idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Sanktionen wirken – aber nicht alle Länder trifft es gleich. Eine neue Analyse des Kiel Instituts für Weltwirtschaft quantifiziert die wirtschaftlichen Kosten von Sanktionen und legt die Verwundbarkeit einzelner Staaten offen: Besonders Entwicklungsländer und Staaten mit einseitiger Exportstruktur sowie EU-Länder mit starker Finanzbranche sind anfällig für wirtschaftliche Repressalien. Die Studie zeigt zugleich, wie effektiver gegen Aggressoren wie Russland vorgegangen werden kann.
„Ausschlaggebend für die wirtschaftlichen Folgen von Sanktionen sind deren Intensität und die Wirtschaftsstruktur des Zielstaates“, sagt Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel und Co-Autor des Forschungspapiers „Economic Insecurity: Trade Dependencies and Their Weaponization in History“ (https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/economic-insecurity-trade-dependencies-...).
Die Auswertung globaler Daten seit 1920 verdeutlicht, dass Handelsbeschränkungen im Durchschnitt nur moderate Schäden verursachen: Wird Handel im Umfang von 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) sanktioniert, sinkt das reale BIP im Schnitt über fünf Jahre lediglich um 0,3 Prozentpunkte.
„Erst Sanktionen im Umfang von 10 Prozent des BIP verursachen gravierende ökonomische Schäden“, erklärt Schularick, „das entspricht etwa einem Drittel des Außenhandelsvolumens eines Industrielandes.“ Heißt: Nur drastische Maßnahmen führen zu spürbaren wirtschaftlichen Kosten.
Wer ist am stärksten gefährdet?
Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Ländern groß. Staaten mit einseitigen Handelsstrukturen sind auch bei leichteren Strafmaßnahmen deutlich verwundbarer als hochdiversifizierte Industrienationen. Das gilt besonders für Inselstaaten mit hoher Importabhängigkeit und einkommensschwache Volkswirtschaften. Eine Sanktion im Umfang von 1 Prozent des BIP kann diese Länder bis zu 5 Prozentpunkte an BIP kosten – ein Vielfaches des durchschnittlichen Effekts.
Eine interessante Ausnahme bilden die großen Volkswirtschaften Kanada und Mexiko: Sie sind besonders anfällig gegenüber wirtschaftlichen Repressalien wie die von US-Präsident Donald Trump verhängten Importzölle, weil ihre Ausfuhren stark auf die USA konzentriert sind.
Auch Länder mit hohem Rohstoffanteil an den Exporten reagieren empfindlich: Ein um 10 Prozentpunkte höherer Rohstoffanteil verstärkt den potenziellen BIP-Verlust um das Drei- bis Vierfache. Das trifft besonders auch auf Russland zu. „Wenn die Ausfuhrverbote für Öl und Gas konsequent durchgesetzt würden, wären die Sanktionen viel effektiver. Die westlichen Alliierten bleiben also unter ihren Möglichkeiten, wirtschaftlichen Druck auf Russland auszuüben“, so Schularick.
Finanzsanktionen: EU-Staaten haben strategische Schwäche
Finanzsanktionen wirken mitunter noch schärfer und gewinnen als außenpolitisches Instrument an Bedeutung. Maßnahmen wie das Einfrieren von Vermögenswerten oder der SWIFT-Ausschluss können BIP-Verluste von bis zu 10 Prozentpunkten verursachen. Nachdem beispielsweise iranische Finanzakteure 2012 mit US-Sanktionen belegt wurden, schrumpfte das Wirtschaftswachstum in drei Jahren um rund 20 Prozent.
Finanzsanktionen entfalten ihre Wirkung vor allem bei Ländern, die stark in den globalen Kapitalverkehr eingebunden sind. Dazu gehören Finanzzentren wie Singapur, die Schweiz und das Vereinigte Königreich, aber auch mehrere EU-Länder mit starker Finanzindustrie wie Luxemburg, Irland, die Niederlande und Belgien. Ihre hohe Abhängigkeit von internationalen Zahlungsströmen offenbart eine strategische Schwäche der EU: Die starke Anbindung an US-geführte Finanzinfrastrukturen stellt ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar, so die Autoren.
„In einer Welt wachsender geopolitischer Spannungen und der Möglichkeit eines neuen ‚Kalten Krieges‘ sind Entwicklungsländer mit einseitiger Exportstruktur wirtschaftlich besonders verwundbar“, warnt Schularick. „Aber auch Europa hat seine Schwachstelle.“
Jetzt Kiel Working Paper lesen: „Economic Insecurity: Trade Dependencies and Their Weaponization in History“ (https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/economic-insecurity-trade-dependencies-...)
Medienansprechpartner:
Mathias Rauck
Chief Communications Officer
T +49 431 8814-411
mathias.rauck@ifw-kiel.de
Kiel Institut für Weltwirtschaft
Kiellinie 66 | 24105 Kiel
Chausseestraße 111 | 10115 Berlin
T +49 431 8814-1
E info@ifw-kiel.de
www.ifw-kiel.de
Prof. Dr. Moritz Schularick
Präsident
T +49 431 8814-259
president@ifw-kiel.de
Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars
Economics / business administration, Politics, Social studies
transregional, national
Transfer of Science or Research
German
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).