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Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz waren maßgeblich an der Datenanalyse beteiligt. Die ersten Daten zeigen, dass wichtige Kenngrößen des Detektors die Erwartungen vollständig erfüllen oder sogar übertreffen und JUNO für bahnbrechende Messungen in der Neutrinophysik bereit ist.
Auf einer Pressekonferenz in der chinesischen Stadt Jiangmen hat das Institut für Hochenergiephysik (IHEP) der Chinesischen Akademie der Wissenschaften heute die erfolgreiche Fertigstellung des „Jiangmen Underground Neutrino Observatory“ (JUNO) sowie die Veröffentlichung der ersten physikalischen Ergebnisse bekannt gegeben. Nach mehr als zehn Jahren Planung, Bau und internationaler Zusammenarbeit ist JUNO nun der weltweit erste große, hochpräzise Neutrino-Detektor der nächsten Generation, der seinen Betrieb aufgenommen hat.
Die ersten Daten zeigen, dass wichtige Kenngrößen des Detektors die Erwartungen vollständig erfüllen oder sogar übertreffen und JUNO für bahnbrechende Messungen in der Neutrinophysik bereit ist. Ein ausführlicher Artikel, der die Leistungsfähigkeit des Detektors beschreibt, wurde bei der Fachzeitschrift Chinese Physics C eingereicht und am 18. November auf dem Preprint-Server arXiv veröffentlicht. Prof. Wen Liangjian, Koordinator für Physikanalysen der JUNO-Kollaboration, hat auf der Pressekonferenz die ersten physikalischen Ergebnisse des Experiments vorgestellt.
Mit den Daten, die zwischen dem 26. August und dem 2. November 2025 aufgenommen wurden – nach nur 59 Tagen effektiver Datennahme nach Inbetriebnahme –, hat JUNO bereits die beiden sogenannten Sonnenneutrino-Oszillationsparameter mit einer 1,6-fach besseren Genauigkeit gemessen als alle bisherigen Experimente zusammen.
Diese Parameter, die ursprünglich mit Neutrinos von der Sonne bestimmt wurden, können auch mit Antineutrinos aus Kernreaktoren präzise gemessen werden. Vergleicht man bisherige Ergebnisse der beiden Methoden, zeigt sich eine leichte Abweichung auf dem Niveau von 1,5 Sigma, die manchmal als Sonnenneutrino-Spannung bezeichnet wird und auf mögliche neue Physik hindeuten könnte. Die neue JUNO-Messung bestätigt diesen Unterschied, der nur durch das JUNO-Experiment unter Verwendung von Sonnen- und Reaktorneutrinos bewiesen oder widerlegt werden kann. Ein ausführlicher Artikel über diese Ergebnisse wurde zur Veröffentlichung eingereicht und am 18. November auf dem Preprint-Server arXiv veröffentlicht.
„Dass wir diese Präzision bereits nach nur zwei Monaten Betrieb erreicht haben, zeigt, dass JUNO genau wie vorgesehen funktioniert“, sagt Yifang Wang, Projektleiter und Sprecher von JUNO. „Mit dieser Genauigkeit wird JUNO bald die Neutrino-Massenordnung bestimmen, das Drei-Flavour-Oszillationsmodell testen und nach neuer Physik jenseits dieses Modells suchen können.”
JUNO ist eine internationale Kollaboration, die vom Institut für Hochenergiephysik (IHEP) der Chinesischen Akademie der Wissenschaften geleitet wird. An dem Projekt sind mehr als 700 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 74 Institutionen in 17 Ländern und Regionen beteiligt. „Als Vorsitzender des JUNO-Institutional Board bin ich stolz darauf, dass diese globale Anstrengung einen solchen Meilenstein erreicht hat”, sagt Marcos Dracos von der Universität Straßburg und dem CNRS/IN2P3 in Frankreich. „Der Erfolg von JUNO spiegelt das Engagement und die Kreativität unserer gesamten internationalen Gemeinschaft wider.”
„Das heute bekannt gegebene wissenschaftliche Ergebnis zeugt davon, wie fruchtbar die Bemühungen der JUNO-Kollaboration in den letzten zehn Jahren waren, einen hochmodernen Detektor zu entwickeln, der viele innovative technische Lösungen umfasst, in den nächsten Jahren die Neutrinoforschung prägen und Ergebnisse von höchster Präzision liefern wird. Viele Faktoren haben zu diesem Erfolg beigetragen, darunter war die Zusammenführung von Erfahrung und Expertise in Flüssigszintillations-Detektoren und den damit verbundenen Analysetechniken – zusammengetragen von Gruppen aus aller Welt – sicherlich entscheidend, um die beispiellose Leistungsfähigkeit von JUNO zu erreichen”, fügt Gioacchino Ranucci von der Universität Mailand sowie vom INFN Mailand, Italien, und stellvertretender Sprecher von JUNO, hinzu.
Das Konzept von JUNO wurde 2008 vorgeschlagen, 2013 von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und der Provinzregierung von Guangdong genehmigt und finanziert, ergänzt 2014 durch die Zusage internationaler Beiträge. Der Bau des unterirdischen Labors startete 2015, die Installation des Detektors begann 2021 und wurde im Dezember 2024 abgeschlossen. Nachdem der Detektor mit ultrareinem Wasser und 20.000 Tonnen flüssigem Szintillator gefüllt wurde, zeichnet JUNO seit dem 26. August 2025 Physikdaten auf.
