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Wissenschaft
Die 96. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie in Frankfurt am Main stand in diesem Jahr unter dem spannenden und herausfordernden Motto „Individualisierung versus Standardisierung“. Der Kongress, der über 3.000 Teilnehmende aus 48 Ländern versammelte, bot eine umfassende Plattform für die Diskussion aktueller Entwicklungen und zukünftiger Herausforderungen in der HNO-Heilkunde. Ein besonderes Augenmerk lag auf der Integration von personalisierter Medizin mit evidenzbasierten Standardverfahren, dem Einsatz von KI, Fortschritten in der roboterassistierten Chirurgie und bahnbrechenden Therapien bei Kopf-Hals-Tumoren.
„Die HNO-Heilkunde war schon immer ein Fach, in dem neben handwerklichem Können, interdisziplinärer Vernetzung vor allem Innovationsfähigkeit eine große Rolle gespielt haben“, betonte Kongresspräsident Prof. Dr. Timo Stöver bei der feierlichen Eröffnung der 96. Jahresversammlung. „Wir sind es gewohnt, uns an Innovationen anzupassen und auch im Alltag mit anderen Fächern zusammenzuarbeiten. Als HNO-Ärzte sind wir damit die Brückenbauer, die Diplomaten unter den Ärzten. In kaum einem anderen Fach gibt es so viele Schnittstellen zu anderen Fächern wie bei uns.“ Der Direktor der Frankfurter Universitäts-Hals-Nasen-Ohrenklinik hob hervor, dass die 96. Jahresversammlung erstmalig gemeinsame Veranstaltungen mit zwölf anderen Fachdisziplinen unter dem Motto „HNO trifft…“ anbot, um den Austausch und das gegenseitige Lernen zu fördern. An drei spannenden Kongresstagen gab es 92 wissenschaftliche Sitzungen, darunter 13 internationale Sessions, 61 Akademiekurse und eine Reihe aus 12 interdisziplinär besetzten Sitzungen angrenzender Fachgesellschaften. Darunter befanden sich „erwartbare Fächer“ wie Mund-Gesichts- und Kieferchirurgie, Neurochirurgie, Phoniatrie/Pädaudiologie, Strahlentherapie oder die Deutsche Gesellschaft für Audiologe, aber auch „vielleicht eher überraschende“ wie Kinderchirurgie, Anästhesiologie, Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Dermatologie, Neurologie, Augenheilkunde, Radiologie oder Neuroradiologie.
Künstliche Intelligenz in der HNO-Heilkunde: Revolution oder Hype?
Ein zentrales Thema des Kongresses war der Einsatz von Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT in der HNO-Heilkunde. Dr. Christoph Buhr (Mainz) beleuchtete in seinem Vortrag „Large Language Models in der Hals- Nasen- Ohrenheilkunde – Status quo und Ausblick“ das immense Potenzial von KI zur Unterstützung ärztlicher Tätigkeiten von der Patienteninformation über klinische Entscheidungsprozesse bis hin zur Datenauswertung. Trotz vielversprechender Ergebnisse betonte Dr. Buhr die Notwendigkeit, sich aktiv mit den ethischen, rechtlichen und datenschutzrelevanten Aspekten auseinanderzusetzen, um diesen Prozess verantwortungsvoll zu gestalten. „LLMs können ärztliche Tätigkeiten unterstützen und ergänzen, jedoch nicht ersetzen“, so Buhr.
Innovation für besseres Hören: Roboterunterstützte Cochlea-Implantation und Qualitätssicherung
Fortschritte in der Hörgeräteversorgung und Qualitätssicherung spielten eine zentrale Rolle. Angesichts der hohen Prävalenz von Schwerhörigkeit in Deutschland ist die Versorgung mit Cochlea-Implantaten (CI) von großer Bedeutung. Professor Dr. Thomas Klenzner (Düsseldorf) präsentierte die neuesten Entwicklungen in der roboterassistierten Cochlea-Implantation, die eine präzisere und minimal-invasivere Durchführung des Eingriffs verspricht. „Diese verbesserte Präzision ermöglicht es uns, die Elektroden des Cochlea-Implantats noch genauer und individualisiert für den Patienten zu platzieren, eine geringere Traumatisierung zu erreichen und in der Zukunft potenziell bessere Hörergebnissen für unsere Patienten zu erzielen“, erklärte Prof. Klenzner.
