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07/15/2025 14:30

Psychische Erkrankungen: Internationales Forschungsprojekt untersucht, wie unser Gehirn Entscheidungen trifft

Bianca Hermle Kommunikation und Medien
Universitätsklinikum Tübingen

    Wie kommt es, dass manche Menschen lebensverändernde Entscheidungen in einem Wimpernschlag treffen und andere völlig gelähmt vor Alternativen stehen? Bei Schizophrenie und Zwangsstörungen sind diese Verhaltensmuster extrem ausgeprägt und erzeugen einen hohen Leidensdruck bei den Betroffenen. Ein internationales Forschungsteam will die zugrundeliegenden Gehirnmechanismen entschlüsseln und so den Weg für gezieltere Therapien ebnen. Unter der Leitung von Prof. Dr. Tobias Hauser, Tübinger Universitätsklinik für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie, wurde das Projekt mit einer Forschungsförderung in Höhe von knapp 6 Mio. Euro von der renommierten Wellcome Trust Stiftung ausgezeichnet.

    Ob wir uns für etwas Banales wie eine TV-Serie entscheiden oder eine wichtige Lebensentscheidung treffen – das Sammeln und Bewerten von Informationen ist ein zentraler Bestandteil unseres Denkens. Doch was passiert, wenn dieser Prozess aus dem Gleichgewicht gerät? Manche Menschen neigen dazu, vorschnell zu handeln und zu wenig Informationen zu berücksichtigen. Andere wiederum sammeln endlos Daten, ohne je zu einer Entscheidung zu kommen.

    Entscheidungsverzerrungen bei Schizophrenie und Zwangsstörungen

    Diese Problematiken können sich jedoch bei psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie und Zwangsstörungen dramatisch verstärken. Menschen mit Schizophrenie treffen oft übereilte Entscheidungen und vertrauen diesen übermäßig – ein Phänomen, das als „Jumping-to-Conclusions“ (JTC) bezeichnet wird und mit der Entstehung von Wahnvorstellungen in Verbindung steht. Bei Zwangsstörungen hingegen dominiert das Gegenteil: Betroffene zweifeln ständig und sammeln selbst bei simpelsten Fragen stundenlang Informationen, was ihren Alltag massiv beeinträchtigen kann.

    Bisherige Therapien greifen zu kurz

    Obwohl diese Denkverzerrungen einen großen Einfluss auf das Leben der Betroffenen haben, werden sie bislang kaum gezielt behandelt und die ihnen zugrunde liegenden neuronalen Mechanismen im Gehirn sind bislang ungeklärt. Die gängigen Therapien für Schizophrenie und Zwangsstörungen setzen meist an anderen Symptomen an und lassen die spezifischen Entscheidungsprobleme außen vor. Genau hier will das Team um Prof. Tobias Hauser ansetzen: „Unser Ziel ist es, die neuronalen Mechanismen, die zu diesen verzerrten Denkmustern führen, zu entschlüsseln und mithilfe von neusten computergestützten Modellen neue Therapien für die Behandlung der Symptome zu entwickeln. Wir wollen herausfinden, ob die Symptomatiken bei beiden Krankheitsbildern durch ähnliche neuronale Veränderungen bedingt sind“, erklärt Prof. Hauser. „Durch die Erforschung der sich ähnelnden Symptomatik bei beiden psychischen Erkrankungen wollen wir auch ein Stück weit mit dem Stigma brechen, das auf Schizophrenie und Zwangsstörungen lastet“, ergänzt Hauser.

    Ein neuer Forschungsansatz

    Das im Februar 2026 startende Forschungsprojekt verfolgt einen neuartigen Ansatz: Mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den größten Datensatz erheben, den es zu der Symptomatik der Unentschlossenheit bei Zwangsstörungen und „Jumping to Conclusions“ bei Schizophrenie bislang gegeben hat. Jeweils 150 Schizophrenie- und Zwangsstörungspatienten werden mittels MRT-Hirnscans untersucht, um herauszufinden, welche neuronalen und computergestützten Prozesse hinter den Denkverzerrungen stecken. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Rolle des Botenstoffs Dopamin, der im Gehirn maßgeblich an Entscheidungsprozessen beteiligt ist. Dies wollen die Forschenden mittels Mausmodellen überprüfen und herausfinden, inwieweit die Veränderung der Dopaminfunktion während der Informationsbeschaffung Einfluss auf die neuronalen Netzwerke bei der Entscheidungsfindung nimmt.

    Ziel: Bessere Therapien für mehr Lebensqualität

    Langfristig soll das Projekt dazu beitragen, gezielte Therapien zu entwickeln, die direkt an den gestörten Entscheidungsprozessen ansetzen. Damit könnte sowohl Menschen geholfen werden, die zu schnellen Schlussfolgerungen neigen, als auch jenen, die sich in endlosen Gedankenschleifen verlieren.

    Für diesen klinisch-therapeutischen Teil ist das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) federführend verantwortlich. Prof. Dr. Lena Jelinek, Leiterin des Forschungsbereichs Neuropsychologie und Psychotherapie am UKE, betont: „Indem wir die Mechanismen hinter den Entscheidungsverzerrungen besser verstehen, können wir den Grundstein für neue Therapieansätze legen – mit dem Ziel, langfristig gezielter und wirksamer helfen zu können.“

    Das Forschungsprojekt ist auf fünf Jahre hin angelegt. Neben dem Universitätsklinikum Tübingen sind noch das Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen, das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, das National Institute Of Mental Health & Neuro Sciences in Bangalore (Indien) sowie das Fundació de Recerca Clínic Barcelona (Spanien) beteiligt.


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    Contests / awards, Research projects
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