idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Die Trendwende zum Besseren für die deutsche Wirtschaft hat im laufenden dritten Quartal 2025 begonnen: Seit der Jahresmitte befindet sich die Konjunktur auf dem Weg aus der Talsohle – und der verspricht im kommenden Jahr in einen Aufschwung zu münden. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst im Jahresdurchschnitt 2025 leicht um 0,2 Prozent, im Jahresdurchschnitt 2026 wird es um 1,4 Prozent zulegen.
Das Wachstum ist damit im kommenden Jahr ein wenig stärker als im Durchschnitt des Euroraums und ebenso hoch wie in den USA (Detaildaten unten). Hauptgründe für die Erholung sind die positiven Impulse der staatlichen Investitionen und Investitionsfördermaßnahmen sowie ein anziehender Konsum der privaten Haushalte. Das ergibt die neue Konjunkturprognose des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.* Der Außenhandel entwickelt sich hingegen weiterhin schwach, vor allem aus zwei Gründen: Erstens behindern die neuen US-Zölle den Export in die USA und belasten zudem die amerikanische und die gesamte Weltkonjunktur. Zweitens wächst die globale Konkurrenz durch chinesische Unternehmen, während die Nachfrage aus China schwach bleibt. Da der Arbeitsmarkt zeitversetzt reagiert, bringt das anziehende Wachstum noch keine durchschlagende Wende bei Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote steigt 2025 auf 6,3 Prozent im Jahresmittel, 2026 sinkt sie ganz leicht auf 6,2 Prozent. Die Zahl der Erwerbstätigen wächst nach einer Stagnation in diesem Jahr 2026 wieder – um 0,1 Prozent. Die Inflationsrate liegt laut IMK-Prognose im Jahresdurchschnitt 2025 bei 2,0 Prozent, 2026 sinkt sie auf 1,8 Prozent.
Gegenüber seiner vorherigen Prognose vom Juni 2025 lässt das IMK die Wachstumserwartung beim BIP für dieses Jahr unverändert. Für 2026 senken die Ökonom*innen sie leicht um 0,1 Prozentpunkte. „Das ändert aber nichts an der Kernbotschaft unserer Prognose: Die deutsche Wirtschaft ist nach langer Durststrecke wieder auf dem Weg nach vorne“, sagt Prof. Dr. Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des IMK. „Wichtige Faktoren dafür sind die zu erwartende solide Lohnentwicklung, vor allem aber die politische Entscheidung, endlich den enormen öffentlichen Investitionsstau in Deutschland aufzulösen.“
Vornehmlich politischer Natur sind allerdings auch die erheblichen Risiken, die die Konjunkturforscher*innen ausmachen: International neben einer denkbaren Zuspitzung der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten vor allem die Unsicherheit, ob US-Präsident Donald Trump den Handelskonflikt trotz Zoll-„Deals“ nicht doch wieder anheizt. Im Inland die Frage, ob die öffentlichen Investitionen wirklich im erwarteten Volumen hochgefahren werden. „Da wir die internationale Entwicklung nur in beschränktem Maße beeinflussen können, darf sich die deutsche Wirtschaftspolitik keine Fehler leisten. Bund, Länder und Kommunen sollten nun wirklich Investitionen konsequent priorisieren und Genehmigungsverfahren beschleunigen“, erklärt Dullien. Zweiter zentraler Punkt sei, das langsam wachsende Vertrauen der Verbraucher*innen nicht wieder zu schwächen: „Unnötig zugespitzte Debatten über Kürzungen, etwa bei der sozialen Sicherung, schädigen dieses Vertrauen.“ Zudem hält es das IMK für unerlässlich, dass die Europäische Zentralbank in den nächsten Monaten noch einmal den Leitzins senkt.
