-Shh-Signalweg angewiesen ist. "Dieselben Gene kommen auch beim Menschen vor, und die Tatsache, dass der Axolotl diesen Schaltkreis im Erwachsenenalter wiederverwendet, um eine Gliedmaße zu regenerieren, ist spannend. Das deutet darauf hin, dass, wenn ein ähnliches Gedächtnis in menschlichen Gliedmaßen vorhanden ist, wir diese Signale eines Tages nutzen könnten, um neue Regenerationsfähigkeiten freizusetzen,“ sagt Elly Tanaka. „Unsere Entdeckung stimmt uns optimistisch, dass wir durch Hand2 zusammen mit anderen Erkenntnissen aus dem Axolotl-Modell irgendwann in der Lage sein könnten, Gliedmaßen bei Säugetieren nachwachsen zu lassen“, fügt Tanaka hinzu.


    Contact for scientific information:

    Benedikt Mandl
    IMBA (Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der
    Wissenschaften)
    Dr. Bohr-Gasse 3, 1030 Wien
    T: +43 66480847 3627
    Mail: benedikt.mandl@imba.oeaw.ac.at
    www.imba.oeaw.ac.a


    Original publication:

    Leo Otsuki, Sarah A. Plattner, Yuka Taniguchi-Sugiura, Francisco Falcon, Elly M. Tanaka:
    „Molecular basis of positional memory in limb regeneration”. Nature, 2025. DOI: 10.1038/s41586- 025-09036-5
    Video Links


    More information:

    https://www.oeaw.ac.at/imba-de/ueber-imba/newsroom/news/hand2-und-nachwachsende-...


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    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Biology
    transregional, national
    Research results
    German


     

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