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06/23/2025 10:00

Wie blicken die Kommunen in der Region SaarLorLux auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit?

Friederike Meyer zu Tittingdorf Pressestelle der Universität des Saarlandes
Universität des Saarlandes

    Die offenen Grenzen in der Region SaarLorLux haben durch die Covid-19-Pandemie und die verstärkten Grenzkontrollen der jüngsten Zeit an Normalität verloren. Dies bestätigen viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus dem Saarland, dem Département Moselle und aus Luxemburg. Sie wurden von einem Forscherteam der Universität des Saarlandes zur europäischen Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene befragt. Ihre Sichtweisen und Bewertungen haben sich im Vergleich zu einer Vorgängerstudie im Jahr 2020 verändert.

    „Die meisten kommunalen Vertreterinnen und Vertreter in der Großregion assoziieren Europa in besonderer Weise mit offenen Grenzen, zudem der Währungsunion und dem besonderen Zusammenhalt. Die Verbundenheit mit Europa und der Grenzregion ist entsprechend hoch und umso stärker ausgeprägt, je näher sich die Gemeinde an der Grenze zum Nachbarland befindet“, sagt Florian Weber, Professor für Europastudien der Saar-Universität. Diese Ergebnisse sind Teil einer umfangreichen Studie, die Florian Weber und seine wissenschaftliche Mitarbeiterin Julia Dittel mit Unterstützung der saarländischen Staatskanzlei im Jahr 2024 durchgeführt und jetzt publiziert haben.

    Bei einer schriftlichen Umfrage hat das Forscher-Duo von einem Großteil der befragten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Dreiländereck Rückmeldung erhalten, was ein besonderes Interesse an der Thematik widerspiegelt. So hatten im Saarland 56 Prozent der angefragten Personen geantwortet, im französischen Département Moselle waren es 37 Prozent und im Großherzogtum Luxemburg 40 Prozent. Im Vorfeld hatten Julia Dittel und Florian Weber mit acht kommunalen Vertreterinnen und Vertretern ausführliche persönliche Interviews geführt, um ein Gespür dafür zu bekommen, welche Themen die Gemeinden in der Grenzregion besonders beschäftigen. Daraus entwickelten sie einen ausführlichen Fragebogen, der persönliche Einschätzungen zu Europa, Vorstellungen vom gelebten Europa, aber auch die Besonderheiten der Grenzlage thematisierte.

    „Auf der kommunalen Ebene wird am besten sichtbar, wie Menschen grenznah und grenzüberschreitend leben, konsumieren und arbeiten. Ihre gewählten Repräsentanten sind mit den alltagsbezogenen Herausforderungen bestens vertraut. Sie haben zudem die politischen und administrativen Hürden im Blick, die auch 40 Jahre nach dem Schengener Abkommen die innereuropäischen Grenzen nicht komplett verschwinden lassen“, erklärt Florian Weber. Die Befragung im Jahr 2024 habe vielmehr gezeigt, dass durch die abrupten Grenzschließungen während der Corona-Pandemie Vertrauen verloren gegangen ist. So stimmten im Jahr 2020 noch 43 Prozent der befragten saarländischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Aussage zu, dass sie die Grenze – wie Ministerpräsidentin Anke Rehlinger es formuliert hatte – eher als Schweißnaht, denn als Trennlinie betrachten. Bei den französischen Kollegen im Département Moselle teilten 37 Prozent diese Meinung. 2024 fiel die Bewertung deutlich zurückhaltender aus, die „volle Zustimmung“ hatte sich in beiden Ländern halbiert.

