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Wissenschaft
Berlin, 28. November 2025. Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) hat am 28. November beschlossen, zehn Projekte neu in das Akademienprogramm von Bund und Ländern aufzunehmen. Eines der Projekte ist ein Neuvorhaben, das die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften gemeinsam mit der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste beantragt hat: „Der Vatikan und die Verfolgung der Juden in Europa (VVJE). Bittschreiben an den Papst und ihr Weg durch die vatikanischen Instanzen. Digitale Edition und Auswertung eines der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Quellenkorpus“.
Während der Schoah wandten sich Tausende verfolgter jüdischer Menschen in Bittschreiben an den Papst. Sie schilderten eindrücklich und teilweise ausführlich ihre Lebenssituation und das erfahrene Leid. Die Briefe zeugen aber auch von der Hoffnung auf Rettung. Sie wurden von Männern, Frauen und Jugendlichen aus ganz Europa geschrieben und bilden ein breites Spektrum von Jüdisch-Sein vor und während der Zeit des Nationalsozialismus ab. Die Bittschreiben selbst, aber auch die Dokumente zu den Reaktionen des Vatikans und den dahinterstehenden internen Prozessen, sind für die Forschung erst seit dem Jahr 2020 in den vatikanischen Archiven zugänglich. Insgesamt handelt es sich um etwa 10.000 Bittschreiben mit rund 17.000 Seiten in mindestens 17 Sprachen. Hinzu kommen mehr als 55.000 Blatt umfassende Dokumente zur Entscheidungsfindung im Vatikan in zwölf Sprachen.
Drei Wissenschaftler der Universität Münster wollen diesen einmaligen und bisher unbekannten Datenschatz mit ihrem Team und den beiden Akademien heben: Prof. Dr. Dr. h. c. Hubert Wolf, Professor für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte und einer der besten Kenner der vatikanischen Archive, Prof. Dr. Michael Seewald, Professor für Dogmatik und Permanent Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin, und Prof. Dr. Jan vom Brocke, Professor für Wirtschaftsinformatik und Leiter des European Research Center for Information Systems (ERCIS). Sie verfolgen mit ihrem Forschungsvorhaben zwei Hauptziele: Zum einen werden die Fallgeschichten, die sich hinter den Bittschreiben verbergen, rekonstruiert und gemeinsam mit den Briefen und den Entscheidungen des Vatikans in einer digitalen Edition publiziert. Zum anderen sollen durch die Auswertung der Quellen mithilfe modernster KI-Methoden zwei zentrale Forschungsfragen beantwortet werden: Wer waren die Bittstellerinnen und Bittsteller, worum haben sie den Papst gebeten? Und was passierte mit den Bitten im Vatikan? Erstmals lassen sich auf diese Weise zudem offene Fragen zur Haltung des Papstes und der Kurie zur Schoah differenziert beantworten.
Die digitale Arbeitsumgebung des Vorhabens, ediarum, basiert auf Open-Source-Softwarekomponenten, die von TELOTA an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften entwickelt wurden. ediarum erlaubt es Wissenschaftler:innen, Transkriptionen von Manuskripten und Drucken in TEI-konformem XML zu bearbeiten, mit einem Text- und Sachapparat sowie Registern zu versehen. Die Dokumente, die Datensätze für alle in den Quellen erwähnten Personen und die rekonstruierten Fallgeschichten werden auf einer userfreundlichen und mehrsprachigen Webseite der Wissenschaft, aber auch der breiten Öffentlichkeit und insbesondere den Verfolgten und ihren Hinterbliebenen zur Verfügung gestellt.
Das Fördervolumen für dieses über 25 Jahre laufende interakademische Projekt beträgt insgesamt 15,4 Millionen Euro. Arbeitsstellen werden an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und an der Universität Münster eingerichtet.
Das gemeinsame Forschungsprogramm der deutschen Wissenschaftsakademien, das Akademienprogramm, dient der Erschließung, Sicherung und Erforschung des kulturellen Erbes weltweit. Es ist derzeit das größte geistes- und sozialwissenschaftliche Forschungsprogramm Deutschlands und international einzigartig. Seit 1979/80 wird es von Bund und Ländern gemeinsam finanziert und von der Akademienunion koordiniert. Mit den in den Forschungsstellen erarbeiteten Editionen, Wörterbüchern und Textkorpora schaffen die Akademien zentrale Wissensspeicher für die Zukunft, die der Wissenschaft und der Öffentlichkeit – selbstverständlich auch digital – zur Verfügung stehen.
Pressekontakt:
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Dr. Ann-Christin Bolay
Präsidialbüro / Leiterin Kommunikation
Jägerstraße 22/23, 10117 Berlin
Tel. 030/20370-657, E-Mail: bolay@bbaw.de
Criteria of this press release:
Journalists
interdisciplinary
transregional, national
Press events
German

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