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09/22/2025 21:00

Zucker-Fingerabdrücke im Kampf gegen zunehmende Pilzinfektionen

Miriam Franchina Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung

    Candida-Blutstrominfektionen nehmen in Krankenhäusern zu. Die aktuelle Diagnostik beruht auf langsamen, teils inkonsistenten Laborkulturen – Verzögerungen bei der Diagnose verzögern die Therapie.

    Forschende synthetisierten exakt definierte Zuckerstrukturen der Pilzoberfläche, um die Immunantwort besser zu verstehen. Über den charakteristischen „Zucker-Fingerabdruck“ jeder Candida-Art lässt sich ablesen, welche Zielstrukturen das Immunsystem zuerst erkennt.

    So wird ein schneller, nichtinvasiver Test am Krankenbett möglich, der in Minuten verlässliche Ergebnisse liefert – für rechtzeitige, gezielte Behandlung; zugleich schaffen die Daten eine Basis für künftige Impfstoffe.

    Pilzinfektionen: ein weltweites Problem mit Sorgenfaktor.

    Krankenhäuser weltweit, auch in Europa und Deutschland, stehen vor einer wachsenden Herausforderung durch Pilzinfektionen. Schätzungen zufolge sind jedes Jahr 6 Millionen Menschen betroffen, und rund 3,8 Millionen sterben daran. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Candida, einen Pilz, dem die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens mindestens einmal begegnen, als vorrangige Bedrohung eingestuft. Viele kennen Candida nur in Form vergleichsweise milder Infektionen wie Mundsoor. Doch bestimmte Arten – allen voran C. auris und C. albicans – können in die Blutbahn gelangen und lebensbedrohliche Erkrankungen verursachen. Dies geschieht zunehmend in Kliniken weltweit, wo Candida bei geschwächten Patient:innen leichtes Spiel hat – etwa nach größeren Operationen oder Chemotherapien. Zudem kann sich der Pilz an medizinischen Geräten wie Kathetern, Schläuchen oder Prothesen festsetzen und dort hartnäckige Biofilme bilden, die hochgradig gegenüber Antimykotika resistent sind. Auch das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hat jüngst Alarm geschlagen und zu besserer Prävention, schnellerer Diagnose und wirksameren Therapien aufgerufen.

    Ein alternativer Ansatz: den Zucker-Code der Pilze lesen.

    Die derzeitige Diagnostik von Pilzinfektionen ist langwierig und belastend: Blutproben von Verdachtspersonen müssen entnommen und in Speziallaboren kultiviert werden. „Diese Analysen dauern meist mehrere Tage, sind fehleranfällig und verfehlen manchmal das Ziel ganz“, erklärt Emelie Reuber, Autorin der Studie, die kurz vor dem Abschluss ihrer Promotion steht. Als ehemalige Krankenschwester hat sie aus erster Hand erlebt, wie lebensrettend eine schnelle Diagnostik sein kann.
    Ein Forschungsteam am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) arbeitete eng mit Ärzt:innen vom Uniklinikum Köln sowie mit Pilzexpert:innen vom MRC Centre for Medical Mycology an der Universität Exeter (UK) zusammen, um eine vielversprechende Alternative zu entwickeln: den Pilz über seine Zucker zu „lesen“. Die äußere Wand von Candida besteht zu rund 80% aus Zuckern, den sogenannten Glykanen.
    „Das sind die ersten Strukturen, die unser Immunsystem erfasst – gewissermaßen der Fingerabdruck des Erregers“, erklärt Prof. Peter H. Seeberger. „Wir wollten genau verstehen, was das Immunsystem gleich zu Beginn erkennt.“
    Das Team um Seeberger nutzte Automatisierung, um definierte und hochreine Candida-Glykane herzustellen, und druckte sie auf Glasplättchen – sogenannte Glykan-Mikroarrays. Diese synthetischen Zuckerstrukturen wurden mit Serumproben von Menschen und Mäusen mit bestätigten Candida-Infektionen sowie mit Proben gesunder Kontrollindividuen getestet.
    Antikörper aus dem Blut infizierter Personen und Mäuse binden gezielt an bestimmte Zucker. Dadurch wird sichtbar, welche Glykanstrukturen an der Oberfläche des Pilzes vorkommen und vom Immunsystem erkannt werden. „Wir haben ein fluoreszierendes Markermolekül hinzugefügt. Sobald ein Antikörper an ein Glykan andockt, wird die Reaktion sofort sichtbar und messbar. Die Antikörper wirken wie ein Schlüssel im Schloss – und wir können das Signal direkt auswerten“, erläutert Reuber (MPIKG).

    Was das bedeutet: schnelle, zuverlässige Diagnose – und ein Weg zur Prävention.

    Die Methode identifiziert, welche Glykane nach einer Exposition vom Immunsystem erkannt werden und welche die stärkste Immunreaktion auslösen. Durch den Vergleich von Proben von Menschen und Mäusen konnten die Forschenden nun herausfinden, welche Glykan-„Fingerabdrücke“ vom Immunsystem am zuverlässigsten erkannt werden.
    Dieses Wissen ebnet den Weg für schnellere, einfach zugängliche Tests. Konkret könnte ein unkomplizierter Streifentest am Krankenbett mit wenigen Tropfen Blut auskommen und Ergebnisse in Minuten liefern. Heute benötigen gebrechliche Patient:innen oft mehrere Blutentnahmen, und jeder Nadelstich erhöht das Infektionsrisiko. Der Ansatz hat das Potenzial, Ergebnisse innerhalb weniger Minuten zu liefern – insbesondere dort, wo der Zugang zu hochspezialisierten Kulturlaboren begrenzt ist. „Diese Arbeit ist entscheidend: Wenn sich die Diagnose verzögert, verzögert sich auch die angemessene antimykotische Therapie. Das führt häufig zu einer ungünstigen Prognose und zu schweren invasiven Infektionen“, sagt Prof. Neil Gow (University of Exeter). Da jede Candida-Art ein spezifisches Zuckerprofil trägt, erlaubt dieser Ansatz zudem, zwischen verschiedenen Stämmen zu unterscheiden. So können Betroffene frühzeitig isoliert und gezielt behandelt werden. „Schnelle Diagnostik kann Leben retten; Ärzt:innen können es sich nicht leisten, abzuwarten, während sich Candida weiter ausbreitet“, fasst Dr. Rosanne Sprute (Universitätsklinikum Köln) zusammen.
    Die Forschung reicht noch weiter: Seeberger und sein Team untersuchen, wie exakt definierte Glykane als Bausteine für künftige Impfstoffe dienen können, die direkt an der Pilzoberfläche ansetzen. Glykokonjugat-Impfstoffe – Zucker an Proteine gekoppelt – haben sich bereits gegen verschiedene bakterielle Infektionen bewährt. Diese Strategie auch auf Pilze auszudehnen, könnte die verletzlichsten Patientengruppen schützen und eine starke, langanhaltende Immunantwort hervorrufen.
    Es bleibt noch viel zu tun, aber das Ziel ist klar: die Erkenntnisse vom Labortisch ans Krankenbett zu bringen, damit Patient:innen schneller Antworten erhalten und früher behandelt werden.


    Contact for scientific information:

    Prof. Peter H. Seeberger, Direktor Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG): Peter.Seeberger@mpikg.mpg.de
    Emelie Reuber; Doktorandin: Emelie.Reuber@mpikg.mpg.de


    Original publication:

    Glycan microarray analysis of Candida-related antibodies in human and mice sera guides biomarker discovery and vaccine development, PNAS (2025)


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Chemistry, Medicine
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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