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Wissenschaft
Durch den Klimawandel und die damit verbundenen steigenden Temperaturen tauen immer mehr gefrorene Böden in der Arktis. Dabei löst sich Material, das große Mengen organischen Kohlenstoff enthält, der in den zentralen Arktischen Ozean abfließt. In einer neuen Studie haben Forschende unter der Leitung des AWI quantifiziert, wie viele organische Stoffe von Land sich im Arktischen Ozean ansammeln. Anhand von chemischen Fingerabdrücken konnten sie beurteilen, wie viel zusätzliches CO2 diese an den Ozean abgeben. Diese Erkenntnisse sind eine wichtige Grundlage, um zu prognostizieren, wie diese Einträge die marinen Ökosysteme der Arktis und die Fähigkeit des Ozeans, CO2 zu speichern, beeinflussen.
Wenn Permafrost in der Arktis auftaut, werden sehr alte, organische Stoffe aus Pflanzen, Mikroorganismen oder Tieren freigesetzt. Diese Stoffe enthalten Kohlenstoff, der seit Hunderten oder Tausenden von Jahren im Boden gefroren war. Flüsse transportieren dieses Material in den Arktischen Ozean, wo es zu „gelöstem organischem Material (DOM, dissolved organic matter)” wird. „Dieses Material bildet ein großes Reservoir an organischem Kohlenstoff im Ozean, dessen Volumen mit der Menge an atmosphärischem CO₂ vergleichbar ist“, sagt Dr. Xianyu Kong, Wissenschaftlerin am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und Erstautorin der Studie. „Im Vergleich zu den meisten anderen Ozeanen, fließt mehr Süßwasser und eine unverhältnismäßig große Menge an terrestrischen organischen Stoffen in den Arktischen Ozean. Diese stammen aus Einträgen von tauendem Permafrost, einmündenden Flüssen und Küstenerosion.“
Zusammen mit deutschen, norwegischen und dänischen Kollegen hat die AWI-Wissenschaftlerin nun die Menge an organischem Kohlenstoff quantifiziert, die sich im zentralen Arktischen Ozean angesammelt hat. „Unsere Studie zeigt, dass etwa 16 Prozent des gesamten gelösten organischen Kohlenstoffs terrestrischen Ursprungs ist. Dieser verbleibt sogar im tiefen Ozean, wo wir überraschenderweise eine durchweg hohe Menge festgestellt haben“, sagt Xianyu Kong. „Dies legt die Vermutung nahe, dass ein Teil der organischen Stoffe von Land chemisch stabil genug ist, um einen langen Transport zu überstehen und schließlich vom zentralen Arktischen Ozean in das nordatlantische Tiefenwasser zu gelangen. Dadurch werden arktische Prozesse mit dem globalen Kohlenstoffkreislauf verbunden.“
Auch an der Wasseroberfläche wird der Kohlenstoff von Land transportiert: Die sogenannte Transpolardrift ist eine Oberflächenströmung, die Süßwasser, Meereis sowie Nährstoffe über das Polarmeer Richtung Nordatlantik transportiert. In der Transpolardrift war der Gehalt an gelöstem organischem Kohlenstoff aus terrestrischen Quellen etwa doppelt so hoch, wie in benachbarten Regionen. Daraus schätzten die Forschenden ab, dass jährlich rund 39 Millionen Tonnen terrestrischer Kohlenstoff aus der Arktis in den Atlantik transportiert werden.
Karte zeigt gelösten organischen Kohlenstoff vom Land im Arktischen Ozean
DOM aus terrestrischen Quellen beeinflusst den organischen Kohlenstoffkreislauf im Arktischen Ozean, weil es die Verfügbarkeit von Licht und Nährstoffen ebenso wie mikrobielle Prozesse verändert. „Frühere Studien zeigen, dass die Konzentration von gelöstem organischem Kohlenstoff in Süßwasserumgebungen als Reaktion auf den Klimawandel zunimmt“, sagt Prof. Boris Koch, Mitautor der Studie und chemischer Ozeanograph am AWI. „Für den Arktischen Ozean liegen jedoch keine Daten zu ähnlichen Trends vor, was teilweise auf das Fehlen von geeigneten Messmethoden zurückzuführen ist.“ Mit ihren Ergebnissen schließen die AWI-Forscher eine Wissenslücke im Verständnis darüber, wie viel Kohlenstoff vom Land in den Arktischen Ozean gelangt, wie dieser verteilt ist und wie er sich im Ozean verändert. „Im Zuge der zunehmenden Erwärmung der Arktis werden immer mehr terrestrische organische Stoffe ihren Weg in den Arktischen Ozean finden, was den Kohlenstoffkreislauf und weitere biogeochemische Prozesse verändern könnte“, sagt Xianyu Kong. Bisherige Klimamodelle bilden diese Erkenntnisse noch nicht ab. „Unsere Ergebnisse sind eine wichtige Grundlage für zukünftige Vorhersagen, wie sich terrestrische Einträge auf die marinen Ökosysteme der Arktis und ihre Rolle bei der globalen Kohlenstoffspeicherung und dem CO₂-Austausch auswirken könnten.“
Für die Studie entwickelten die Forschenden in Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) über mehrere Jahre einen neuen, analytischen Ansatz, um Meerwasserproben aus dem zentralen Arktischen Ozean zu untersuchen, die sie während der MOSAiC-Expedition in den Jahren 2019/2020 gesammelt hatten. Zur Messung der organischen Verbindungen in den Proben verwendeten sie die ultrahochauflösende Fourier-Transformation-Massenspektrometrie (FT-ICR MS). „Dank dieser Methode konnten wir die Elementarzusammensetzung von Tausenden organischen Molekülen im Meerwasser identifizieren und quantifizieren. Damit konnten wir unterscheiden, ob sie aus dem Ozean, dem Meereseis oder aus terrestrischen Quellen stammen“, erklärt Xianyu Kong. „Wir konnten nicht nur die Konzentration des terrestrischen Kohlenstoffs quantifizieren, sondern auch abschätzen, wie weit der Abbau des organischen Materials bereits fortgeschritten ist.“ Mit Hilfe dieser Methode gelang es den Forschenden, auch die erste tiefenaufgelöste Karte des gelösten terrestrischen organischen Kohlenstoffs im Arktischen Ozean zu erstellen.
Prof. Boris Koch
+49 (0)471 4831-1346
boris.koch@awi.de
Kong, X., Lechtenfeld, O.J., Kaesler, J.M. et al. Major terrestrial contribution to the dissolved organic carbon budget in the Arctic Ocean. Nat. Geosci. (2025). https://doi.org/10.1038/s41561-025-01847-5
https://www.awi.de/ueber-uns/service/presse.html
Dauertau-Gebiet "Slump D" auf Herschel Island, Yukon, Kanada
Source: Jaroslav Obu
Copyright: Alfred-Wegener-Institut/Jaroslav Obu
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
Environment / ecology, Geosciences, Oceanology / climate
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German

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