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11/27/2025 15:58

Wenn Spin und Schall ko­exis­tie­ren: Physiker der RPTU erzeugen hybride Spin-Schall-Wellen

Julia Reichelt Universitätskommunikation
Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau

    Akustische Frequenzfilter, die elektrische Signale in miniaturisierte Schallwellen umwandeln, trennen die verschiedenen Frequenzbänder für Mobilfunk, WLAN sowie GPS in Smartphones voneinander. Physiker der RPTU konnten nun zeigen, dass solche miniaturisierten Schallwellen stark an Spinwellen in Yttrium-Eisen-Granat koppeln können. Dabei entstehen neuartige hybride Spin-Schall-Wellen im Gigahertz-Frequenzbereich. Die Nutzung solcher nanoskaligen hybriden Spin-Schall-Wellen eröffnet Potenzial für agile Frequenzfilter für die kommende Mobilfunkgeneration 6G. Die grundlegende Studie der RPTU-Forscher ist im Fachmagazin Nature Communications erschienen.

    Akustische Oberflächenwellen (englisch: Surface Acoustic Waves, SAWs) sind allgegenwärtig. Sie entfalten zerstörerische Kraft in Form von Erdbebenwellen und verrichten gleichzeitig gänzlich unbemerkt, aber milliardenfach eingesetzt, ihren Dienst in der Form miniaturisierter Frequenzfilter im Gigahertz-Frequenzbereich in Smartphones.

    Das Forschungsteam der RPTU um Professor Mathias Weiler arbeitet daran, neuartige Anwendungsfelder für solche miniaturisierten schallbasierten Mikrowellenkomponenten zu eröffnen. Entscheidend dabei ist die Vernetzung der etablierten SAW-Technologie mit Spinphänomenen. „Schallwellen können sich nicht nur in Luft, sondern auch in Materie ausbreiten. Dabei oszillieren die Gitteratome des Materials“ erklärt der Physiker. Da die Elektronen der Gitteratome einen quantenmechanischen Drehimpuls, den Spin, besitzen, kann auch dieser zur Oszillation angeregt werden. Die Schallwellen erzeugen dann Spinwellen in magnetisch geordneten Materialien.

    Schallwellen und Spinwellen, die koexistieren

    Das Forschungsteam hat solche kollektiven akustischen Anregungen von Spins im ferrimagnetischen Isolator Yttrium-Eisen-Granat (YIG) untersucht. YIG weist eine äußerst lange Lebensdauer von Spinwellen auf, und ist daher ein ideales Untersuchungsobjekt. Die nun veröffentlichte Arbeit zeigt, dass sich in einem nanostrukturierten akustischen Oberflächenwellenresonator hybride Anregungen – sogenannte Magnon-Polaronen – bilden lassen. „Wir haben beobachtet, dass die quantenmechanische Kopplung von Spin und Schall dazu führen kann, dass sich eine neuartige chimäre Welle bildet, die weder Schallwelle noch Spinwelle ist. Spin und Schall lassen sich in dieser Anregung nicht mehr trennen, sondern koexistieren.“, führt Kevin Künstle, Erstautor der Studie, aus.

    Akustische Filter und ferrimagnetische Isolatoren vereint

    Insbesondere ist es den Forschern gelungen zu zeigen, dass diese chimäre Welle zeitlich periodisch zwischen Schall- und Spinzustand oszilliert. Die charakteristische Übergangsfrequenz dieser Oszillation – die sogenannte Rabi-Frequenz – ist dabei deutlich größer als alle Verlustraten im System. Das ist der eindeutige Beweis dafür, dass sich das System im Regime der starken Kopplung befindet.

    Zur Erklärung dieser Phänomene konnte gemeinsam mit Kollegen der RPTU-Arbeitsgruppe um Professor Akashdeep Kamra ein theoretisches Modell entwickelt werden, welches die beobachtete Kopplungsstärke quantitativ vorhersagen kann.

    Das quantitative Verständnis der Kopplungsphänomene sowie die ebenfalls in der Arbeit gezeigte Kontrolle über die Stärke der Spin-Schall-Kopplung eröffnet neue Perspektiven für die technologische Nutzung hybrider Zustände aus Schall- und Spinwellen. „Unsere hybride Spin-Schall Anregungen vereinen zwei Säulen der Mikrowellentechnologie: akustische Filter und ferrimagnetische Isolatoren“, ergänzt Professor Weiler. „In Zukunft könnten solche Systeme genutzt werden, um die Funktionalität miniaturisierter Mikrowellenbauteile zu erweitern. Es ließen sich etwa agile Frequenzfilter realisieren, die sich im Betrieb verstellen lassen. Dies eröffnet neue Konzepte für die Implementierung von 6G-Kommunikationsnetzen, dem Mobilfunkstandard der Zukunft.

    Die vorliegende Forschungsarbeit wird vom Europäischen Forschungsrat durch den ERC Consolidator Grant „MAWiCS – magnetoacoustic waves in complex spin systems“ sowie durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereiches „Spin+X“ gefördert.


    Contact for scientific information:

    Kevin Künstle
    T: +49 631 205-4616
    E: kuenstle@rptu.de

    Prof. Dr. Mathias Weiler
    T: +49 631 205-4099
    E: mweiler@rptu.de


    Original publication:

    K. Künstle, Y. Kunz, T. Moussa, K. Lasinger, K. Yamamoto, P. Pirro, J. F. Gregg, A. Kamra, and M. Weiler, Magnon-polaron control in a surface magnetoacoustic wave resonator, Nat Commun 16, 10116 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-66301-x


    Images

    Mikrowellenspektroskopie von Magnonen (vertikale Linien), Phononen (horizontale Linien) und hybriden Spin-Schall-Anregungen, den so genannten Magnon-Polaronen (Bereiche der vermiedenen Kreuzung) als Funktion von Magnetfeld (x-Achse) und Frequenz (y-Achse)
    Mikrowellenspektroskopie von Magnonen (vertikale Linien), Phononen (horizontale Linien) und hybriden ...

    Copyright: RPTU, Arbeitsgruppe Angewandte Spinphänomene


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results
    German


     

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