idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
08/20/2025 10:40

Nervenschäden bei Typ-2-Diabetes entstehen oft schon vor der Diagnose

Susan Jörges Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Diabetes-Zentrum

    Der Abbau der Nervenfunktion ist bei Menschen mit Diabetes vergleichbar zum normalen, altersbedingten Nervenabbau – sofern der Blutglukosespiegel gut eingestellt ist. Das konnten Forschende des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) in einer Langzeitbeobachtung zeigen. Entscheidend für das Auftreten von Nervenschäden (Neuropathien) ist offenbar nicht der (sehr gut eingestellte) Blutglukosespiegel nach der Diagnose, sondern der Zustand der Nerven bei der Diagnosestellung. Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, rechtzeitig Diabetes-Vorstufen zu erkennen und gezielte Prävention für Risikogruppen umzusetzen.

    Die diabetische Polyneuropathie ist eine der häufigsten und belastendsten Folgeerkrankungen bei Menschen mit Diabetes. Sie betrifft die peripheren Nerven, vor allem an den Füßen und Beinen, und kann zu Gefühlsverlust, Taubheitsgefühlen, Kribbeln, Schmerzen oder Muskelschwäche führen. Durch ein eingeschränktes Berührungsempfinden drohen langwierige Fußwunden und sogar Amputationen. Ausgelöst wird die Neuropathie durch chronisch erhöhte Blutglukosewerte bei Diabetes sowie durch Übergewicht und weitere Risikofaktoren wie Bluthochdruck und erhöhte Blutfettwerte.
    Trotz intensiver Forschung gibt es bislang keine ursächliche oder wirksame Therapie, die das Fortschreiten der diabetischen Neuropathie dauerhaft aufhält oder die Schäden rückgängig machen kann. Die Behandlung beschränkt sich meist auf die Linderung von Symptomen.

    Eigentlicher Schaden ist oft schon vor der Diagnose entstanden

    Frühere Studien legen nahe, dass selbst eine gute Blutglukoseeinstellung Nervenschäden bei Menschen mit Typ-2-Diabetes nur begrenzt verhindern kann. Bei Typ-1-Diabetes scheint dies hingegen besser zu gelingen. Ein möglicher Grund: „Typ-1-Diabetes wird oft frühzeitig erkannt und schnell behandelt, da die Erkrankung meist plötzlich und mit klaren Symptomen innerhalb weniger Tage bis Wochen auftritt. Typ-2-Diabetes hingegen bleibt oft über Jahre unentdeckt. Schon während dieser teils symptomlosen Phase kann es unbemerkt zu Schädigungen der Nerven kommen, die dann zum Zeitpunkt der Diagnose bereits bestehen“, sagt Dr. Alexander Strom vom DDZ, der gemeinsam mit dem DDZ-Kollegen Dr. Gidon Bönhof eine neue Studie geleitet hat, die diese Hypothese bekräftigt.

    Über zehn Jahre hinweg wurden mehr als 140 Menschen mit neu diagnostiziertem, sehr gut kontrolliertem Typ-2-Diabetes untersucht. Ihre Nervenfunktionen wurden regelmäßig mit etablierten Messmethoden überprüft und mit einer stoffwechselgesunden Kontrollgruppe verglichen. Das Ergebnis: Der Rückgang der Nervenleitgeschwindigkeit – ein zentraler Marker für Nervenschäden – war in beiden Gruppen ähnlich ausgeprägt.

    Vor allem der Zustand der Nerven zum Diagnosezeitpunkt ist entscheidend

    „Unsere Daten zeigen, dass bei Menschen mit gut eingestelltem Typ-2-Diabetes das Risiko für eine Verschlechterung der Nervenfunktion vor allem vom Zustand der Nerven zum Zeitpunkt der Diagnose abhängt“, erklärt Prof. Michael Roden, wissenschaftlicher Geschäftsführer und Sprecher des Vorstands des DDZ sowie Direktor der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. Die Nervenleitgeschwindigkeit im ersten Jahr nach der Diabetes-Diagnose ist insgesamt ein wichtiger Hinweis dafür, nach wie vielen Jahren mit einer verminderten Nervenfunktion zu rechnen ist.

    „Bei vielen Betroffenen scheint der entscheidende Schaden also bereits vor der eigentlichen Diagnose eines Typ-2-Diabetes entstanden zu sein“, erklärt Strom, der gemeinsam mit Bönhof die Nachwuchsforschergruppe Neuropathie am DDZ leitet. „Je stärker die Nerven schon bei der offiziellen Diagnose beeinträchtigt sind, desto früher wird eine Neuropathie im weiteren Lebensverlauf auftreten.“ Das könnte auch erklären, warum viele neue Therapieansätze bei bereits vorliegender Neuropathie keine Wirkung gezeigt haben.

    Die Ergebnisse sind aber auch eine gute Nachricht für Menschen mit Typ-2-Diabetes. Ist der Diabetes optimal eingestellt, findet keine beschleunigte Abnahme der Nervenfunktion statt.

    Früherkennung und Prävention müssen in den Fokus rücken

    Das im Rahmen der Studie entwickelte Prognose-Tool könnte ein hilfreiches Werkzeug sein, um den Abbau der Nervenfunktion bei Menschen mit Diabetes vorherzusagen. Mit diesem können Ärztinnen und Ärzte abschätzen, wann bei einer Person die Nervenfunktion unter einen kritischen Schwellenwert fällt. Berücksichtigt werden Alter und Ausgangsbefund – Voraussetzung ist, dass der Diabetes gut eingestellt bleibt. Das Modell könnte künftig helfen, Hochrisikopatientinnen und -patienten frühzeitig zu erkennen und gezielt präventiv zu behandeln.

    Über die Deutsche Diabetes Studie

    Die Deutsche Diabetes Studie beobachtet Patienten mit einem neu-diagnostizierten Typ-1- oder Typ-2-Diabetes von Beginn an über sieben Jahre hinweg. So können auch frühzeitig auftretende Warnzeichen für spätere Komplikationen entdeckt und alle zugelassenen Therapieverfahren parallel miteinander verglichen werden. Auch der Einfluss der Erbanlagen (Gene) auf den Verlauf der Erkrankung wird untersucht. Die Studie wird deutschlandweit an sieben Standorten im Rahmen des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) durchgeführt – das DDZ ist federführend beteiligt.


    Contact for scientific information:

    Dr. Alexander Strom, Co-Leiter der Nachwuchsforschergruppe Neuropathie
    Dr. Gidon Bönhof, Co-Leiter der Nachwuchsforschergruppe Neuropathie


    Original publication:

    Titel: Changes Over 10 Years in Peripheral Nerve Function in People with Well-Controlled Type 2 Diabetes and Those With Normal Glucose Tolerance
    Journal: Neurology
    Autoren: Strom, A., Strassbruger, K., Ziegler, D. et al.
    Link: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000213780


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).