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09/25/2025 11:57

Erfolgreiche Auswilderung von Kulanen ist ein Meilenstein für Wiederherstellung des Steppenökosystems in Kasachstan

Jan Zwilling Wissenschaftskommunikation
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V.

    Ein internationales Konsortium aus Forschungs- und Naturschutzorganisationen entließ im August 2025 eine Gruppe von Kulanen – stark gefährdeten asiatischen Wildeseln – aus dem Wiederansiedlungszentrum „Alibi“ in die weiten Landschaften des Altyn-Dala-Reservats in Kasachstan. Die Wildesel verbachten zuvor ein Jahr in einem Akklimatisierungsgehege und tragen nun zur Renaturierung und zum Erhalt wertvoller Steppen-Ökosysteme bei. Mehrere Kulane tragen GPS-Halsbänder und solarbetriebene GPS-Ohrmarken, die Einblicke in ihre Bewegungen in der Steppe liefern.

    Kulane (Equus hemionus kulan) durchstreiften einst in großer Zahl die Torgai-Steppe in Kasachstan, eine weitläufige Landschaft im Herzen der zentralasiatischen Graslandökosysteme. Unter menschlichem Einfluss verschwanden die charismatischen Säugetiere vor mehr als einem Jahrhundert aus diesem Gebiet. Seit 2017 arbeitet die Altyn Dala Conservation Initiative in einem internationalen Konsortium aus Wissenschafts- und Naturschutzorganisationen daran, diese stark bedrohte Schlüsseltierart aus anderen Teilen Kasachstans, wo sie heute in geringer Zahl wieder vorkommt, zurückzubringen. Durch jährliche Umsiedlungen innerhalb Kasachstans wurde nach und nach eine Kulan-Population zur Wiederansiedlung in der Torgai-Steppe aufgebaut. Örtliche Ranger dokumentieren seit einigen Jahren wiederholt Fohlengeburten – ein klares Zeichen für die Anpassungsfähigkeit der Kulane und für das Potenzial für eine langfristige Erholung des Bestandes.
    Das Altyn-Dala-Reservat in der Region Kostanay wurde aufgrund seines ausgedehnten, unbewohnten Steppenlebensraums und seiner bestehenden Naturschutzinfrastruktur für die Wiederansiedlung ausgewählt. Es eignet sich ideal für die Wiederherstellung der einheimischen Fauna Zentralkasachstans.

    Ein Jahr im Wiederansiedlungszentrum

    Nach der Umsiedlung im vergangenen Jahr verbrachten die Kulane ein volles Jahr unter ständiger fachkundiger Betreuung im Wiederansiedlungszentrum „Alibi“ und passten sich in dieser Zeit gut an ihre neue Umgebung an. Sie bildeten eine enge Gruppe ohne aggressives Verhalten oder soziale Probleme, was für diese Tierart nicht selbstverständlich ist. Beobachtungen im Winter zeigten, dass sie natürliches Grasen gegenüber Heu bevorzugten und mit ihren Hufen den Schnee durchwühlten, um an das Gras zu gelangen. Bei starkem Schneefall waren jedoch zusätzliche Fütterungen und gelegentliche tierärztliche Eingriffe erforderlich. Diese erfolgreiche Akklimatisierungsphase im neuen Lebensraum stellte sicher, dass die Tiere bei guter Gesundheit und gut vorbereitet für das Leben außerhalb des Geheges waren.

    Wenig Stress, viele Erkenntnisse: Neue Methoden und Technologien beim GPS-Tracking

    Um ein langfristiges Monitoring der Gruppe zu ermöglichen, wurden sechs Kulane mit Ortungsgeräten ausgestattet. Das Team setzte sowohl klassische GPS-Halsbänder als auch neue solarbetriebene Ohrmarken ein – diese Ohrmarken wurden zum ersten Mal bei Kulanen eingesetzt. Die Besenderungen begannen im April dieses Jahres, als drei Kulane mit einer neuen Methode im Akklimatisierungsgehege gefangen wurden. Normalerweise werden diese intelligenten, sensiblen und schnellen Wildesel von einem fahrenden Fahrzeug aus per Betäubungsgewehr immobilisiert. Um den Stress für die Tiere zu reduzieren, gingen das tierärztliche Team und die Ranger dieses Mal anders vor: Sie trainierten die Tiere mit strategisch platzierten Wasserstellen, um sie aus einer entspannten Situation heraus mit hoher Präzision und minimalem Stress von einem Versteck neben der Wasserstelle aus zu betäuben. Mit dieser neuen, bisher noch nie dokumentierten Methode gelang es, drei Jungtiere mit Ohrmarken und drei erwachsene Stuten sowohl mit GPS-Halsbändern als auch mit Ohrmarken zu versehen.

