idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
09/17/2025 12:57

Vogelgrippe in der Antarktis breitet sich aus

Irena Walinda Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Forschende der Universität Jena befürchten erhebliche Auswirkungen auf die Vogelpopulationen

    Ein Forschungsteam der Universität Jena bestätigt jetzt einen befürchteten Trend: Nachdem im Oktober 2023 das Vogelgrippevirus H5N1 auf der subantarktischen Insel Südgeorgien und nachfolgend im Februar 2024 in der Antarktis, auf James Ross Island, nachgewiesen wurde, dokumentierten die Forschenden um Christina Braun bei ihrer jüngsten Expedition 2025 erstmalig Anzeichen für das Auftreten der hochpathogenen Variante auch auf der Fildes-Halbinsel auf King George Island. Die Forschenden beobachteten eine erhöhte Sterblichkeit bei verschiedenen Seevogelarten.

    Einzigartiges Langzeitprojekt seit 1979

    Unter Anleitung von Christina Braun, die bereits 15 Forschungsreisen in die Antarktis unternommen hat, führten die Studentinnen Julia Engelhardt und Katharina Engl von Anfang Januar bis Ende Februar 2025 auf der uruguayischen Forschungsstation „Base Cientica Antárctica Artigas“ das Monitoring durch. Seit 1979/80 beobachten deutsche Biologen, und ab 1983 die Arbeitsgruppe Polar- und Ornitho-Ökologie der Universität Jena die Entwicklung von 14 Brutvogelarten in einem 35 km² großen Gebiet. Dazu zählen Zügel-, Adélie- und Eselspinguine sowie Skuas und Riesensturmvögel. Das vom Umweltbundesamt geförderte Projekt gilt weltweit als einzigartige Langzeitstudie. Neben den Populationsdaten von Vögeln und Robben erfassen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch angeschwemmte Abfälle – darunter verbranntes Plastik, Verpackungen oder Fischereireste. In diesem Jahr lag die Dichte bei rund einem Objekt pro Meter Küstenlinie. Das ist ein vergleichsweise hoher Wert für einen Ort, der praktisch nicht von Menschen bewohnt ist.

    52 tote Tiere in nur einer Saison

    Normalerweise finden die Forschenden nur wenige sogenannte frischtote Tiere im Zeitraum ihrer zwei- bis dreimonatigen Expedition, aber während des letzten Monitorings waren es 52 tote Tiere, mehrheitlich Skuas (Raubmöwen), die Tage beziehungsweise einige Wochen vor ihrem Fund gestorben waren. Forschende vom Alfred-Wegner-Institut in Potsdam und chilenische Kollegen entnahmen und analysierten die Proben teilweise vor Ort und bestätigten den Verdacht auf H5N1.

    Das Forschungsteam befürchtet, dass sich das Virus weiter ausbreiten wird, denn die Vögel brüten auf sehr beengtem Gebiet – nur etwa 2 % der antarktischen Fläche sind eisfrei. „Das Gebiet, das wir beobachten, ist sehr klein und vogelreich. Außerdem brüten die antarktischen Vögel typischerweise in Kolonien. Deshalb ist die Ansteckungsgefahr sehr groß. Ist die Mortalitätsrate sehr hoch in einer Population, kann es sein, dass sie komplett zusammenbricht“, so Markus Bernhardt-Römermann vom Institut für Biodiversität, Ökologie und Evolution. Die Forschenden mussten besondere Schutzkleidung tragen, denn die Gefahr einer Übertragung des Virus auf den Menschen besteht. In Chile, Peru und Argentinien sprang H5N1 bereits auf Säugetiere wie Robben, Seelöwen und Seeelefanten über, was 2023 zu einem Massensterben an den dortigen Küsten führte. „Einzelne Infektionen bei Menschen nach direktem Kontakt mit infizierten Vögeln sind ebenfalls dokumentiert. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen also sehr vorsichtig sein und sich selbst schützen,“ erklärt Braun die Situation vor Ort.

    Klimawandel verändert Artenzusammensetzung

    Die Vogelarten der Antarktis reagieren zudem empfindlich auf die Klimaerwärmung. „Die Artenzusammensetzung verschiebt sich rasant“, erklären die Forschenden. So sind die Kapsturmvögel, die noch vor wenigen Jahren zu Hunderten im Untersuchungsgebiet brüteten, inzwischen praktisch verschwunden. In der aktuellen Saison konnte kein einziges Brutpaar festgestellt werden. Dagegen profitieren Riesensturmvögel sowie Eselspinguine, die ursprünglich subantarktische Regionen bevorzugten, von den veränderten Bedingungen.
    Adélie- und Zügelpinguine hingegen gehen stark zurück.

    „Wir wissen nicht, ob die Vögel andere Brutgebiete aufsuchen oder tatsächlich verschwinden – es fehlt an vergleichbaren Langzeitdaten anderer Forschungsgruppen“, betont Braun. „Genau deshalb sind kontinuierliche Projekte wie unseres so wichtig.“

    Forschung mit Studierenden

    Seit Jahren besteht das Team der Polarökologie u. a. aus Studierenden des englischsprachigen Masterstudiengangs Evolution, Ecology and Systematics der Fakultät für Biowissenschaften. Die Studierenden unterstützen zwei bis drei Monate lang die Arbeit vor Ort. Das Team legt täglich rund 15 Kilometer zu Fuß zurück, dokumentiert Vogel- und Robbenbestände und sammelt Müll. „Mit der Arbeit hier auf King George Island bekommen wir Studierenden die einzigartige Möglichkeit verantwortungsvoll Daten und Proben von Tieren aufzunehmen, die kaum in Kontakt mit Menschen kommen und durch die internationale Zusammenarbeit lernen wir mehr über effektive Kommunikation und Koordination in wissenschaftlichen Teams“, berichtet Julia Engelhardt.

    Ausblick

    Wie sich die Vogelgrippe langfristig auf die antarktische Tierwelt auswirkt, das werden die Jenaer Forschenden und Studierenden auch weiterhin dokumentieren. Bereits im November bricht erneut ein Team aus Jena in die Antarktis auf – das Monitoring wird fortgesetzt.


    Contact for scientific information:

    Christina Braun
    Institut für Biodiversität, Ökologie und Evolution der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    und Senckenberg Institut für Pflanzenvielfalt (SIP) Jena
    Fürstengraben 26, 07743 Jena
    Tel.: 03641 9-49445
    E-Mail: chr.braun@uni-jena.de

    apl. Prof. Dr. Markus Bernhardt-Römermann
    Institut für Biodiversität, Ökologie und Evolution der Friedrich-Schiller-Universität Jena,
    Senckenberg Institut für Pflanzenvielfalt (SIP) Jena
    und Deutsches Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
    Fürstengraben 26, 07743 Jena
    Tel.: 03641 9-49435
    E-Mail: markus.bernhardt@uni-jena.de


    Images

    Ein Teammitglied der Arbeitsgruppe Polar- und Ornitho-Ökologie der Uni Jena während einer Expedition auf der Fildes-Halbinsel auf King George Island in der Antarktis.
    Ein Teammitglied der Arbeitsgruppe Polar- und Ornitho-Ökologie der Uni Jena während einer Expedition ...
    Source: Foto: Christina Braun/Uni Jena

    Eine der Raubmöwen (Skua), die das Jenaer Team während seiner Expedition tot aufgefunden hat.
    Eine der Raubmöwen (Skua), die das Jenaer Team während seiner Expedition tot aufgefunden hat.
    Source: Foto: Katharina Engl


    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Biology, Environment / ecology
    regional
    Research projects, Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).