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Wissenschaft
Konstruktion, Lokalisierung, Regelung, Pfadplanung: Um autonome Rennwagen zu entwickeln, haben Studierende der praxisintegrierten Studiengänge am Campus Minden der Hochschule Bielefeld (HSBI) Wissen und Fertigkeiten aus Elektrotechnik und Maschinenbau in einem interdisziplinären Projekt miteinander verknüpft. Entstanden ist neben den Fahrzeugen auch eine portable Rennstrecke, die künftig in Lehrveranstaltungen und auf Messen eingesetzt werden soll, um Lust aufs Studium an der HSBI zu machen.
Minden (hsbi). Gespannt stehen die Studierenden um eine Art Tischplatte herum. Zwischen grünem Filz schlängelt sich ein breites, graues Band ins Runde: eine Rennstrecke. Darauf in signalfarbenem Orange ein kleines Auto. Mattis Schrade tippt etwas am Computer ein – und der Wagen setzt sich in Bewegung. Wird schneller, schlingert ein bisschen hin und her, dreht aber schließlich eine gesamte Runde. Die Studierenden sind begeistert. „So gut hat das noch nie geklappt“, freut sich Schrade.
Studierende bearbeiten eigenständig praxisnahe Aufgabenstellung
Eine Woche vor der Abschlusspräsentation wird am Campus Minden der Hochschule Bielefeld (HSBI) letzte Hand angelegt an das Projekt Angewandte Wissenschaft (PAW) „Entwicklung eines autonomen Rennwagens“. PAWs sind obligatorischer Bestandteil der drei praxisintegrierten Bachelorstudiengänge Elektrotechnik, Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen, in denen die Studierenden zugleich in kooperierenden Unternehmen angestellt sind. Die enge Verzahnung von Theorie und Praxis ist dabei Programm: Praktische Phasen im Betrieb wechseln sich ab mit Theoriephasen an der Hochschule. In den PAWs im 6. Semester wird beides in besonderer Weise verknüpft: „Die Studierenden bearbeiten eigenständig eine praxisnahe Aufgabenstellung, wenden dabei ihr frisch erworbenes theoretisches Wissen an und verknüpfen es mit ihrer praktischen Erfahrung“, beschreibt Prof. Dr. Philipp Wette das Konzept. Der Professor für Ingenieurinformatik am Campus Minden ist ausgewiesener Experte für autonomes Fahren, er hat das PAW konzipiert.
Autonom fahrende Fahrzeuge als Werbung für ein Studium an der HSBI
Mit der Aufgabe hat Wette ein aktuelles Thema aufgegriffen: die Entwicklung autonomer Fahrzeuge. Im PAW allerdings im hochschulkompatiblen Maßstab 1:28: „Wie bei einer Carrera-Bahn“, sagt Wette mit Blick auf die Möglichkeiten der Labore am Campus. Nach Abschluss des Projekts sollen die Rennwagen auch nicht einfach in der Garage verschwinden, sondern noch eine weitere Aufgabe erfüllen: „Wir wollen die Autos als Live-Demo etwa auf Studien-Messen zeigen und als Lernplattform in Lehrveranstaltungen einsetzen.“ Schon allein deshalb ist ein kompakter Maßstab gefragt, gehört doch auch die Konstruktion der passenden Rennstrecke zur Aufgabe. „Alles zusammen soll mobil, einfach zu transportieren und überall aufzubauen sein“, erläutert Wette. Alles zusammen ist vor allem ein anspruchsvolles mechatronisches System, für dessen Umsetzung es Kenntnisse in der Konstruktion, der Auslegung und Entwicklung von Elektronik und in der Programmierung braucht. Kein Problem für das fünfzehnköpfige Projekt-Team, das sich aus Studierenden aller drei Studiengänge zusammensetzt. Philipp Wette: „Die Studierenden üben so auch das im Berufsleben übliche interdisziplinäre Arbeiten ein. Jede Disziplin bringt ihre Expertise mit und stimmt sich mit den anderen ab.“
Realistische Teamarbeit ist eins der Lernziele
Gleich zu Beginn teilten sich die Studierenden in Arbeitsgruppen auf für die verschiedenen Teilaspekte des Projekts: Konstruktion, Lokalisierung, Regelung, Pfadplanung und Rennstreckenbau. Und sie lernten als erstes eine wichtige Tugend in der interdisziplinären Arbeit: Geduld. „Wir mussten erst mal abwarten, wieviel Platz uns die Maschinenbauer für das Regelungssystem geben konnten“, erzählt Christoph Luhmeyer, selbst angehender Elektroingenieur. Der kleine Maßstab war nämlich zugleich eine große Herausforderung. „Dadurch gibt es nur sehr wenig Bauraum, um alle notwendigen Teile unterzubringen“, erklärt Luhmeyer und nimmt vorsichtig die orangene Karosserie des kleinen Rennwagens ab. Zum Vorschein kommt geballte (Elektro-) Technik. „Wir brauchen unbedingt Lenkung, Antrieb, Steuerung, Licht.“ Luhmeyer grinst. „Und natürlich eine Unterbodenbeleuchtung.“ Wozu die nötig ist? „Na, es muss ja auch ein bisschen was hermachen!“ Eine Sonderausstattung also. Das macht ein PAW eben auch aus: „Die Möglichkeit, etwas auszuprobieren und umzusetzen, was nicht zu den Pflichtaufgaben und zum Standard in der industriellen Fertigung gehört“, sagt Philipp Wette. Für die Studierenden sind solche selbstgewählten Extras offensichtlich eher Motivation als Belastung. „Das macht auch viel Spaß“, bestätigt Christoph Luhmeyer. „Sonst hätten wir nicht freiwillig bis 23 Uhr im Labor gesessen.“