    „Kulane sind sehr wachsame und intelligente Tiere. Wir haben fast zwei Wochen lang versucht, sie tagsüber zu fangen, wenn sie zum Trinken kamen, aber sie bemerkten schnell, wenn etwas von ihrer gewohnten Routine abwich, hielten sich tagsüber von der Wasserstelle fern und kamen nur noch nachts zum Trinken, wie unsere Kamerafallen zeigten“, sagt Julia Bohner, Wildtierärztin vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW), die die veterinärmedizinischen Maßnahmen des Einsatzes leitete. „Deshalb änderten wir unsere Taktik, passten unser Verhalten an die Kulane an und arbeiteten ebenfalls nur noch nachts, als die Kulane keine Menschen an der Wasserstelle erwarteten. Zur Immobilisierung verwendeten wir ein Etorphin-freies Anästhesieprotokoll, das nur geringfügige Nebenwirkungen auf das Atmungssystem hat, eine weniger starke Fluchtreaktion auslöst und dadurch besonders gut für diese nächtlichen Fangaktionen geeignet ist. Diese Vorgehensweise ermöglichte es uns, die Tiere mit Hilfe von Nachtsichtgeräten innerhalb kurzer Zeit und meist in nicht allzu weiter Entfernung der Wasserstelle zu finden.“
    Das Einfangen der Kulane und das Anbringen der Sender unter diesen Bedingungen in der Dunkelheit der Steppe waren nur durch die bis in kleinste Detail abgestimmte Arbeit eines großen Teams möglich, in dem alle koordiniert Hand in Hand arbeiteten – Transport der Ausrüstung, Entnahme von Proben, Überwachung der Narkose, Anbringen der Halsbänder und zu guter Letzt das Markieren der Tiere. Dank der neuen Routine verliefen alle Narkosen reibungslos und die Vitalparameter während der Anästhesie waren ausgezeichnet. Während der Erholungsphase nach der Betäubung standen die Kulane ohne Schwierigkeiten, ruhig und entspannt wieder auf und konnten sich fast sofort wieder der Gruppe anschließen. Das Team war mit dem Ergebnis der Einsätze sehr zufrieden und ist zuversichtlich, diesen Ansatz auch in Zukunft anzuwenden.

    Die neu eingesetzten, leichten GPS-Ohrmarken sind so konzipiert, dass sie die Tiere möglichst wenig stören. Sie werden mit Solarbatterien betrieben, die eine Lebensdauer von bis zu fünf Jahren haben sollen. Vor der Freilassung wurden die Tiere drei Monate lang sorgfältig überwacht, um sicherzustellen, dass sie die Sender sie nicht beeinträchtigten.

    Kulane erkunden die Steppe

    Die Ortungsdaten zeigen bereits das charakteristische Wanderverhalten der Kulane: Einige Tiere zogen nach Nordwesten, um Seen und Feuchtgebiete zu erkunden, bevor sie auf dem gleichen Weg nach Süden zurückkehrten. Andere bewegen sich mit durchschnittlich 26 km pro Tag auf neu geschaffenen Pfaden nach Südosten. Diese Daten sind von großer Bedeutung – die Art und Weise, wie diese Tierart neue Gebiete erkundet und Territorien auswählt, wird das Vorkommen zukünftiger Generationen von Kulanen in der Steppe prägen.
    „Die Bewegungsdaten zeigen, dass sich verschiedene Kulan-Gruppen bereits in denselben Gebieten begegnen. Wir hoffen, dass sich diese GPS-Signale in Zukunft regelmäßig treffen und miteinander verflechten“, sagt Albert Salemgareyev, Leiter des Wild Ungulate Reintroduction Centre der Association for the Conservation of Biodiversity of Kazakhstan (ACBK). „Diese Kulane sind Pioniere einer zukünftigen Population und ebnen buchstäblich den Weg, dem andere folgen werden. Das riesige neue Gebiet kann anfangs verwirrend sein, und Kulane gedeihen am besten, wenn sie in Gruppen leben und sich in Gruppen fortbewegen.“ In den kommenden Jahren plant das Team, etwa 100 Kulane in die Region zu bringen. Mit mehr Tieren in der Steppe werden sie sich leichter finden, neue zusammenhängende Gruppen bilden und ihre Überlebenschancen verbessern, wodurch eine nachhaltige und florierende zukünftige Population entsteht.

