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Wissenschaft
WissenschaftlerInnen zeigten, dass sich das genetische Risiko für Schizophrenie nicht nur in Neuronen, sondern auch in Oligodendrozyten erhöht. So können sie erstmals einen Mechanismus identifizieren, der hinter den kognitiven Störungen der Schizophrenie steht. Frühere Studien brachten Beeinträchtigungen der Oligodendrozyten und der Myelinisierung mit Schizophrenie in Verbindung. Die ForscherInnen wollten nun mehr über die Morphologie und die Eigenschaften der Oligodendrozyten bei Schizophrenie wissen, insbesondere darüber, ob die Beeinträchtigungen eine sekundäre Folge der neuronalen Defizite sind oder zumindest teilweise genetisch bedingt und zellautonom.
Die Schizophrenie ist eine gravierende psychiatrische Erkrankung, von der weltweit etwa ein Prozent der Bevölkerung betroffen ist und die bekanntermaßen schwer zu behandeln ist. Die aktuell verfügbaren Medikamente gegen Schizophrenie können sogenannte positive Symptome wie Halluzinationen und Wahnvorstellungen lindern. Es besteht jedoch immer noch ein enormer Bedarf für die Behandlung der sogenannten Negativsymptome wie sozialer Rückzug und mangelnde Motivation sowie von kognitiven Symptomen wie Störungen der Aufmerksamkeit und der Gedächtnisfunktion.
Peter Falkai, Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie der LMU und Direktor der Forschungsklinik des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie (MPI) und sein Team unter der Leitung des ehemaligen Doktoranden der International Max Planck Research School for Translational Psychiatry (IMPRS-TP) Florian Raabe haben ein schnelles und robustes Protokoll für aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC) gewonnene Oligodendrozyten entwickelt. Oligodendrozyten sind Zellen im Nervensystem, die Myelin produzieren; diese Schicht isoliert das Axon, das Nervenzellen miteinander verbindet. Diese Isolierung ermöglicht eine schnellere Signalübertragung von Neuron zu Neuron. Das Team entnahm Blutproben der sogenannten weißen Substanz von Schizophreniepatienten mit klinischen Beeinträchtigungen, um iPSCs zu erzeugen, die sich in der Zellkultur zu Oligodendrozyten differenzierten. SchizophreniepatientInnen scheinen umfangreiche Störungen der weißen Substanz aufzuweisen.
Die WissenschaftlerInnen wollten mehr über die Morphologie und die Eigenschaften der Schizophrenie-Oligodendrozyten erfahren. Überraschenderweise stellte das LMU-Team zusammen mit der IMPRS-Studentin und Erstautorin der kürzlich veröffentlichten Studie, Man-Hsin Chang, fest, dass die Oligodendrozyten bei Schizophrenie eine komplexere Morphologie aufweisen als die aus iPSC gewonnenen Oligodendrozyten gesunder Kontrollpersonen. Die Schizophrenie-Oligodendrozyten schienen in der Zellkultur „reifer“ zu sein als die Kontroll-Oligodendrozyten, was insofern interessant ist, als die meisten Postmortem-Studien eine Beeinträchtigung der Oligodendrozyten und eine gestörte Myelinisierung im Gehirn von Schizophreniepatienten zeigen.
Das Team stellte die Hypothese auf, dass dieses Merkmal auf einen „Vorreifungs“-Phänotyp im frühen Entwicklungsstadium der Oligodendrozyten hinweisen könnte. Das in dieser Studie verwendete Protokoll ermöglichte es den ForscherInnen, nur die frühen Entwicklungsstadien zu untersuchen, die sich deutlich von den späten Entwicklungsstadien der Oligodendrozyten unterscheiden wie in postmortalen Studien beobachtet wurde.
"Die aktuelle Studie ist nur eine Voruntersuchung, es gibt noch viele Experimente, die wir durchführen möchten. Erstens müssten wir die Stichprobengröße erhöhen, um zu sehen, ob die Ergebnisse auf eine größere Kohorte übertragbar sind. Zweitens wüssten wir gerne mehr über die Funktion dieser Oligodendrozyten bei Schizophrenie: ob auch ihre Fähigkeit zur Myelinisierung beeinträchtigt ist und wie sie mit anderen Zellen interagieren", erklärt Raabe. Er ist inzwischen Leitender Oberarzt an der MPI-Forschungsklinik und wird seine Arbeit dort fortsetzen, indem er die Oligodendrozyten mit aus iPSC gewonnenen Neuronen kultiviert oder sogar dreidimensionale Sphäroide oder Organoide erzeugt, um die Umgebung des menschlichen Gehirns nachzubilden.
Rückblickend kann Falkai nun viele Jahre erfolgreicher Forschung zusammenfassen: "Bei der ersten Postmortem-Studie vor 13 Jahren dachte ich, dass die Interneurone beteiligt sein müssten. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass es auch eine umschriebene Reduktion der Oligodendrozyten geben würde. Obwohl wir die Frage, ob die Pathologie der Oligodendrozyten bei der Schizophrenie primär oder sekundär ist, immer noch nicht sicher beantworten können, glauben wir, dass die Oligodendrozyten definitiv eine zentrale Rolle in der Pathogenese der Schizophrenie spielen und als neuer Ansatzpunkt für die Entwicklung besserer Therapien dienen. Der allererste Mechanismus für kognitive Störungen bei Schizophrenie, den wir gefunden haben, sollte hoffentlich in den kommenden Jahren weiter untersucht werden. Außerdem glauben wir, dass Schizophrenie eine heterogene Erkrankung ist. Wir haben nur Proben von Schizophreniepatienten mit Defiziten in der weißen Substanz untersucht: Wenn diese Phänotypen spezifisch für eine bestimmte Gruppe von Patienten sind, könnte dies eine mögliche Stratifizierung von Patienten für die personalisierte Medizin in der Zukunft bedeuten."
Translational Psychiatry, 2025
https://doi.org/10.1038/s41398-025-03509-x
https://www.psych.mpg.de/2959227/news_publication_25230083_transferred?c=25045
Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Medicine, Psychology
transregional, national
Research results
German
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