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11/10/2025 10:07

Innovative Werkzeuge für sozialverträglichen Bergbau

Anne-Kristin Jentzsch Kommunikation und Medien
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

    Bergbau ist ein kontrovers diskutiertes Thema: Einerseits brauchen wir Rohstoffe wie Kupfer für die Transformation zu klimafreundlichen Technologien, andererseits werden Erkundung und Rohstoffabbau vor allem mit Umweltverschmutzung und Ausbeutung in Verbindung gebracht. Ein Team aus 18 europäischen Partnern koordiniert vom Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF) hat im EU-Projekt VECTOR Geowissenschaften mit Daten- und Sozialwissenschaften verknüpft. Das Ergebnis sind effiziente und störungsarme Erkundungsmethoden sowie auf den Menschen und die Umwelt ausgerichtete Lösungsansätze, die eine verantwortungsvolle Versorgung mit kritischen Rohstoffen in Europa ermöglichen.

    „In Europa muss ein Umdenken in Bezug auf Rohstoffabhängigkeiten stattfinden. Um diese zentrale Forderung des 2023 beschlossenen Critical Raw Materials Act der europäischen Union umzusetzen, müssen wir neue Wege und Strategien finden, um die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen in Europa abzusichern. Dafür ist die Förderung europäischer Rohstoffvorkommen von essentieller Bedeutung. Doch für regionalen Bergbau braucht es sowohl innovative Erkundungstechnologien als auch gesellschaftliche Akzeptanz. Deshalb ist nicht nur der geowissenschaftliche Blickwinkel von Bedeutung, wenn es um die Erschließung neuer Mineralvorkommen geht, sondern auch der sozialwissenschaftliche Aspekt“, sagt Projektkoordinator Dr. Richard Gloaguen vom HIF. Innerhalb der letzten drei Jahre haben 18 Partner aus sieben europäischen Ländern gemeinsam in diesem Spannungsfeld geforscht und mittels neuartiger Erkundungs- und Datenanalysemethoden sowie sozialwissenschaftlicher Studien, evidenzbasiertes Wissen und Werkzeuge entwickelt, die beide Aspekte der Rohstoffbeschaffung berücksichtigen. Die Ergebnisse sind auf einer frei zugänglichen Plattform bereitgestellt.

    Innovative Werkzeuge zur Einschätzung von Rohstoffpotentialen

    Zur Erkundung von Erzvorkommen entwickelte das VECTOR-Team eine Art Toolbox. Diese beinhaltet mehrere neuartige Technologien und Arbeitsabläufe, die es ermöglichen unterschiedlichste geowissenschaftliche Daten – zum Beispiel geophysikalische, geochemische oder hyperspektrale – eines Untersuchungsgebiets miteinander zu kombinieren und zu visualisieren, um dessen Rohstoffpotential besser einschätzen zu können. Zum Einsatz kamen dabei unter anderem neue passive Erkundungsmethoden wie die Magnetotellurik. Sie ermöglichen einen Blick in den Untergrund, ohne ihn zu stören. Statt künstlich erzeugte Signale in die Erde zu schicken, nutzt die Magnetotellurik natürliche elektromagnetische Felder, die ohnehin vorhanden sind. So werden geologische Strukturen und Materialeigenschaften bis in eine Tiefe von über einem Kilometer sichtbar – umweltschonend und effizient.

    Zur Bestätigung und Verfeinerung der Ergebnisse wurden durch das HIF bereits existierende Bohrkerne mit Hilfe hyperspektraler Bildgebung untersucht. Die Minerale im Gestein absorbieren oder reflektieren die Strahlung auf unterschiedliche Weise, sodass ein für die Minerale charakteristisches messbares Signal entsteht. Diese Technologie ermöglicht eine erste detaillierte Analyse der mineralogischen Zusammensetzung des Untergrundes direkt vor Ort. „Für die Bohrkernscans haben wir eine einzigartige Datenverarbeitungsroutine basierend auf maschinellem Lernen entwickelt, die eine Echtzeit-Auswertung und Visualisierung der Daten ermöglicht. Die mineralogische Analyse liegt bereits wenige Minuten nach der Datenerfassung vor. Der neue Workflow unterstützt dabei, Entscheidungen im Feld schneller und fundierter zu treffen. Gleichzeitig dienen die wertvollen Informationen der gezielten Probenauswahl. So können wir schnell, kostengünstig und minimalinvasiv das Maximum aus bereits existierenden Proben herausholen“, erläutert Richard Gloaguen.

    Die Zusammenführung und Visualisierung der geowissenschaftlichen Daten erfolgte in einem interaktiven dreidimensionalen Raum. Die Integration aller Daten in solch ein neuartiges, interaktives 3D-Modell ist einzigartig und hilft den Geolog*innen bei der Bewertung des Untergrundes und dient auch gesellschaftlichen Interessensgruppen als Hilfestellung. Es ermöglicht Echtzeit-Kollaboration für gemeinsame Besprechungen, dient als Wissensdatenbank und macht komplexe Sachverhalte verständlich, und greifbar. Dies schafft Transparenz, Vertrauen, Effizienz und Beteiligung. Validiert wurden diese und andere Methoden anhand von Daten unterschiedlicher Pilotstandorte wie den irischen Midlands, bekannt für Metalle wie Zink und Blei, sowie im deutschen Kupferschiefergebiet in der Lausitz. Die Herangehensweise ist jedoch auf Mineralvorkommen weltweit übertragbar.