    Gleichzeitig betrachten die kommunalen Vertreter vom Département Moselle die Grenznähe mit 44 Prozent als „sehr relevant“ und erreichen damit einen doppelt so hohen Wert wie ihre saarländischen Interviewpartner. „Der grenzüberschreitende Arbeitsmarkt ist ein zentraler Faktor. Positiv hervorgehoben werden auch die Wirtschafts- und Kaufkraft aus den Nachbarländern. Gleichzeitig ist man sich der wechselseitigen Abhängigkeiten bewusst“, unterstreicht Julia Dittel. Hier zeige die Befragung deutliche Unterschiede zwischen den Gemeinden in unmittelbarer Grenznähe und den etwas entfernteren Kommunen: Rund drei Viertel der Grenzgemeinden sehen die Nähe sowohl 2020 als auch 2024 als „sehr relevant“ an, wohingegen der Wert in den Gemeinden ohne direkte Grenzlage bei beiden Erhebungen nur 17 Prozent erreicht. Ein deutscher Kommunalvertreter fasste es in einer frei formulierten Antwort so zusammen: „Die Lebenswelt wird mit jedem Kilometer Abstand mehr zur Grenze weniger vom Nachbarland beeinflusst. Die Nähe öffnet den Blick zum Nachbarn und lässt die Sensibilität für europäische Fragen wachsen“.

    „Spannend wird es zudem, wenn man sich die Frage anschaut, ob die Grenzlage auch als Vorteil betrachtet wird. Bei den französischen Antworten ist die volle Zustimmung von 67 Prozent im Jahr 2020 auf 27 Prozent gefallen, wohingegen in Deutschland nur ein leichter Rückgang von 39 auf 33 Prozent zu verzeichnen ist“, erläutert Florian Weber. Überrascht habe ihn dabei auch die Einschätzung der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Großherzogtum Luxemburg, von denen nur 26 Prozent die Vorteile der Grenzlage als „sehr relevant“ bewerten. „Sie nehmen vor allem auf die Vorzüge Europas Bezug und thematisieren eher für die Grenzregion die negativen Folgen wie steigende Immobilienpreise und Verkehrsbelastungen. Außerdem verweisen sie darauf, dass die Vorteile der Grenzlage nicht so einfach ‚abzurufen‘ seien und noch viele Hindernisse im Alltagsgeschäft zu überwinden wären“, fasst Julia Dittel die Aussagen aus den Freitextfeldern der Befragung zusammen.

    Für die Grenzraumforscherin zeigen die Umfrageergebnisse generell, dass man die europäische Zusammenarbeit und die offenen Grenzen nicht als Selbstverständlichkeit betrachten darf. „Es ist wichtig, dass in Grenznähe die Sprache des Nachbarlandes erlernt wird und ein bürgernaher Austausch existiert. Auch gilt es noch viele bürokratische Hürden abzubauen, etwa in der grenzüberschreitenden Krankenversorgung und dem öffentlichen Nahverkehr. Auch müssen die Handlungsmöglichkeiten für Kommunen gestärkt werden“, betont Julia Dittel. Professor Florian Weber appelliert zudem an die Politik, die Notwendigkeit von Grenzkontrollen an den europäischen Binnengrenzen stärker zu hinterfragen. „Nicht nur die geschlossenen Schlagbäume während der Corona-Pandemie, sondern auch die verstärkten Grenzkontrollen seit der Olympiade in Paris, die zuletzt noch einmal von Deutschland ausgehend verstärkt wurden, haben in den Köpfen etwas verändert. Das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Solidarität eines ‚Europa im Kleinen‘ dürfen in der Region SaarLorLux nicht einfach für selbstverständlich genommen werden“, warnt Florian Weber.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Florian Weber
    Europastudien | Schwerpunkte Westeuropa und Grenzräume
    Tel.: +49 681 302-64220
    Mail: florian.weber(at)uni-saarland.de

    Julia Dittel
    Wissenschaftliche Mitarbeiterin
    Tel. 0681 302-64202
    Mail: julia.dittel@uni-saarland.de


    Original publication:

    Die wissenschaftliche Studie, erschienen als „Working Paper“ des UniGR-Center for Border Studies, ist in deutscher und französischer Sprache frei zugänglich:
    https://center-border-studies.uni-gr.eu/index.php/de/ressourcen/publikationen/wo...


    Images

    Florian Weber, Professor für Europastudien der Universität des Saarlandes
    Florian Weber, Professor für Europastudien der Universität des Saarlandes
    Source: Thorsten Mohr
    Copyright: Universität des Saarlandes

    Julia Dittel, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Europastudien der Universität des Saarlandes
    Julia Dittel, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Europastudien der Universität des Saa ...
    Source: Florian Weber
    Copyright: Universität des Saarlandes


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
    Economics / business administration, Geosciences, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research results
    German


     

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