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11/27/2025 11:09

Wie prägen frühe Bindungserfahrungen die Eltern-Kind-Beziehung? Forschungspreise für zwei psychoanalytische Arbeiten

Dr. Felix Hoffmann Geschäftsstelle
Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) e.V.

    Frühkindliche Bindungserfahrungen schlagen sich in der späteren Beziehungsgestaltung nieder – und haben auch Einfluss auf die spätere Interaktion mit den eigenen Kindern. Das lässt sich auch neurologisch anhand der gemeinsamen Hirnaktivität von Eltern und ihren Kindern messen, wie eine Studie zeigt, die am Montag mit dem Wilhelm-Bitter-Forschungspreis 2025 prämiert wurde. Der Preis wurde im Rahmen des siebten „Tags der Forschung“ verliehen, der jährlich von der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) e.V. veranstaltet wird, um psychoanalytische Forschung sichtbarer zu machen.

    Frühe Bindungserfahrungen prägen das Erleben und die Gestaltung naher Beziehungen – und schlagen sich auch auf neuronaler Ebene nieder. Die genauen neurobiologischen Mechanismen der Bindung zwischen Eltern und ihren Kindern untersucht eine Studie von Dr. Melanie Kungl und Dr. Trinh Nguyen, die am Montag auf dem „Tag der Forschung“ mit dem Wilhelm-Bitter-Forschungspreis 2025 prämiert wurde. „Die Bindungstheorie unterscheidet unter anderem zwischen sicher und unsicher gebundenen Bindungstypen, die stark von den Erfahrungen in der eigenen Kindheit abhängen. Die Bindungserfahrungen von Eltern beeinflussen wiederum, wie sie die Beziehung zu ihren Kindern gestalten“, erklärt Prof. Silke Wiegand-Grefe, Professorin für klinische Psychologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Sie ist Vorsitzende der fünfköpfigen Jury des Forschungspreises.

    Die Arbeit von Dr. Melanie Kungl, die an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg forscht, und Dr. Trinh Nguyen, die am Lehrstuhl für Entwicklungspsychologie und Biologische Psychologie der Universität Heidelberg tätig ist, ist in der Kategorie „Post-Doc“ (für bereits promovierte Forschende) ausgezeichnet worden. In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftlerinnen 140 Eltern-Kind-Paare beim gemeinsamen Lösen von Rätselaufgaben mittels funktioneller Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS), um die Aktivität verschiedener Hirnareale zu messen. Zusätzlich wurden die sogenannten Bindungsrepräsentationen, also die verinnerlichten frühen Beziehungserfahrungen, der Eltern sowie ihrer fünf- bis sechsjährigen Kinder untersucht.

    Im Zentrum stand die Frage, wie sehr sich die Hirnaktivitäten von Eltern und Kindern bei gemeinsam bearbeiteten Aufgaben angleichen und inwiefern dies mit Beziehungserfahrungen zusammenhängt. Die Angleichung der Gehirnaktivität wird auch als neuronale Synchronie bezeichnet. „Beim Lösen der Aufgaben waren die Gehirne von Elternteil und Kind im Gleichklang. Überraschenderweise war die neuronale Synchronie bei unsicher gebundenen Müttern sogar höher als bei sicher gebundenen. Das könnte dafürsprechen, dass bei diesen Müttern verstärkte Regulationsversuche stattfinden“, so Wiegand-Grefe.

    In der Kategorie „Doktorand:innen“ wurde Sophia Cholibois ausgezeichnet, die derzeit am Institut für Psychologie der Universität Kassel promoviert. In ihrer Studie untersuchte sie, wie Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker die Entscheidung für verschiedene Therapieformate treffen, also etwa das Therapieverfahren oder die Häufigkeit und Dauer einer Therapie. Anhand umfangreicher Interviews mit erfahrenen Therapeutinnen und Therapeuten konnte sie zeigen, dass diese Entscheidungen nicht nur von den Patient:innenmerkmalen wie der Symptomatik, der Reflexionsfähigkeit oder der psychischen Struktur abhängt. Auch Kontextfaktoren und die Beziehungsdynamik zwischen Patientin und Therapeut spielen eine entscheidende Rolle. Mit ihrer Grundlagenforschung beleuchtet Cholibois die Komplexität dieses dynamischen Entscheidungsprozesses und liefert die Grundlage für weitere Untersuchungen der einzelnen Faktoren.

    Bereits zum siebten Mal hat die Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) e.V. den „Tag der Forschung“ ausgerichtet, der wieder als Online-Konferenz stattfand. Die dort vergebenen Forschungspreise werden von der Wilhelm-Bitter-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Verein zur Förderung der Psychoanalyse und Tiefenpsychologie in Deutschland (VFPT) verliehen.

    Weitere Informationen:
    Dr. Felix Hoffmann, DGPT, Tel. 030 887163930, psa@dgpt.de


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Silke Wiegand-Grefe, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, swiegand-grefe@uke.de


    Original publication:

    - Nguyen, T., Kungl, M. T. et al. (2024): Visualizing the invisible tie: Linking parent–child neural synchrony to parents’ and children’s attachment representations. Developmental Science, 27, e13504.
    - Cholibois, S., Benecke, C., Henkel, M. (in press). Indikationskriterien in psychoanalytisch begründeten Psychotherapien Teil 1: Eine qualitative Analyse. Z Psychosom Med Psychother.
    - Cholibois, S., Benecke, C., Henkel, M. (in press). Indikationskriterien in psychoanalytisch begründeten Psychotherapien Teil 2: Grounded-Theory-Modell und klinische Anwendung von Indikationskriterien. Z Psychosom Med Psychother.


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Psychology, Social studies
    transregional, national
    Contests / awards, Research results
    German


     

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