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Darmstadt. 25. Juni 2025. „Starter Packs“ – von Bluesky-Nutzenden zusammengestellte Listen bestehender User, denen neue Nutzende mit einem Klick folgen können – haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Social-Media-Plattform Bluesky auf mehr als 30 Millionen Mitglie-der angewachsen ist. Das zeigt eine neue kollaborative Studie um Erstautor Leonhard Balduf der TU Darmstadt.
Der Aufbau neuer sozialer Netzwerke gilt als besonders schwierig: Nutzende müssen ihre vertrauten Inhalte und – wichtiger noch – bestehende soziale Verbindungen aufgeben. Diese Herausforderung hat bisher dazu geführt, dass sich die Vormachtstellung etablierter Plattformen wie X (vormals Twitter) verstärkte. Forschende der Lancaster University, der TU Darmstadt und der City St George's, University of London zeigen nun, wie Bluesky dieses Prob-lem mit Hilfe der „Starter Packs“ überwand. Das Feature erleichterte den Einstieg neuer Nutzender erheblich und löste das sogenannte „Cold Start“-Problem – ein zentrales Hindernis für das Wachstum neuer Plattformen.
„Unsere Ergebnisse gehen über Bluesky hinaus: Sie deuten auf ein neues Rahmenkonzept für den erfolgreichen Start sozialer Plattformen hin“, sagt Dr. Onur Ascigil, Dozent für Informatik an der Lancaster University und Prin-cipal Investigator der Studie. „‘Starter Packs‘ entwickeln sich zu einer wichti-gen Onboarding-Strategie für neue soziale Netzwerke, die Nutzende von etab-lierten Plattformen gewinnen möchten.” Die Forschenden sehen in den Ergeb-nissen auch Potenzial, um Designentscheidungen und politische Maßnahmen zu unterstützen, die fairere und vertrauenswürdigere digitale Räume fördern.
„Starter Packs“ können von jedem Nutzer auf Bluesky erstellt werden und dienen in der Regel dazu, neue Communities zu bilden oder bestehende zu reproduzieren. Laut der Studie wurden in den ersten sechs Monaten nach Einführung mehr als 335.000 „Starter Packs“ erstellt. In Spitzenzeiten waren diese für bis zu 43 Prozent der “Follow”-Aktivitäten auf Bluesky verantwort-lich. Über den gesamten Studienzeitraum von Juni 2024 bis Januar 2025 trugen sie zu rund 20 Prozent aller “Follow”-Verbindungen bei. Nutzerinnen und Nutzer, die in „Starter Packs“ enthalten waren, erhielten im Schnitt 85 Prozent mehr Follower und veröffentlichten 60 Prozent mehr Beiträge als vergleichbare Nutzende außerhalb solcher Listen.
„Obwohl zum Zeitpunkt der Untersuchung nur 6,25 Prozent der Nutzenden Teil eines ‚Starter Packs‘ waren, zeigt deren erheblicher Einfluss, wie stark ein relativ kleines Feature die Netzwerkbildung und Sichtbarkeit beeinflussen kann“, erklärt Ascigil. Allerdings zeigte die Studie auch, dass „Starter Packs“ bestehende soziale Strukturen eher verstärken als neue zu schaffen. Nutzende mit ohnehin großer Reichweite profitierten am stärksten. Dies werfe Fragen nach der Verstärkung von bestehenden Ungleichheiten auf, so die Forschen-den.
„‘Starter Packs‘ wurden schnell zu einem zentralen Bestandteil der sozialen Netzwerke auf Bluesky“, erklärt Leonhard Balduf von der TU Darmstadt, Ko-Erstautor der Studie. „Wir waren in der Lage, die genauen Effekte von ‚Star-ter Packs‘ auf die sozialen Netzwerke der Nutzenden sichtbar zu machen.”
Saidu Sokoto von der City St George’s, University of London, ebenfalls Ko-Erstautor, ergänzt: „Wir konnten allerdings auch Risiken feststellen, darunter die Verstärkung von Popularitätsgefällen und potenzielle Missbrauchsmög-lichkeiten – etwa durch Spam oder bezahlte Inklusionen in prominente ‚Star-ter Packs‘. Es gibt Hinweise darauf, dass einzelne Nutzer für eine Aufnahme gezahlt haben könnten.“
Die Studie erfasste auch Nutzerzuwächse auf Bluesky, die mit externen Ereig-nissen wie den US-Wahlen oder Änderungen auf der Plattform X (früher Twit-ter) zusammenfielen. In diesen Phasen halfen „Starter Packs“ insbesondere neuen Nutzerinnen und Nutzern beim schnellen Aufbau sozialer Netzwerke. „Während der Hochphasen der Nutzermigrationen – etwa im Zusammenhang mit den US-Wahlen 2024 oder Twitters umstrittener Entscheidung, Inhalte für geblockte Nutzer sichtbar zu machen – stammten 20 bis 40 Prozent der tägli-chen Folgeaktionen aus ‚Starter Packs‘“, sagt Ascigil.
Mittels maschinellen Lernens analysierten die Forschenden auch die themati-sche Struktur der „Starter Packs“. Die größten Communities bildeten sich rund um Kunst, Politik, Gaming, Sport und Aktivismus. Viele enthaltene Nut-zende waren öffentlich bekannte Personen wie Journalist:innen, Politi-ker:innen oder Aktivist:innen – Gruppen, die auf neuen Plattformen früh Ein-fluss aufbauen.
Die Studie „Bootstrapping Social Networks: Lessons from Bluesky Starter Packs“ wird nun auf der International Conference on Web and Social Media (ICWSM) in Kopenhagen vorgestellt. Die Autor:innen sind: Leonhard Balduf und Björn Scheuermann (TU Darmstadt), Saidu Sokoto, Andrea Baronchelli und Michal Krol (City St George’s, University of London), Ignacio Castro und Gareth Tyson (Queen Mary University of London), George Pavlou (University College London) sowie Onur Ascigil (Lancaster University).
Die Forschenden der TU Darmstadt trugen maßgeblich zur Datensammlung und -auswertung bei. Sie entwickelten unter anderem die Methodik, Follow-Operationen einzelnen „Starter Packs“ zuzuordnen, und analysierten die Ein-flüsse von „Starter Packs“ auf den sogenannten sozialen Graphen, der das Geflecht von Beziehungen und Verbindungen zwischen Personen und Objekten innerhalb von sozialen Netzwerken beschreibt. Finanziert wurde die Studie zum Teil aus Mitteln des LOEWE-Zentrums emergenCITY.
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www.tu-darmstadt.de
MI-Nr. 28/2025, mih
Balduf, Leonhard et al.: „Bootstrapping Social Networks: Lessons from Bluesky Starter Packs“, Proceedings of the International AAAI Conference on Web and Social Media Vol. 19 (2025)
https://doi.org/10.1609/icwsm.v19i1.35810
Criteria of this press release:
Journalists
Information technology, Social studies
transregional, national
Research results
German
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