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Wissenschaft
Afrikanische Dornschwanzhörnchen nutzen ihren geschuppten Schwanz, um sich sicher auf der glatten Baumrinde ihres heimischen Regenwalds fortzubewegen. Forschende der Empa und des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme haben die Physik der mit Dornen besetzten Schuppen erstmals mit mathematischen und physikalischen Modellen untersucht. Ihre Erkenntnisse könnten einst flinke und energiesparsame Roboter und Drohnen ermöglichen.
Dornschwanzhörnchen gehören zu den am wenigsten erforschten Säugetieren. Diese nachtaktiven Nager, die je nach Art Körperlängen von sechs bis 45 Zentimeter erreichen, leben in den Regenwäldern Westafrikas. Mithilfe der Flughaut zwischen ihren Gliedmassen gleiten sie zwischen den Baumkronen – ähnlich wie etwa Flughörnchen, mit denen die Dornschwanzhörnchen allerdings nicht näher verwandt sind.
Ihren Namen verdanken Dornschwanzhörnchen einer einmaligen Körperstruktur: Auf der Unterseite ihres Schwanzes tragen sie einige dornenbesetzte Schuppen. Biologen vermuten, dass sie den Hörnchen bei der Fortbewegung und beim Festhalten an der Baumrinde dienen – doch wie genau die Schuppen funktionieren, wurde bisher noch nicht untersucht. Forschende aus der Empa-Forschungsgruppe «Soft Kinetic», ehemals am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme angesiedelt, haben nun erstmals eine Studie dazu in der interdisziplinären Fachzeitschrift der Royal Society, «Interface», veröffentlicht.
Dornen geben Halt
Für die Studie haben die Forschenden unter der Leitung von Ardian Jusufi Exemplare der seltenen Dornschwanzhörnchen aus naturhistorischen Sammlungen ausgeliehen, vermessen und 3D-gescannt. Basierend auf diesen Daten haben sie aufgezeigt, wie die Schwanzdornen dem Hörnchen helfen, selbst auf glatter Baumrinde sicher, stabil und energieeffizient ihre Position zu halten.
Dazu nutzten die Forschenden sowohl mathematische Modelle als auch physikalische – nachgebaute «Hörnchen» mit 3D-gedruckten Schwanzschuppen und Krallen. «Die Fortbewegung von Tieren ist sehr komplex. Simulationen allein reichen oft nicht aus, um sie zu verstehen», erklärt Jusufi, Leiter der Forschungsgruppe «Soft Kinetic». «Deshalb entwickeln wir bewegte Körpermodelle.» Mit solchen Modellen hat Jusufi in der Vergangenheit bereits das Kletter- und Landeverhalten von tropischen Geckos untersucht und so physikalische Grundlagen für die Reflexe der Tiere aufgezeigt.
Bei den Dornschwanzhörnchen sind die Forschenden zunächst mit einem statischen Modell gestartet. In einem nächsten Schritt will die Forschungsgruppe um Jusufi nun Bewegung reinbringen, um zu verstehen, wie der Dornschwanz den Hörnchen beim Landen helfen könnte. «Wir wissen von anderen baumbewohnenden Tierarten, dass unvorhergesehene Ereignisse eintreffen können», so Jusufi. «Wenn das Hörnchen auf einen Baum zugleitet, dort aber unerwartet ein Raubtier bemerkt, muss es im Flug auf einen anderen Baum ausweichen. Wir vermuten, dass der Dornschwanz hilft, die Energie einer solchen Notlandung abzufedern und das Hörnchen vor Abstürzen zu schützen.» Längerfristig will Jusufi die Tiere in einer Feldstudie in ihrer natürlichen Umgebung beobachten und bei der Landung filmen, wie er es zuvor bei Geckos getan hatte – ein wichtiger Baustein im Modell ihrer Bewegung.
Inspiriert von der Natur
Das genaue Verständnis der Physik hinter der Fortbewegung von Tieren hilft auch den Menschen. Die Erkenntnisse aus dieser Studie könnten einst in die Robotik einfliessen. Kleine, mobile und autonome Roboter und Drohnen sind in vielen Bereichen gefragt, etwa in der Landwirtschaft, der Umweltbeobachtung und im Katastrophenschutz. Um Roboter zu entwickeln, die sich in komplexen und unvorhersehbaren Umgebungen – beispielsweise in Baumkronen – sicher und energieeffizient fortbewegen, schöpfen Robotik-Forschende oft Inspiration aus dem Tierreich und übernehmen morphologische Strukturen und Verhaltensweisen, die die Evolution über Millionen von Jahren verfeinert hat. Die Disziplin dahinter heisst Bionik.
Doch bevor man etwas nachbauen kann, muss man es zuerst verstehen. «Die Fortbewegung von Tieren erfordert ein Zusammenspiel diverser Prozesse und ist oft zu wenig gut verstanden», sagt Jusufi. «Insbesondere die Rolle des Schwanzes ist bei vielen Tierarten untererforscht.» Das Ziel seiner Grundlagenforschung ist das bessere Verständnis des Bewegungsapparates. Als animierte Körpermodelle eingesetzt, sollen Roboter als Instrument dienen, um Bewegungsvorgänge in Interaktion mit komplexem Terrain zu «simulieren». So kann vermehrt auf Tierversuche verzichtet werden.
Prof. Dr. Ardian Jusufi
Empa, Soft Kinetic
Tel. +41 58 765 39 47
Ardian.Jusufi@empa.ch
Dr. Andrew K. Schulz
Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme
aschulz@is.mpg.de
AK Schulz, M Chellapurath, PC Khandelwal, SR Rezaei, S Merker, A Jusufi: Scaly-tail organ enhances static stability during Pel’s scaly-tailed flying squirrels’ arboreal locomotion; Journal of the Royal Society Interface (2025); doi: 10.1098/rsif.2024.0937
Ardian Jusufi mit einem Museumsexemplar des seltenen Pel-Dornschwanzhörnchens.
Copyright: Empa
Die subcaudalen Dornen sorgen für Stabilität beim Verharren auf glatter Baumrinde.
Copyright: Empa
Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Materials sciences
transregional, national
Research results
German
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