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Wissenschaft
Vom 22. bis 24. September finden an der Universität Halle-Wittenberg die 53. Deutschen Lebensmittelchemietage statt. Im Mittelpunkt der Jahrestagung der Lebensmittelchemischen Gesellschaft (LChG), der größten Fachgruppe der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), stehen Lösungsansätze für aktuelle Herausforderungen im Bereich Lebensmittelqualität und Verbraucherschutz. Im Rahmen der Veranstaltung werden außerdem zwei Wissenschaftler für ihren besonderen Einsatz für die Lebensmittelchemie mit der Joseph-König-Gedenkmünze ausgezeichnet.
Warum schmecken viele Fleischersatzprodukte bitter und riechen nach Gras? Julia Heidenkampf von der TU München kennt die Antwort und eine Lösung. Die Lebensmittelchemikerin entschlüsselte mit ihrem Team die molekulare Formel des Fleischgeschmacks. Mit dem Sensomics-Konzept – einer Methode zur Analyse von Geschmacks- und Geruchsstoffen – identifizierte sie sieben Schlüsselgeschmacksstoffe und 28 Schlüsselgeruchsstoffe in einem Rindfleisch-Patty. Diese molekulare Landkarte zeigt, welche Grundbausteine (Präkursoren) pflanzlichen Produkten fehlen. In ihrem Vortrag erläutert Heidenkampf wie man mittels molekularer Nachahmung pflanzliche Alternativen geschmacklich revolutionieren könnte.
Acht Liter Speiseeis isst jeder Deutsche im Jahr. Das Problem: Der enthaltende Zucker ist zwar ungesund, sorgt aber gleichzeitig für die cremige Konsistenz. Lisa J. Wagner vom Karlsruher Institut für Technologie untersuchte, wie sich Zucker im Eis durch Ballaststoffe aus Nebenströmen der Lebensmittelproduktion ersetzen lässt – ohne dass die Cremigkeit leidet. Wagner und ihr Team aus Forschern von KIT und TU Berlin nutzen Nebenströme aus der Lebensmittelindustrie: Karottentrester (Pressrückstände aus der Saftproduktion), Lupinenfasern und Johannisbeersamen. Daraus gewinnen sie lösliche Ballaststoffe – unverdauliche Pflanzenfasern, die dem Zucker chemisch ähneln. Eis, dem diese Ballaststoffe beigefügt werden, schmeckt cremig wie gewohnt, auch wenn weniger Zucker enthalten ist. Im Vortrag zeigt Wagner wie auf diese Weise vermeintlich minderwertige Nebenströme zu zuckerreduziertem Eis beitragen können.
Kim Lara Gützkow vom Max Rubner-Institut in Kiel hat mit ihrem Team erstmals einen neuen Schadstoff in geriebenem Hartkäse nachgewiesen: methoxy-STC, eine potenziell erbgutschädigende Substanz. Bei der Untersuchung von Käseproben aus dem Handel fanden sie besonders in geriebenem Hartkäse vom Grana-Typ verschiedene Mykotoxine – Gifte, die von Schimmelpilzen produziert werden. Als Verursacher identifizierten die Wissenschaftler den Schimmelpilz Aspergillus versicolor. Auch pflanzliche Drinks bergen Risiken: 71 Prozent der untersuchten Haferdrinks enthielten T2/HT2-Toxine, Mandeldrinks waren häufig mit Aflatoxin B1 und Sterigmatocystin belastet. Die Funde zeigen: Sowohl bei der Käsereifung als auch bei der Herstellung pflanzlicher Drinks müssen Hersteller ihre Prozesse verbessern. Welche Faktoren die Toxinbildung begünstigen und wie sich Verbraucher schützen können, erklärt Gützkow in ihrem Vortrag.
Dr. Jürgen Kuballa von GALAB Laboratories Hamburg zeigt in seinem Vortrag, wie selbstlernende Computerprogramme die Lebensmittelanalyse revolutionieren. Die Chemometrie (mathematische Methoden zur Auswertung chemischer Daten) erhält durch KI neue Möglichkeiten. Wo früher aufwendige Laboranalysen nötig waren, genügt heute oft eine fluoreszenzspektrometrische Messung kombiniert mit intelligenten Algorithmen. So lassen sich beispielsweise verschiedene Qualitätsstufen von Olivenöl präzise unterscheiden. Doch die neue Technik wirft Fragen auf: Wie kann die Lebensmittelchemie diese Werkzeuge nutzen? Viele KI-Modelle funktionieren wie eine "Black Box" – man sieht das Ergebnis, versteht aber nicht den Weg dorthin. Das erschwert die Validierung solcher Methoden. Der Arbeitskreis "Chemometrie & Qualitätssicherung" der Fachgruppe Analytische Chemie in der GDCh entwickelt deshalb Leitlinien für den sicheren Einsatz. Kuballa beleuchtet in seinem Vortrag nicht nur die Möglichkeiten der KI in der Qualitätskontrolle, sondern auch deren Grenzen und Risiken.
Im Rahmen der Veranstaltung zeichnet die GDCh zwei Wissenschaftler mit der Joseph-König-Gedenkmünze aus:
Dr. Konrad Grob erhält die Auszeichnung für seine Lebensleistung in der Lebensmittelanalytik. Er entwickelte die Kapillar-Gaschromatographie (hochauflösendes Trennverfahren für chemische Verbindungen) entscheidend weiter. Seine Forschung deckte Kontaminationen durch Mineralöle, Weichmacher und Druckfarben in Lebensmitteln auf. Er entlarvte Olivenölfälschungen und forschte zur Acrylamidbildung in Kartoffelprodukten. Als langjähriger EFSA-Experte prägt er den europäischen Verbraucherschutz.
Professor Dr. Reinhard Matissek erhält die Auszeichnung für vier Jahrzehnte wegweisende Arbeit in der Lebensmittelsicherheit. Der Lebensmittelchemiker war von 1989 bis 2019 Direktor des Lebensmittelchemischen Instituts des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie (LCI) in Köln. Unter anderem erarbeitete er Minimierungsstrategien für gesundheitsschädliche Stoffe wie Acrylamid und Mineralöle in Lebensmitteln. Er fördert seit 27 Jahren den wissenschaftlichen Nachwuchs, berät das Bundesinstitut für Risikobewertung und prägte Generationen von Studierenden mit seinen Lehrbüchern.
Weitere Informationen zu den 53. Deutschen Lebensmittelchemietagen unter https://www.gdch.de/lchtage2025
Die GDCh gehört mit über 28 000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat zahlreiche Fachstrukturen, darunter die Lebensmittelchemische Gesellschaft, deren Aufgabe es ist, den Gedankenaustausch auf dem Gebiet der Lebensmittelchemie und deren Nachbardisziplinen zu fördern und fachliche Anregungen zu vermitteln. Die Lebensmittelchemische Gesellschaft ist mit über 2500 Mitgliedern die größte Fachgruppe in der GDCh.
https://www.gdch.de/lchtage2025
https://www.gdch.de
Dr. Konrad Grob (Foto: privat)
Prof. Dr. Reinhard Matissek (Foto: privat)
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
Chemistry, Nutrition / healthcare / nursing
transregional, national
Contests / awards, Scientific conferences
German
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