Viele Jahre zielgerichteter Entwicklungsarbeit haben eine Reihe entscheidender technologischer Fortschritte hervorgebracht. Dazu zählen hocheffiziente Photomultiplier, ein außergewöhnlich transparenter Flüssigszintillator, besonders strahlungsarme Materialien sowie hochpräzise Systeme zur Kalibrierung des Detektors. Das Herzstück des Experiments ist eine 35,4 Meter große Acrylkugel, die 20.000 Tonnen Flüssigszintillator enthält. Über 20.000 große und weitere 25.000 kleine Photomultiplier umschließen das Innere des Detektors. Der Detektor ist in einem 44 Meter tiefen Wasserbecken installiert, das nicht nur als Abschirmung dient, sondern auch die Identifikation von Myonen ermöglicht.
Mit der bislang unerreichten Sensitivität des Detektors wird JUNO die Reihenfolge der Neutrinomassen bestimmen und Oszillationsparameter mit einer Genauigkeit von besser als einem Prozent messen. Darüber hinaus wird es Sonnen-, Atmosphären-, Supernova- und Geoneutrinos untersuchen und kann nach Physik jenseits des Standardmodells suchen. JUNO ist für eine Betriebsdauer von etwa 30 Jahren ausgelegt und kann zu einem der weltweit empfindlichsten Detektoren für neutrinolosen Doppelbetazerfall aufgerüstet werden, um die absolute Neutrinomasse zu ermitteln und zu testen, ob Neutrinos Majorana-Teilchen sind.
„JUNO wird auch in den kommenden Jahrzehnten wichtige Ergebnisse liefern und neue Generationen von Physikern ausbilden“, sagt Jun Cao, Direktor des IHEP und stellvertretender Sprecher von JUNO.
Mehrere deutsche Forschungsgruppen sind Teil der Kollaboration
Die deutsche Beteiligung an JUNO wird von Gruppen der Universität Hamburg, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der Universität Tübingen, der RWTH Aachen, der Technischen Universität München und des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung getragen.
An dieser höchst internationalen Zusammenarbeit waren Forscher des Exzellenzclusters PRISMA+ der JGU aktiv an der neuesten Datenanalyse beteiligt. Zu diesen Gruppen gehören das Team von Prof. Dr. Dr. Livia Ludhova, die auch Mitglied des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung in Darmstadt ist, sowie das Team von Prof. Dr. Michael Wurm.
„Unser Team ist stolz darauf, seinen Teil zur Gründung von JUNO beigetragen zu haben”, sagt Wurm. „Das Experiment ist so angelegt, dass wir bestmögliche Erkenntnisse über den Neutrinofluss an den Quellen – also den Kernreaktoren –, die Oszillationsbasislinie und die Energie der Neutrinos gewinnen können. Dies ermöglicht eine weltweit rekordverdächtige Präzision bei der Untersuchung des Oszillationsmusters. Die ersten Ergebnisse von JUNO zeigen, was die Zusammenarbeit leisten kann – und sie ebnen den Weg für Entdeckungen, die die Neutrinophysik in den kommenden Jahren prägen werden.”
„Die Konstruktion des Detektors zu verfolgen und die ersten Daten zu sehen, war eine außergewöhnliche Erfahrung, die sowohl unsere wissenschaftliche Faszination als auch unsere Herzen beflügelt hat“, sagt Ludhova, Mitglied des JUNO-Executive-Boards und Leiterin einer der Analysegruppen. „Das Engagement, die Kreativität und die Beharrlichkeit, die sowohl erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als auch junge Forschende aus aller Welt durch anspruchsvolle Analysearbeit, lange Arbeitszeiten und unerschütterliche Begeisterung gezeigt haben, waren der Schlüssel zu diesem Erfolg.”
Die JUNO-Forschung in Deutschland wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft durch die DFG-Forschungsgruppe FOR 5519 und durch Mittel aus der Rekrutierungsinitiative der Helmholtz-Gemeinschaft gefördert.
Prof. Dr. Dr. Livia Ludhova
GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH
Institut für Physik / Exzellenzcluster PRISMA+
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Staudingerweg 7
55128 Mainz
Prof. Dr. Michael Wurm
Institut für Physik / Exzellenzcluster PRISMA+
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Staudingerweg 7
55128 Mainz
The JUNO Collaboration, Initial performance results of the JUNO detector, arXiv: 2511.14590 [hep-ex], 18. November 2025
DOI: https://doi.org/10.48550/arXiv.2511.14590
https://prisma.uni-mainz.de/outreach/pressemitteilungen/das-juno-experiment-lief...
Der zentrale Detektor von JUNO (oben im Bild) ist mit Szintillationsflüssigkeit gefüllt und von Phot ...
Source: Yuexiang Liu
Copyright: JUNO-Kollaboration
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Physics / astronomy
transregional, national
Cooperation agreements, Research projects
German

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