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09/17/2025 13:01

Mit Bewusstsein gegen Dezibel

Stefanie Terp Stabsstelle Kommunikation, Events und Alumni
Technische Universität Berlin

    Die TU-Studie VELMA zeigt: Rücksicht und bewusste Fahrweise senken Verkehrslärm und steigern die Lebensqualität – ein aktuelles Thema zum „Autofreien Tag“ am 22. September 2025

    Verkehrslärm gehört zu den größten umweltbedingten Gesundheitsrisiken in Europa. Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur sind über 20 Prozent der Bevölkerung gesundheitsschädlichem Lärm ausgesetzt, nach den strengeren Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation sogar rund 30 Prozent. Hauptverursacher ist der Straßenverkehr. Eine Studie der Technischen Universität Berlin belegt nun: Nicht nur technische Maßnahmen wie leisere Fahrzeuge oder Lärmschutzwände sind entscheidend, auch das Verhalten von Fahrer*innen trägt erheblich zur Lärmreduktion bei. Durch bewussteres Fahren, wie frühzeitiges Hochschalten, lassen sich Geräuschpegel um mehrere Dezibel reduzieren. Besonders störend sind vermeidbare Einzelereignisse wie aufheulende Motoren oder wiederholtes Hupen. Hörversuche zeigen, dass sie belastender empfunden werden als konstante Geräusche von Bussen oder Lastwagen.

    Das am Fachgebiet Technische Akustik durchgeführte Projekt „VELMA – Verhaltensbezogene Lärmminderungsmaßnahmen“ von Dr. André Fiebig und Cleopatra Moshona untersuchte diese Zusammenhänge erstmals systematisch. Ziel des vom Bundesministerium für Verkehr, vertreten durch die Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen, geförderten Projekts war es, das Potenzial lärmbewussten Verhaltens zu erfassen und praxisnahe Empfehlungen für Lärmminderungsmaßnahmen zu entwickeln.

    Lärmbewusstsein in der Bevölkerung
    In einer Online-Befragung von über 400 Personen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ermittelten die Forschenden Einstellungen und Verhaltensweisen mit Geräuschbezug im Alltag. Ältere Menschen, Befragte mit höherem Bildungsgrad und Großstadtbewohner*innen zeigten im Schnitt ein stärkeres Lärmbewusstsein. Menschen, die ihr eigenes Verhalten als mögliche Lärmquelle erkennen und bereit sind, Verantwortung dafür zu übernehmen, verhalten sich insgesamt rücksichtsvoller und bewusster im Umgang mit Lärm. „Gleichzeitig zeigte sich, dass viele Befragte die Verantwortung für Lärmschutz eher an Politik oder Verwaltung delegierten, obwohl sie die gesundheitlichen Folgen von Lärm kannten“, so Cleopatra Moshona. Elemente des sogenannten Eco-Driving waren zwar weitgehend bekannt, wurden jedoch meist aus ökonomischen Gründen umgesetzt und selten mit Lärmminderung verbunden. Menschen, die häufig mit dem Auto unterwegs sind, befürworteten Maßnahmen zur Lärmminderung im Straßenverkehr deutlich seltener.

    Experimente im Straßenverkehr
    In Feldversuchen prüfte das Team die Wirkung visueller Hinweisgeber. Ein dynamisches Lärmdisplay im Fahrzeug, das anhand von Geschwindigkeit, Drehzahl und Position in Echtzeit anzeigte, wie stark das Fahrverhalten zur Lärmerzeugung beitrug, hatte keinen messbaren Einfluss. Statische Schilder am Straßenrand, die die Fahrer*innen zur Rücksichtnahme aufforderten, führten jedoch zu etwas langsamerem Fahren und niedriger Motorendrehzahl. Auch wenn der Effekt statistisch nicht eindeutig abgesichert war, deutet er auf ein grundsätzliches Potenzial hin, lärmbewusstes Verhalten durch einfache visuelle Hinweisgeber zu fördern. Die Ergebnisse decken sich auch mit Beobachtungen aus früheren groß angelegten Feldstudien.