Konstruktion auf begrenztem Platz
Viel Platz für das Regelungssystem blieb nicht, nachdem sich das Konstruktionsteam für eine klassische Ackermann-Lenkung mit Hinterradantrieb entschieden hatte. „Der alternative differentielle Antrieb mit bis zu vier individuellen Motoren hätte in dem Maßstab so filigran ausfallen müssen, dass wir das mit unseren relativ groben Fertigungsmethoden – dem 3D-Druck – nicht umsetzen konnten“, erklärt Philipp Wette. Aus Platzgründen entschieden die Studierenden auch, die Steuerungsplatine selbst zu designen. Hendrik von Döllen stellt im Labor die Fräsmaschine an. „Dadurch können wir sie kompakter gestalten als die vorgefertigten Platinen“, sagt er und beobachtet genau, wie die Maschine die gewünschte Platine aus der Glasfaserplatte fräst. Den Rohling nimmt er mit zur Lötstation und setzt in Handarbeit präzise die erforderlichen Kontakte. „Das ist deutlich schwieriger zu löten als die gängigen Kupferplatten. Dafür können wir die Arbeit jederzeit im eigenen Labor erledigen und sind nicht auf Lieferzeiten angewiesen“, erklärt von Döllen den Aufwand. Ein wichtiger Aspekt auch im Hinblick auf die spätere Verwendung der Fahrzeuge. „Die Komponenten müssen auch für die nachfolgenden Studierenden einfach zu beschaffen und auszutauschen sein.“
Der Algorithmus kann erst getestet werden, wenn das Fahrzeug fertig ist
Als Controller war ein ESP32-Wroom Mikrocontroller gesetzt. Er übernimmt die elektrische Ansteuerung der Aktoren des Rennwagens, also Antriebs- und Lenkungssystem. „Der Controller ist die Funkschnittstelle zum Fahrzeug, er überträgt die Anweisungen des Steuerungsprogramms auf die Aktoren und sorgt dafür, dass sich das Fahrzeug effizient und präzise auf dem errechneten Pfad bewegt“, erklärt Philip Wette. Egal, wo der Wagen gestartet wird: Eine Fish-eye-Kamera über der Rennstrecke erkennt das Fahrzeug und seine Bewegung, die Informationen werden zur Errechnung der optimalen Rennlinie in Echtzeit verwertet. „Dazu braucht es ein mathematisches Modell des Fahrzeugs. Wo befindet es sich? Wo soll es hin?“, skizziert Wette die Aufgabe der Pfadplanung. Die Studierenden imitieren dabei die Fahrersicht. „Als ob sie selbst im Fahrzeug sitzen und auf Sicht fahren würden. Sehen sie eine Kurve, lenken sie entsprechend.“ An der Rennstrecke schießt das Fahrzeug soeben über den Rand der Platte hinaus – und wird blitzschnell von den Studierenden aufgefangen. „Puh.“ Mattis Schrade am Rechner diagnostiziert: „Der Zielpunkt wird noch nicht sicher erfasst, der Algorithmus hat Probleme damit.“ Er ändert einige Parameter, jetzt hoppelt der Rennwagen quer über den Grünstreifen zwischen der Rennstrecke. „Immer noch etwas betrunken.“ Die Software-Entwicklung hat die zeitlichen Abhängigkeiten innerhalb des interdisziplinären Projekts besonders zu spüren bekommen. „Wir können das Programm ja erst testen, wenn ein fahrbares Fahrzeug fertig ist“, beschreibt Schrade das Problem. „Also jetzt.“
Heißt für das Programmierteam für die gesamte verbleibende Woche bis zur Abschlusspräsentation im Audimax: testen, verändern, testen, optimieren, noch mal testen, wieder optimieren usw. „Es war eine echte Zitterpartie“, erzählt Prof. Dr. Philipp Wette später. Bis schließlich tatsächlich alles passte und die Studierenden Rennwagen präsentierten, die mit überzeugender Präzision in optimaler Linie über die Rennstrecke flitzten. Runde um Runde. Samt Unterbodenbeleuchtung.
https://www.hsbi.de/presse/pressemitteilungen/campus-minden-hsbi-studierende-ent... Pressemitteilung auf www.hsbi.de
Fünfzehn Studierende aus den drei praxisintegrierten Studiengängen Wirtschaftsingenieurwesen, Elektr ...
Copyright: F. Hüffelmann/HSBI
Das autonom fahrende Auto soll als Live-Demo auf Veranstaltungen wie Studien-Messen sowie als Lernpl ...
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Criteria of this press release:
Journalists
Electrical engineering, Mechanical engineering
transregional, national
Studies and teaching
German
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