Die Deutsche HNO-Gesellschaft hat zudem erfolgreich einen neuen Qualitätsstandard für die CI-Versorgung etabliert. Professor Dr. Stefan Dazert berichtete über das bundesweite Zertifizierungsverfahren für CI-versorgende Einrichtungen, an dem bereits 58 Kliniken teilnehmen. Ergänzend dazu wurde ein Cochlea-Implantat-Register ins Leben gerufen, das bereits Daten von über 14.000 Implantaten und 12.000 Patienten enthält und das wissenschaftliche Fundament für zukünftige Entwicklungen legt.
Revolutionäre Therapien bei Kopf-Hals-Tumoren: Die KEYNOTE-689-Studie
Ein weiterer Höhepunkt des Kongresses war die Vorstellung der bahnbrechenden Phase-3-Studie KEYNOTE-689 durch Prof. Dr. med. Simon Laban (Ulm) und Univ.-Prof. Dr. Jens Peter Klußmann (Köln). Die Studie untersuchte den perioperativen Einsatz der Anti-PD-1-Therapie Pembrolizumab, einer Immuntherapie vor und nach der Operation, in Kombination mit einer adjuvanten Standardtherapie bei Patienten mit resektablem, lokal fortgeschrittenem Plattenepithelkarzinom im Kopf-Hals-Bereich.
Prof. Laban berichtete, dass die Studie ihren primären Endpunkt erreicht hat und eine signifikante Verbesserung des ereignisfreien Überlebens zeigte. Die Ereignis-freie Überlebensrate nach 3 Jahren lag im Immuntherapie-Arm bei Patienten mit einem CPS ≥ 10 bei fast 60 % gegenüber 46 % in der Standardtherapie. Prof. Klußmann ergänzte, dass die Rate der Fernmetastasen halbiert und Hochrisikofaktoren um 10 Prozent vermindert werden konnten. „Diese Studie ist ein wichtiger Meilenstein in der Behandlung von fortgeschrittenem Kopf-Hals-Krebs und wird zeitnah den Therapiestandard verändern, indem die Behandlung primär mit einer Immuntherapie beginnt, gefolgt von Operation und Bestrahlung“, so Klußmann.
Die Ergebnisse der KEYNOTE-689-Studie, die erstmals auf einem deutschen Kongress vorgestellt und eingeordnet wurden, könnten einen Paradigmenwechsel in der Behandlung dieser Patientengruppe darstellen.
Weitere wichtige Themen und Ausblick
Neben diesen Schwerpunkten wurden weitere wichtige Themen wie die Diagnostik und Therapie von Schilddrüsenerkrankungen, die individualisierte Implantatauswahl und Anpassung von Cochleaimplantatsystemen, die medikamentöse Tumortherapie von Kopf-Hals-Tumoren, die strukturierte Befunderhebung in der HNO-Heilkunde, die Individualisierung und Standardisierung in der Kopf-Hals-Pathologie, die HNO-ärztliche Diagnostik und Therapie von Schwindelsyndromen sowie die Diagnostik und medikamentöse Therapie der chronischen Rhinosinusitis behandelt.
Der HNO-Kongress 2025 hat eindrücklich gezeigt, dass Individualisierung und Standardisierung in der HNO-Heilkunde keine Gegensätze sind, sondern sich vielmehr ergänzen und befruchten. Standardisierte Verfahren gewährleisten die Qualität und Vergleichbarkeit der Versorgung, während die Individualisierung die optimale Anpassung der Therapie an die spezifischen Bedürfnisse jedes einzelnen Patienten ermöglicht. Die Tagung bot Medizinern verschiedener Fachdisziplinen die Gelegenheit, diese Themen zu diskutieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die sowohl den individuellen Bedürfnissen des Patienten als auch den hohen Qualitätsstandards der modernen Medizin gerecht werden.
Die spannenden fachlichen Diskussionen werden fortgeführt bei der 97. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO-KHC) e. V. vom 13. bis 16. Mai 2026 in Ulm unter wissenschaftlicher Leitung des Kongresspräsidenten Prof. Dr. Thomas Hoffmann.
https://kongress-hno.de/allgemeine-informationen/presse - Weitere Informationen zum HNO 2025
Univ.-Prof. Dr. med. Timo Stöver während der feierlichen Eröffnung in der Messe Frankfurt
Source: Susann Bargas Gomez
Der vollbesetzte Saal Harmonie in der Messe Frankfurt während der Eröffnung
Source: Susann Bargas Gomez
Criteria of this press release:
Journalists
Medicine
transregional, national
Scientific conferences
German
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