idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Forschende aus Bielefeld und Cambridge machen Geometrie von
Zellverbänden sichtbar
Wie entsteht durch das kollektive Zusammenspiel von vielen einzelnen Zellen ein perfekt geformter Organismus? Diese Frage steht im Zentrum einer neuen Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS, USA) erschienen ist. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Universität Bielefeld hat untersucht, wie Zellen trotz uneinheitlicher Proteinproduktion gemeinsam eine geordnete Struktur außerhalb ihrer selbst erzeugen: die extrazelluläre Matrix (ECM).
„Indem wir ein wichtiges Strukturprotein sichtbar gemacht haben, konnten wir Prinzipien der Selbstorganisation im lebenden Organismus aufdecken“, erklärt Professor Dr. Armin Hallmann von der Universität Bielefeld, Letztautor der Studie. Die Forschenden arbeiteten mit der Grünalge Volvox carteri, einem kugelförmigen, vielzelligen Modellorganismus mit etwa 2000 Zellen.
Sichtbar gemacht: Die ECM im lebenden Organismus
Die extrazelluläre Matrix ist ein netzartiges Material, das Zellen nach außen absondern. Sie gibt Geweben Struktur, überträgt Signale und spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung vielzelliger Organismen, auch beim Menschen, etwa in Haut, Knorpel oder dem Gehirn.
Im Rahmen der Studie wurde das ECM-Protein Pherophorin II gentechnisch mit einem fluoreszierenden Marker versehen, der ursprünglich aus einer Leuchtqualle stammt. Dadurch ließ sich die Feinstruktur der ECM im lebenden Organismus sichtbar machen und das in hoher Auflösung mithilfe eines sogenannten konfokalen Laserscanning-Mikroskops (CLSM).
Das Ergebnis: Pherophorin II befindet sich an Grenzstrukturen der ECM, dort, wo ECM-Kompartimente der einzelnen Zellen aneinanderstoßen und an der Oberfläche des Organismus. Obwohl jede Zelle die Proteine für die ECM in unterschiedlicher Menge liefert, bleibt die äußere Struktur des Organismus stabil und kugelförmig.
Geordnete Struktur trotz starker Variabilität der Zellen
Die Wissenschaftler*innen fanden heraus, dass die Fläche der ECM-Kompartimente einer mathematischen k-Gamma-Verteilung folgt, was ein Hinweis auf stark schwankende Proteinproduktion zwischen den einzelnen Zellen ist. Keine einzelne Zelle kontrolliert den Aufbau der ECM. Viele Zellen wirken gleichzeitig daran mit, gewissermaßen mittels Fernsteuerung, da die ECM außerhalb der Zellen entsteht. „Man kann sich das vorstellen wie viele Menschen, die blind an einem gemeinsamen Puzzle bauen und es gelingt trotzdem“, so Hallmann. Die ECM-Struktur, die sich um die Zellen bildet, besitzt abgerundete oder polygonale Begrenzungen, die sich beim Wachstum dynamisch entwickeln, wodurch die Struktur in ihrer Geometrie einem Schaum ähnelt.
Diese Ergebnisse liefern neue Einblicke in die Entwicklungsbiologie: Wie schaffen es Zellen, gemeinsam äußere Strukturen zu erzeugen, ohne direkt aufeinander abgestimmt zu sein? Die Antwort liegt offenbar in der Selbstorganisation, einem Zusammenspiel biologischer, physikalischer und mathematischer Prozesse.
Die Studie entstand in enger Zusammenarbeit zwischen dem Lehrstuhl für Zell- und Entwicklungsbiologie der Pflanzen der Universität Bielefeld und dem Department of Applied Mathematics and Theoretical Physics (DAMTP) der Universität Cambridge. Neben Prof. Hallmann forschten Dr. Benjamin von der Heyde und Dr. Eva Laura von der Heyde (Universität Bielefeld) sowie Anand Srinivasan, Dr. Sumit Kumar Birwa, Dr. Steph Höhn und Prof. Raymond Goldstein (Cambridge).
Professor Raymond Goldstein betont: „Diese Arbeit zeigt die starke Synergie, die entsteht, wenn Biolog*innen, Physiker*innen und Mathematiker*innen gemeinsam versuchen, die Geheimnisse des Lebens zu verstehen.“ Gefördert wurde die Forschung unter anderem vom Wellcome Trust und der John Templeton Foundation.
Prof. Dr. Armin Hallmann, Universität Bielefeld
Fakultät für Biologie
E-Mail: armin.hallmann@uni-bielefeld.de
Benjamin von der Heyde, Anand Srinivasan, Sumit Kumar Birwa, Eva Laura von der Heyde, Steph S.M.H. Höhn, Raymond E. Goldstein and Armin Hallmann: Spatiotemporal distribution of the glycoprotein pherophorin II reveals stochastic geometry of the growing ECM of Volvox carteri. PNAS. https://doi.org/10.1073/pnas.2425759122, veröffentlicht am 12. August 2025.
https://www.uni-bielefeld.de/fakultaeten/biologie/forschung/arbeitsgruppen/cellu... Website der Arbeitsgruppe
Volvox-Elternsphäroid: An der gesamten Oberfläche sind einzelne Zellen als magentafarbene Punkte zu ...
Source: Universität Bielefeld
Copyright: Universität Bielefeld
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
Biology, Chemistry, Environment / ecology, Mathematics, Oceanology / climate
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).