idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
09/22/2025 11:34

TU Wien entdeckt neue Sorte von „Zeitkristallen“

Dr. Florian Aigner PR und Marketing
Technische Universität Wien

    Ein exotisches Quantenphänomen zeigt sich unter Bedingungen, unter denen man es eigentlich nicht erwartet hätte.

    Die Natur kennt viele Rhythmen: Die Jahreszeiten ergeben sich durch die Bewegung der Erde um die Sonne, das Ticken einer Pendeluhr ergibt sich aus der Schwingung ihres Pendels. Diese Phänomene können durch sehr simple Gleichungen verstanden werden.

    Regelmäßige Rhythmen können aber auch auf völlig andere Weise entstehen – quasi von selbst, ohne Taktgeber von außen, durch das komplexe Zusammenspiel vieler Teilchen. Statt gleichmäßiger Unordnung entsteht ein fester Takt – man spricht dann von einem „Zeitkristall“. Berechnungen der TU Wien zeigen nun, dass solche Zeitkristalle auch auf ganz andere Weise erzeugt werden können als man bisher dachte. Gerade die quantenphysikalischen Korrelationen zwischen den Teilchen, die man bisher für schädlich gehalten hatte, können Zeitkristalle sogar stabilisieren. Es ist ein überraschender neuer Einblick in die Quantenphysik von Vielteilchen-Systemen.

    Raumkristalle und Zeitkristalle

    Wenn eine Flüssigkeit einfriert, ändern die Teilchen ihre Ordnung: In der Flüssigkeit bewegen sie sich wild und ungeordnet durcheinander, es gibt keine Struktur. Wenn die Flüssigkeit einfriert, bildet sich ein Kristall, in dem sich die einzelnen Teilchen sehr regelmäßig an ganz bestimmten Orten befinden. Eine Flüssigkeit sieht überall gleich aus, sie hat überall und in jeder Richtung dieselben Eigenschaften, sie ist völlig symmetrisch. In einem Kristall hingegen ist diese Symmetrie gebrochen: Plötzlich gibt es eine regelmäßige Struktur, eine Richtung, die sich von anderen Richtungen unterscheidet.

    Kann sich eine solche Symmetriebrechung auch in der Zeit ereignen? Kann es sein, dass ein Quantensystem zunächst zeitlich ungeordnet ist, dass jeder Zeitpunkt gleich ist wie jeder andere, dass sich dann aber trotzdem eine zeitliche Ordnung ergibt?

    Quantenfluktuationen: schädlich oder nützlich?

    „Diese Frage wird in der Quantenforschung seit über zehn Jahren intensiv untersucht“, sagt Felix Russo vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien, der im Team von Prof. Thomas Pohl an seiner Doktorarbeit forscht. Tatsächlich zeigte sich: Sogenannte Zeitkristalle sind möglich – Systeme, bei denen sich ein zeitlicher Rhythmus einstellt, ohne dass man den Takt von außen vorgibt.

    „Allerdings dachte man, dass das nur in ganz bestimmten Systemen möglich ist, etwa in Quantengasen, deren Physik gut durch Mittelwerte beschrieben werden kann, ohne dass man die in der Quantenphysik unvermeidlichen Zufallsfluktuationen berücksichtigen muss“, erklärt Felix Russo. „Wir haben nun gezeigt: Gerade die quantenphysikalischen Korrelationen zwischen den Teilchen, von denen man bisher dachte, dass sie das Entstehen von Zeitkristallen verhindern, können Zeitkristalle hervorbringen.“

    Die komplizierten Quanten-Wechselwirkungen zwischen den Teilchen führen zu einem kollektiven Verhalten, das sich auf Ebene einzelner Teilchen nicht erklären lässt – so ähnlich wie sich der Rauch einer erloschenen Kerze manchmal zu einer regelmäßigen Serie von Rauchkringeln formen kann, ohne dass dieser Takt von außen vorgegeben oder auf Ebene einzelner Rauchpartikel erklärt werden kann.

    Teilchen im Laser-Gitter

    „Wir untersuchen ein zweidimensionales Gitter von Teilchen, die von Laserstrahlen festgehalten werden“, sagt Felix Russo. „Und hier können wir zeigen: Der Zustand des Gitters beginnt zu oszillieren – aufgrund der Quanten-Wechselwirkung zwischen den Teilchen.“

    Die Forschungsarbeit bietet die Möglichkeit, die Theorie von Quanten-Vielteilchensystemen besser zu verstehen – auf dem Weg zu neuen Quantentechnologien oder hochpräzisen Quanten-Messtechniken.


    Contact for scientific information:

    Dipl.-Ing. Felix Russo
    Institut für Theoretische Physik
    Technische Universität Wien
    +43 1 58801 136 55
    felix.russo@tuwien.ac.at


    Original publication:

    https://doi.org/10.1103/dc2s-94gv F. Russo and T. Pohl; Quantum Dissipative Continuous Time Crystals; PRL 135, 110404,


    Images

    Durch Korrelationen zwischen Quantenteilchen ergibt sich ein rhythmisches Signal - ohne dass es durch einen äußeren Takt vorgegeben werden müsste.
    Durch Korrelationen zwischen Quantenteilchen ergibt sich ein rhythmisches Signal - ohne dass es durc ...
    Source: TU Wien
    Copyright: TU Wien


    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).