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07/02/2025 08:00

Zwei Seiten desselben Fossils: die Geschichte einer kleinen baum-bewohnenden Echse aus der Jurazeit

Katja Henßel Öffentlichkeitsarbeit
Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns

    SNSB und LMU Paläontologen identifizieren eine neue urtümliche Echse aus den Solnhofener Plattenkalken. Möglich wurde die Beschreibung durch einen Zufallsfund: Erst kürzlich fand ein Doktorand die Gegenplatte des Original-Fossils im Naturhistorischen Museum in London. Ihre Ergebnisse veröffentlichte die Forscher in der Fachzeitschrift Zoological Journal of the Linnean Society.

    Das Echsen-Fossil ist eigentlich schon seit den 1930er Jahren bekannt: Die Solnhofener Kalkplatte aus dem Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt zeigt den Körperabdruck eines kleinen, langgliedrigen Reptils, 150 Millionen Jahre alt. Das Tier ähnelt heutigen Eidechsen sowie der neuseeländischen Brückenechse und wurde bislang für ein Exemplar der fossilen Brüchenechsen-Art Homoeosaurus maximiliani gehalten. Neue Erkenntnisse lieferte nun ein Zufallsfund: Im Naturhistorischen Museum in London stieß Victor Beccari, Doktorand an der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie sowie der LMU München auf ein Skelett, das dem beschriebenen Frankfurter Exemplar sehr ähnlich war. Tatsächlich handelte es sich um die Gegenplatte des Senckenberg-Fossils, welche die meisten Knochen dieses urzeitlichen Reptils enthielt.

    Das neue Exemplar lieferte wichtige Informationen zum Verständnis der Biologie der ursprünglichen Reptilien und stellt eine ganz neue Art dar, Sphenodraco scandentis. Die Ergebnisse der Studie veröffentlichte Victor Beccari nun gemeinsam mit einem internationalen Team von Experten, darunter auch der SNSB-Paläontologe Prof. Oliver Rauhut, Experte für die Reptilien aus Solnhofen.

    Die Plattenkalke aus dem Altmühltal zwischen Solnhofen und Kelheim sind weltberühmt für ihre vielen ausgezeichnet erhaltenen Fossilien, darunter auch der Urvogel Archaeopteryx. Das liegt auch an der ganz besonderen Art der Erhaltung: Die Fossilien aus dieser Fundstelle sind flach in Kalkschichten eingebettet. Spaltet der Fossiliensammler die Kalkplatte, so findet sich meist ein Teil des Skeletts in der einen Hälfte und der Körperabdruck in der anderen Hälfte. In der Regel werden Platte und Gegenplatte zusammen aufbewahrt.

    „Offenbar wurden die beide Teile dieses Fossils vor fast einem Jahrhundert getrennt voneinander an die Museen in Frankfurt und London verkauft, wo sie bis heute zu sehen sind. Die Verbindung zwischen den beiden Platten ging allerdings verloren. Bis jetzt war uns Wissenschaftlern nur die Frankfurter Plattenhälfte bekannt“, sagt Victor Beccari, Erstautor der Studie.

    Heute kennt man nur noch eine einzige lebende Art der Eidechsen-ähnlichen Rhynchocephalia: die Brückenechse aus Neuseeland. Zur Zeit der Trias und des Jura waren Rhynchocephalia weit verbreitet und kamen neben den Dinosauriern auf fast allen Kontinenten vor. „Das Solnhofener Archipel ist bekannt für seine artenreiche Rhynchocephalia-Fauna. Vor dort kennen wir Hunderte gut erhaltener, fast vollständiger Skelette dieser Echsengruppe. Jedes neue Fossil liefert uns mehr Erkenntnisse über ihre Evolution und Lebensweise, so auch Sphenodraco scandentis“, sagt Victor Beccari. So zeigt das nun vollständige Fossil aus Frankfurt und London Merkmale, die sich von bisher gefundenen Rhynchocephalia unter-scheiden: Die Echse hat im Verhältnis zu ihrer geringen Körpergröße beispielsweise stark verlängerte Gliedmaßenknochen. Ein Vergleich mit der Lebensweise heutiger Eidechsen mit ähnlichem Körperbau zeigt: Vermutlich war das Tier ein guter Kletterer und hat auf Bäumen gelebt, vielleicht war es sogar der erste Baumbewohner aus der Gruppe der Rhynchocephalia, so die Forschenden.


    Contact for scientific information:

    Victor Beccari
    SNSB - Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie,
    Department für Geo- und Umweltwissenschaften, LMU München
    E-Mail: beccari@snsb.de
    Tel.: +351 9106 72 701

    Oliver W. M. Rauhut
    SNSB - Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie
    E-Mail: rauhut@snsb.de
    Tel: 089 2180 6645


    Original publication:

    Victor Beccari, Alexandre R D Guillaume, Marc E H Jones, Andrea Villa, Natalie Cooper, Sophie Regnault, Oliver W M Rauhut, An arboreal rhynchocephalian from the Late Jurassic of Germany, and the importance of the appendicular skeleton for ecomorphology in lepidosaurs, Zoological Journal of the Linnean Society, Volume 204, Issue 3, July 2025, zlaf073, https://doi.org/10.1093/zoolinnean/zlaf073


    More information:

    https://www.snsb.de - Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns
    https://bspg.snsb.de - Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie


    Images

    Das Fossil Sphenodraco scandentis: Gegenplatte mit den Knochen des Fossils unter UV Licht, Naturhistorisches Museum in London
    Das Fossil Sphenodraco scandentis: Gegenplatte mit den Knochen des Fossils unter UV Licht, Naturhist ...
    Source: Victor Beccari
    Copyright: SNSB/LMU

    Lebend-Rekonstruktion von Sphenodraco scandentis im Solnhofener Archipel in Deutschland während des späten Jura.
    Lebend-Rekonstruktion von Sphenodraco scandentis im Solnhofener Archipel in Deutschland während des ...
    Source: Paläokünstler: Gabriel Ugueto


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Biology, Geosciences
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research results
    German


     

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