    Messungen von Fahrstilen
    Gemeinsam mit dem Austrian Institute of Technology führten die Forschenden 61 kontrollierte Vorbeifahrten mit einem Verbrennungsfahrzeug und einem Elektroauto durch. Dabei wurden Geschwindigkeit, Motordrehzahl und Fahrmanöver systematisch variiert. Die Ergebnisse zeigten: Frühzeitiges Hochschalten kann den maximalen Vorbeifahrtspegel beim Verbrennungsmotor um bis zu 4,5 Dezibel reduzieren, was einer wahrgenommenen Lautstärkereduktion von etwa 30 Prozent entspricht. Besonders lärmintensiv waren beschleunigte Vorbeifahrten in niedrigen Gängen. Auch beim Elektrofahrzeug waren Unterschiede messbar. Beim Elektrofahrzeug waren die Unterschiede geringer, jedoch ebenfalls messbar.

    Wahrnehmung von Lärmereignissen
    Die Studie untersuchte auch die subjektive Wirkung von Lärm. Im Mixed Reality Lab der Universität der Künste Berlin hörten Versuchspersonen realistische Verkehrsszenen, die gezielt mit auffälligen Einzelgeräuschen wie aufheulenden Motoren, starkem Beschleunigen oder wiederholtem Hupen ergänzt wurden. Es zeigte sich, dass diese Einzelereignisse die empfundene Belästigung sogar deutlich stärker steigerten als konstante Geräusche von Bussen oder Lastkraftwagen. Damit bestätigt sich, dass die Vermeidung einzelner Lärmereignisse nicht nur den Schalldruckpegel senkt, sondern auch die subjektive Störung verringert.

    Ein Maßnahmenkatalog für die Praxis
    Auf Basis der Ergebnisse entwickelte das Forschungsteam einen Maßnahmenkatalog, der individuelles Verhalten, visuelle Hinweisgeber und regulatorische Ansätze verbindet. Besonders wirksam ist demnach die Kombination aus technischen Innovationen, bewusstem Fahrverhalten und klaren gesetzlichen Vorgaben. „Unsere Studie zeigt, dass verhaltensbezogene Maßnahmen eine sinnvolle Ergänzung zu klassischen Lärmschutzstrategien darstellen, deren Potenzial bisher nicht ausreichend erschöpft worden ist“, so Cleopatra Moshona.

    Lärmblitzer liefert Ergebnisse
    Auch das Projekt „Lärmblitzer“ der Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, wissenschaftlich begleitet von der TU Berlin, verdeutlicht das Problem. Innerhalb des Beobachtungszeitraums von zwei Monaten registrierte das Gerät knapp 2500 Fahrzeuge, die den Schwellenwert von 82 dB(A) überschritten. Bezogen auf den Gesamtverkehr am Kurfürstendamm, war also jedes zweihundertste Kraftfahrzeug zu laut. „Die individuelle Fahrweise im Straßenverkehr hat einen deutlichen Einfluss auf das Umgebungsgeräusch und damit auf die Lärmbelästigung. Der eigene Beitrag zur Geräuschentwicklung wird jedoch von vielen unterschätzt. Hier braucht es gezielte Maßnahmen“, erklärt Dr. André Fiebig.

    Weitere Informationen sowie den Maßnahmenkatalog finden Sie in der Studie: https://bast.opus.hbz-nrw.de/frontdoor/index/index/docId/3184

    Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
    Cleopatra Moshona
    Fachgebiet Technische Akustik
    Fakultät V Verkehrs- und Maschinensysteme
    TU Berlin
    E-Mail: c.moshona@tu-berlin.de
    Tel.: +49 (0)30 314-70437


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Nutrition / healthcare / nursing, Psychology, Traffic / transport
    transregional, national
    Research results
    German


     

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