Kerndaten der Prognose (siehe auch die Tabelle in der pdf-Version dieser PM; Link unten)
– Arbeitsmarkt –
Die langanhaltende Rezession der letzten Jahre, die nach kürzlich revidierten Daten des Statistischen Bundesamts Ende 2022 begann, wirkt sich mittlerweile auch negativ auf den Arbeitsmarkt aus. Immerhin: Angesichts der erheblichen Dauer der Schwächephase war die Entwicklung „insgesamt besser, als eigentlich zu erwarten gewesen wäre, und am aktuellen Rand scheint eine gewisse Hoffnung angebracht“, analysieren die Expert*innen des IMK. Die Zahl der Erwerbstätigen stagniert im Jahresdurchschnitt 2025. Die Arbeitslosigkeit steigt um rund 150.000 Personen auf 2,94 Millionen im Jahresmittel, die Arbeitslosenquote liegt bei 6,3 Prozent nach 6,0 Prozent 2024. Für 2026 veranschlagen die Forschenden dann wieder eine leichte Zunahme der Erwerbstätigenzahl um jahresdurchschnittlich 0,1 Prozent. Die Arbeitslosigkeit sinkt marginal um etwa 6000 Personen, die Quote leicht auf 6,2 Prozent.
– Weltwirtschaft und Außenhandel –
Die Weltwirtschaft wächst 2025 und 2026 recht verhalten um 3,1 bzw. 2,9 Prozent. Insbesondere die Handelspolitik der USA wirkt belastend – auch auf die wirtschaftliche Entwicklung im eigenen Land. Das IMK rechnet für die USA mit einem Wirtschaftswachstum von 1,7 und 1,4 Prozent – nach noch 2,8 Prozent 2024. Auch in China ist die wirtschaftliche Dynamik rückläufig: In diesem Jahr wird die Wirtschaft um 5,0 Prozent zulegen, 2026 sind es 4,4 Prozent. Im Euroraum wird das BIP 2025 um 1,3 Prozent wachsen, 2026 sind es 1,2 Prozent.
Die deutschen Exporte erhalten von wichtigen Handelspartnern nur schwache Impulse, wozu neben den US-Zöllen auch beiträgt, dass der Euro erheblich gegenüber dem US-Dollar aufgewertet hat und dass in China gezielt Importe durch Produkte aus heimischer Herstellung ersetzt werden. Im Jahresdurchschnitt 2025 sinken die Ausfuhren um 1,2 Prozent. 2026 wachsen die Exporte zwar wieder, allerdings lediglich um 0,7 Prozent im Jahresmittel. Die Importe legen 2025 um durchschnittlich 2,8 Prozent zu. 2026 steigen die Einfuhren mit der anziehenden Konjunktur in Deutschland um 3,6 Prozent. Dementsprechend ist der Beitrag des Außenhandels zum Wirtschaftswachstum in beiden Jahren deutlich negativ. Der Saldo der deutschen Leistungsbilanz wird im Prognosezeitraumspürbar sinken. Gleichwohl verzeichnet Deutschland weiterhin einen Außenhandelsüberschuss – 4 Prozent 2025 und 2,8 Prozent 2026.
– Investitionen –
Die Ausrüstungsinvestitionen nehmen ab Jahresmitte laut IMK-Prognose wieder Fahrt auf, im Jahresdurchschnitt 2025 schlägt sich das aber noch nicht nieder: Hier nehmen die Investitionen sogar um 1,6 Prozent ab. Ab der zweiten Jahreshälfte zeigen die vermehrten staatlichen Investitionen und die Investitionsförderung aber erste Wirkung, hinzu kommen Ausgaben für militärische Waffensysteme. 2026 zieht das Tempo dann stark an, im Jahresdurchschnitt legen die Ausrüstungsinvestitionen um 5,8 Prozent zu. Die Bauinvestitionen schwenken, auch in Folge steigender Infrastrukturinvestitionen, ebenfalls auf einen Erholungskurs ein, der sich allerdings auch erst 2026 deutlicher in der Statistik zeigt: Nach einem Rückgang um 1,1 Prozent im Jahresdurchschnitt 2025 legen die Bauinvestitionen im kommenden Jahr um durchschnittlich 4,1 Prozent zu.