    Kultureller Kontext als Schlüssel zum Verständnis

    Die Gewinnung von Rohstoffen wird heute nicht mehr allein als technologische Frage gesehen, sondern als gesellschaftliche Aufgabe, die stark von kulturellen Werten und Perspektiven geprägt ist. Deshalb gehen Länder oder Gesellschaften unterschiedlich mit Themen wie Energiewende, Bergbau, Technologieakzeptanz oder Umweltschutz um.

    Die Forschung des VECTOR-Teams zeigte, dass beispielsweise eine lange Bergbautradition die Wahrnehmung des Rohstoffbedarfs und die Einstellungen zum Bergbau deutlich beeinflussen – entscheidend ist jedoch die konkrete Erfahrung mit dem Bergbau. Zugleich gibt es auch andere Werte, die einen starken Einfluss auf die Meinungsbildung haben: Besteht in der Gesellschaft beispielweise eine stärkere Tendenz, die soziale und natürliche Umwelt aktiv zu gestalten – Fortschritt, Wettbewerb und Effizienz werden positiv bewertet –, kann dies die Meinung zur Rohstoffbeschaffung anders beeinflussen als eine anpassungsorientierte Haltung – Gleichgewicht, Nachhaltigkeit und Kooperation werden als wichtiger empfunden. Gesellschaften, die sich stärker an Anpassung orientieren, würden demnach technologische Eingriffe weitaus vorsichtiger betrachten als gestaltende Gesellschaften. Eine zentrale Rolle spielt zudem das Vertrauen in den Bergbausektor – insbesondere in dessen Integrität und gesellschaftliche Verantwortung.

    Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden Handlungsempfehlungen entwickelt, wie Industrie und Politik gesellschaftliche Werte besser in ihre Entscheidungsprozesse und Geschäftsmodelle integrieren können. Die für die Öffentlichkeit entwickelten Werkzeuge unterstützen den Diskurs über Rohstoffe in der breiten Gesellschaft. Dazu gehört zum Beispiel das mit 100 Freiwilligen durchgeführtes Live-Experiment „100 Perceptions: Raw Materials“, das im National History Museum London entstanden ist. „Das Ergebnis dieses Experiments zeigt deutlich, dass die Diskussion über Rohstoffe selten schwarz oder weiß ist. Zwischen den Extremen liegen viele Grautöne – von verantwortungsvollem Abbau über faire Lieferketten bis hin zu nachhaltigem Konsum. Entscheidend ist, die Zusammenhänge zu verstehen und informierte Entscheidungen zu treffen“, erklärt Projektmanagerin Tina Pereira vom HIF.

    Das VECTOR-Team stellt die Projektergebnisse und entwickelten Werkzeuge weitgehend frei auf seiner Webplattform zur Verfügung und unterstützt damit die Entscheidungsfindung aller relevanten Interessensgruppen. Die beteiligten Unternehmen nutzen die Technologien, um ihr Portfolio zu erweitern und Innovationen im Rohstoffsektor aktiv voranzutreiben – zum Nutzen von Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft.

    Über das Projekt VECTOR

    Das Projekt „VECTOR – Vectors to accessible critical raw material resources in sedimentary basins“ (Vektoren für zugängliche kritische Rohstoffvorkommen in Sedimentbecken) erhielt 7,5 Millionen Euro Förderung vom Forschungs- und Innovationsprogramm „Horizont Europa“ der Europäischen Union (Förder-Nr. 101058483) sowie dem UK Research and Innovation Programm bei einer Laufzeit von drei Jahren. Projektleiter war das Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. Zu den Forschungspartnern gehörten das Deutsche Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ), das University College in Dublin gemeinsam mit dem Forschungszentrum für Angewandte Geowissenschaften iCrag, das Natural History Museum London, das Foundation Institute for the Study of Change, EIT Raw Materials, Terranigma Solutions, Terranta, Satarla, Asistencias Tecnicas Clave, Sazani Associates, SRK Exploration Services, Consejo Superior de Investigaciones Científicas CSIC, Teck Ireland, Kupferschiefer Lausitz KSL, Group Eleven, Boliden und Rio Tinto Sava. https://vectorproject.eu/


    Contact for scientific information:

    Dr. Richard Gloaguen | Abteilung Erkundung | Projektkoordinator
    Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie am HZDR
    Tel.: +49 351 260 4424 | E-Mail: r.gloaguen@hzdr.de


    Original publication:

    https://www.hzdr.de/presse/vector-results


    More information:

    https://Maximising the value of hyperspectral drill core scanning through real-time processing and analysis (DOI: https://doi.org/10.3389/feart.2024.1433662)
    https://Multiphysics property prediction from hyperspectral drill core data (DOI: https://doi.org/10.5194/se-16-351-2025)
    https://TensorWeave 1.0: Interpolating geophysical tensor fields with spatial neural networks (DOI: https://doi.org/10.5194/egusphere-2025-2345)


    Images

    Mithilfe von LiquidEarth, einer Software für die interaktive Visualisierung integrierter geowissenschaftlicher Daten – von Strukturmodellen und Bohrungen bis zu Satellitenbildern -, kann das Kupferschiefergebiet in der Lausitz abgebildet werden.
    Mithilfe von LiquidEarth, einer Software für die interaktive Visualisierung integrierter geowissensc ...

    Copyright: Terranigma

    Transportabler Scanner für Bohrkerne, die in Kisten liegend mit Hilfe hyperspektrale Bildgebung analysiert werden.
    Transportabler Scanner für Bohrkerne, die in Kisten liegend mit Hilfe hyperspektrale Bildgebung anal ...
    Source: Anne-Kristin Jentzsch
    Copyright: HZDR/Anne-Kristin Jentzsch


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
    Environment / ecology, Geosciences, Social studies
    transregional, national
    Research results
    German


     

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