    Pioniere einer zukünftigen Population und Erkenntnisse für zukünftige Umsiedlungen

    Die im August 2025 ausgewilderte Gruppe ist die erste, die eine über 50-stündige Umsiedlung auf dem Landweg vom Altyn-Emel-Nationalpark nach Zentralkasachstan durchlaufen hat. Frühere Gruppen wurden auf dem Luftweg transportiert – eine schnellere Methode, die jedoch die Anzahl der Tiere pro Transfer stark einschränkt. Die neue Transportmethode auf dem Landweg, wurde über fast ein Jahr hinweg entwickelt. Sie ermöglicht es, größere Gruppen sicher und effizient zu transportieren. Für den Transport nutzte das Team speziell angefertigte Transportcontainer, in denen die Tiere gefüttert, getränkt und per Video überwacht werden können, um ihr Wohlergehen während der 2.139 Kilometer langen Reise zu gewährleisten.
    Jede Umsiedlung und Auswilderung liefert wertvolle Erkenntnisse und Erfahrungen: Das Ziel des Teams ist es, alle Prozesse im Sinne der Tiere laufend zu optimieren. In diesem Jahr werden die Kulane nach ihrer Ankunft zunächst eine erste Akklimatisierungsphase in einem kleineren, 60 × 80 Meter großen Gehege verbringen. Hier können sie mit Futter und Wasser versorgt, genau beobachtet, bei Bedarf gegen Parasiten behandelt und mit Vitaminen zugefüttert werden. Diese Einrichtung gewährleistet eine schnelle Erholung nach der langen Reise, bevor sie in größere Akklimatisierungsgehege gebracht werden.
    „Die Rückkehr der Kulane und Wildpferde ist mehr als eine Wiederansiedlung – sie ist die Wiederbelebung des natürlichen Gefüges der Torgai-Steppe. Diese Arten sind der Schlüssel zur Wiederherstellung des Gleichgewichts dieses einzigartigen Ökosystems. Diese Leistung ist nur dank des Engagements und der Partnerschaft vieler Organisationen möglich, die sich gemeinsam für die Zukunft der wilden Landschaften Kasachstans einsetzen“, sagt Stephanie Ward, Programmleiterin Kasachstan bei der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF).

    Über die Partnerschaft

    Das Programm zur Wiederansiedlung der Kulane wird im Rahmen der Altyn Dala Conservation Initiative umgesetzt – einer Partnerschaft zwischen dem Forestry and Wildlife Committee des Ministry of Ecology, Geology and Natural Resources der Republik Kasachstan, der Association for the Conservation of Biodiversity of Kazakhstan (ACBK), der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF), der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) und Fauna & Flora. Die veterinärmedizinische Leitung der Einsätze liegt beim Leibniz-IZW, weitere Unterstützung erhält das Projekt vom Tiergarten Nürnberg und dem südafrikanischen Wildtiertransport-Spezialisten Conservation Solutions.


    Contact for scientific information:

    Julia Bohner [english, deutsch]
    Tierärztin
    Leibniz-Institute für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)
    Telefon: +49(0)30 5168445
    Email: bohner@izw-berlin.de

    Stephanie Ward [english]
    Programmleiterin Kasachstan
    Zoologische Gesellschaft Frankfurt von 1858 e.V. (ZGF)
    Telefon: +49 160 5430117
    Email: ward@zgf.de

    Anne Dohrmann [english, deutsch]
    Projektbeauftragte
    Zoologische Gesellschaft Frankfurt von 1858 e.V. (ZGF)
    Telefon: +49 (0) 69 94344632
    Email: anne.dohrmann@fzs.org


    Images

    Kulane werden in die Freiheit entlassen
    Kulane werden in die Freiheit entlassen
    Source: ADCI
    Copyright: Altyn Dala Conservation Initiative

    Besenderung eines Kulans in der Nacht in der kasachischen Steppe
    Besenderung eines Kulans in der Nacht in der kasachischen Steppe
    Source: Leibniz-IZW
    Copyright: Leibniz-IZW


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Environment / ecology, Zoology / agricultural and forest sciences
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research results
    German


     

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