– Privater und öffentlicher Konsum –
Beim privaten Konsum schwindet die Zurückhaltung, die 2024 trotz steigender Realeinkommen geprägt hatte. Für dieses Jahr erwartet das IMK bei weiter zunehmenden Einkommen, noch einmal sinkender Inflation und seit Jahresbeginn zurückgehender Sparquote einen realen Zuwachs der privaten Konsumausgaben um 1,2 Prozent im Jahresdurchschnitt. 2026 ziehen die Ausgaben der Privathaushalte dann noch einmal stärker an – um real 1,6 Prozent im Jahresmittel. Zusammen mit einem um 2,1 bzw. 2,3 Prozent wachsenden Staatskonsum und einer dynamischen Investitionstätigkeit sorgt die private Nachfrage dafür, dass die Inlandsnachfrage 2025 und vor allem 2026 das Rückgrat der wirtschaftlichen Entwicklung bildet.
– Inflation und öffentliche Finanzen –
Für 2025 prognostiziert das IMK eine durchschnittliche Teuerungsrate von 2,0 Prozent im Jahresmittel. Damit liegt die Teuerung genau beim EZB-Inflationsziel. 2026 erwarten die Ökonom*innen mit 1,8 Prozent einen Wert etwas unterhalb der Zielmarke.
Das IMK rechnet damit, dass die Steuereinnahmen 2025 moderat und die Beitragseinnahmen der Sozialversicherungen nach den Beitragssatzanhebungen zu Jahresbeginn kräftig steigen. Unter dem Strich wachsen die öffentlichen Einnahmen in diesem Jahr etwas stärker als die Ausgaben – auch, weil die öffentlichen Investitionen erst zum Jahresende spürbar ausgeweitet werden. Das gesamtstaatliche Defizit gemessen am BIP wird daher auf 2,3 Prozent zurückgehen nach 2,7 Prozent 2024.
Im kommenden Jahr gibt der Staat spürbar mehr Geld für Investitionen und Verteidigung aus, während der Ausgleich der kalten Progression bei der Einkommensteuer, die Sonderabschreibungen für Unternehmensinvestitionen und die Anhebung der Pendlerpauschale die Einnahmeentwicklung dämpfen. Das sind die wesentlichen Gründe dafür, dass das Defizit 2026 auf 3,2 Prozent im Jahresdurchschnitt steigt. Damit liegt es etwas über der Maastricht-Grenze von 3 Prozent. Die Forschenden gehen aber nicht davon aus, dass die EU-Kommission deswegen ein Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits einleitet. Denn Verteidigungsausnahmen sind nun in erheblichem Umfang von den europäischen Schuldenbremsen ausgenommen.
Kontakt in der Hans-Böckler-Stiftung
Prof. Dr. Sebastian Dullien
Wissenschaftlicher Direktor IMK
Tel.: 0211-7778-331
E-Mail: Sebastian-Dullien@boeckler.de
Prof. Dr. Christian Breuer
IMK-Konjunkturexperte
Tel.: 0170 5743934
E-Mail: Christian-Breuer@boeckler.de
Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Tel.: 0211-7778-150
E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de
https://www.imk-boeckler.de/de/faust-detail.htm?produkt=HBS-009237 - *Christian Breuer, Sebastian Dullien, Alexander Herzog-Stein, Katja Rietzler, Sabine Stephan, Thomas Theobald, Silke Tober, Sebastian Watzka: Inlandsnachfrage trägt Konjunktur – Fiskalpolitik kompensiert Exportflaute. Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung 2025/2026. IMK Report Nr. 197, September 2025.
https://www.boeckler.de/data/pm_imk_2025_09_25.pdf - Die PM mit Tabelle (pdf)
https://www.boeckler.de/pdf/imk_podcast_report_197.mp3 - Kernergebnisse der Prognose im Audio-Statement von Konjunkturforscher Prof Dr. Christian Breuer.
Criteria of this press release:
Journalists
Economics / business administration, Politics, Social studies
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Research results
German
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).