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11/25/2025 10:54

Mutterschaft geht mit erheblichen Nachteilen bei Alterssicherung und Vermögen einher – trotz Mütterrente

Hannah Fischer Dezernat Kommunikation
Otto-Friedrich-Universität Bamberg

    Studie vergleicht Renten- und Vermögensverläufe von Frauen in Ost- und Westdeutschland über mehrere Geburtsjahrgänge hinweg

    Während in Berlin um das neue Rentenpaket – einschließlich der Mütterrente – gerungen wird, liefert eine aktuelle Studie der Otto-Friedrich-Universität Bamberg neue empirische Befunde zur Altersabsicherung von Müttern in Deutschland. Der in Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik veröffentlichte Artikel von Prof. Dr. Katja Möhring und Clara Overweg vom Lehrstuhl für Soziologie, insbesondere Familie und Arbeit, sowie Dr. Andreas P. Weiland vom Lehrstuhl für Lebensverlaufssoziologie an der TU Dortmund zeigt: Mutterschaft führt in Westdeutschland zu erheblichen Nachteilen bei Rentenansprüchen und Vermögensaufbau – in Ostdeutschland dagegen fallen die Unterschiede geringer aus. Neu an der Untersuchung ist, dass sie Rentenansprüche und Vermögen erstmals gemeinsam über den gesamten Lebensverlauf vergleicht und dabei auch Unterschiede nach Kinderzahl sowie zwischen Ost und West detailliert herausarbeitet.

    „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Reformen nicht an den Lebensrealitäten vorbeigehen dürfen – besonders nicht an den strukturellen Benachteiligungen von Müttern“, betont Katja Möhring, Professorin für Soziologie, insbesondere Familie und Arbeit, der Universität Bamberg. „Vor allem in Westdeutschland gibt es eine anhaltende Renten- und Vermögenslücke, die weder Kindererziehungszeiten noch private Vorsorgeinstrumente vollständig schließen.“

    Die Studie „The Motherhood Penalty in Financial Resources for Retirement: A Life Course Perspective on the Accumulation of Public Pension Wealth and Personal Wealth in East and West Germany“ basiert auf dem Datensatz SOEP-RV, der Haushaltsbefragungen mit Rentendaten der Deutschen Rentenversicherung kombiniert. Untersucht wurden Frauen der Geburtsjahrgänge 1937 bis 1989 in Ost- und Westdeutschland.

    Gesetzliche Rente: Unterschiedliche Entwicklungen der Ansprüche in Ost- und Westdeutschland

    In Westdeutschland führt Mutterschaft zu einem deutlichen Rückstand bei den gesetzlichen Rentenansprüchen. Selbst nach der rentenrechtlichen Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten – wie der sogenannten Mütterrente – besteht im Durchschnitt über 150.000 Euro weniger Rentenvermögen im Vergleich zu kinderlosen Frauen. Als Rentenvermögen definiert wird dabei die Summe des Renteneinkommens über die voraussichtliche geschlechter- und kohortenspezifische Lebenserwartung hinweg. In Ostdeutschland kommen Mütter aufgrund traditionell hoher Erwerbsbeteiligung deutlich näher an kinderlose Frauen heran. Bis zum Rentenalter gleichen sich die Ansprüche in Ostdeutschland nahezu an. Andreas P. Weiland erläutert: „Die ostdeutschen Erwerbsverläufe zeigen, dass kontinuierliche Erwerbsbeteiligung langfristig mit geringeren Unterschieden bei den Rentenansprüchen einhergeht.“

    Vermögen: Deutliche Motherhood Penalty im Westen

    Das Vermögensniveau ist in Westdeutschland generell höher – doch insbesondere hier ist die sogenannte Motherhood Penalty, eine in der Forschung etablierte Bezeichnung für finanzielle Nachteile von Müttern, besonders ausgeprägt: Kinderlose Frauen erreichen im Alter durchschnittlich ein fast zehnmal so hohes individuelles Vermögen wie Mütter. In Ostdeutschland ist die Vermögenslücke geringer; sie betrifft vor allem Mütter mit zwei oder mehr Kindern.

    Mehr Kinder – höheres Risiko

    In beiden Landesteilen zeigen sich starke Nachteile für Mütter mit zwei oder mehr Kindern, die sowohl beim Vermögen als auch bei Rentenansprüchen am meisten zurückfallen. Clara Overweg sagt: „Unsere Analysen zeigen, dass Unterschiede in den Erwerbsverläufen entscheidend dafür sind, wie sich Renten- und Vermögenswerte entwickeln. Besonders bei Frauen mit mehreren Kindern wirken sich längere oder häufigere Erwerbsunterbrechungen deutlich aus.“

    Strukturelle Hebel für mehr Gleichberechtigung und stabile Renten

    Die Forschenden betonen, dass eine zukunftsorientierte, fiskal nachhaltige und geschlechtergerechte Rentenpolitik vor allem durch Reformen in der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik gestaltet werden kann. Entscheidend sei dabei die Förderung einer gleichberechtigteren Beteiligung von Frauen und Männern an der (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit – etwa durch Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch auf betrieblicher Ebene bestehe Potenzial für unterstützende Ansätze, beispielsweise durch flexible Arbeitszeitmodelle. Im Gegensatz dazu begünstigten bestehende Regelungen wie das Ehegattensplitting weiterhin, dass insbesondere Mütter häufiger geringfügig oder in Teilzeit beschäftigt sind. Zudem könnten Instrumente wie die Elternzeitregelung genutzt werden, um Väter stärker in Sorgearbeit einzubinden, so die Forschenden. Solche Maßnahmen ließen sich umsetzen, ohne zusätzlichen Druck auf die Finanzierung der gesetzlichen Renten auszuüben – zugleich könnten sie wichtige Weichen für eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung stellen und angesichts des Fachkräftemangels sowie des demografischen Wandels positive Impulse für den Wirtschaftsstandort Deutschland setzen.

    Die Studie ist Teil des Forschungsprojekts „Lebenslauf, Vermögen und Alterseinkommen in Ost- und Westdeutschland: Ein Kohorten- und Geschlechtervergleich“, gefördert vom Forschungsnetzwerk Alterssicherung (FNA) der Deutschen Rentenversicherung. Das Projekt untersucht systematisch die Erwerbsverläufe von Frauen und Männern in Ost und West, ihre Altersvorsorgewege und Rentenanwartschaften sowie deren Zusammenhang mit Vermögen über alle Kohorten hinweg. Durch die Kombination von Renten- und Befragungsdaten ermöglicht das Projekt, Erwerbsbiografien, Vermögensbildung und Alterssicherung über den gesamten Lebenslauf miteinander zu verknüpfen. „Gerade im Licht von Rentendebatten brauchen wir belastbare Daten dazu, welche Lebensverläufe besonders häufig mit finanziellen Risiken im Alter verbunden sind – und was sozialpolitische Maßnahmen langfristig bewirken. Genau das liefert unser Projekt“, sagt Katja Möhring.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Katja Möhring
    Lehrstuhl für Soziologie, insbesondere Familie und Arbeit
    katja.moehring@uni-bamberg.de


    Original publication:

    Katja Möhring, Clara Overweg & Andreas P. Weiland (2025): The Motherhood Penalty in Financial Resources for Retirement: A Life Course Perspective on the Accumulation of Public Pension Wealth and Personal Wealth in East and West Germany. Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik. https://doi.org/10.1515/jbnst-2024-0064


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    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Social studies
    transregional, national
    Research results
    German


     

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