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Im Rahmen des EFRE-Förderprojektes ›Entwicklung und Neuausrichtung des Stiftsbergs Quedlinburg‹ werden derzeit die beiden Schatzkammern im Inneren der Stiftskirche St. Servatii saniert und auf ihre Neupräsentation vorbereitet. Um dennoch einen Einblick in den Domschatz zu bieten, haben die Evangelische Kirchengemeinde Quedlinburg und die Abteilung Bau- und Kunstdenkmalpflege am Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und des Landes Sachsen-Anhalt die Interimsausstellung ›Schatz im Raum‹ entwickelt, die heute durch Kulturstaatssekretär Dr. Sebastian Putz eröffnet wurde.
Im Rahmen des EFRE-Förderprojektes ›Entwicklung und Neuausrichtung des Stiftsbergs Quedlinburg‹ erfolgt derzeit in Zusammenarbeit der Welterbestadt Quedlinburg und der für den Kirchenschatz verantwortlichen Evangelischen Kirchengemeinde Quedlinburg die Sanierung der beiden Schatzkammern im Inneren der Stiftskirche St. Servatii. Während die Evangelische Kirchengemeinde die Schatzkammern auf ihre Neupräsentation vorbereitet, sind diese für den öffentlichen Besucherverkehr vorübergehend nicht zugänglich. Im März 2026 werden sie zur großen Eröffnung des Gesamtensembles auf dem Stiftsberg ihre Türen zur neuen Domschatzpräsentation wieder öffnen. Um den Gästen des Stiftsberges auch während der laufenden Umbauphase der Schatzkammern weiterhin einen Einblick in den einzigartigen Kirchenschatz geben zu können, entwickelten und realisierten die Evangelische Kirchengemeinde Quedlinburg und die Abteilung Bau- und Kunstdenkmalpflege am Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt in enger Zusammenarbeit die Interimsausstellung ›Schatz im Raum‹. Sie lädt vom 4.12.2025 bis zum 3.3.2026 dazu ein, im Hochchor der Stiftskirche ausgewählte herausragende Exponate des Domschatzes zu erleben. Zugleich vermittelt sie Einblicke in jüngste, teils überraschende Forschungsergebnisse zum ursprünglichen Aussehen der Schatzkammer und des Kirchenraumes des 12. Jahrhunderts. Ermöglicht wurde dies mit zusätzlichen Fördergeldern des Landes Sachsen-Anhalt und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.
›Schatz im Raum‹ - Interimsausstellung präsentiert ausgewählte Schatzobjekte und neueste Forschungen
In Zusammenarbeit von Domschatzleitung und LDA Sachsen-Anhalt wurden fünf herausragende Schatzstücke für die Sonderschau ausgewählt und vorbereitet. Präsentiert werden in der kleinen, aber feinen Schau der sogenannte Kana-Krug, ein antikes Alabastergefäß des ersten Jahrhunderts nach Christus, das mit dem Weinwunder Christi bei der biblischen Hochzeit von Kana in Zusammenhang gebracht wird, der mit reichen Elfenbeinschnitzereien und Goldschmiedearbeiten verzierte Reliquienkasten Heinrichs I., ein aus einem Straußenei gefertigtes Reliquiar des 14. Jahrhunderts, das Evangelistar aus St. Wiperti, eine kostbare Handschrift aus dem Jahr 1513 im prächtigen Einband, sowie der exquisit gestaltete sogenannte Kamm Heinrichs I., der im 7./ 8. Jahrhundert in Syrien oder Ägypten gefertigt wurde. Diese Kunstwerke können Besucherinnen und Besucher der Stiftskirche im Hohen Chor nun erstmalig in allansichtigen Vitrinen bestaunen – eine Möglichkeit, die sich in den Schatzkammerräumen nicht bietet.
Daneben legt die Interimsausstellung ein Augenmerk auf den Kirchenraum als besonderen Schatz. Der hochmittelalterliche Raum besitzt auch heute noch imposante, romanische Baudekorationen wie die Friese des Langhauses oder die erhaltenen Fragmente einer raumbildenden Wand aus Stuck. Ermöglicht durch die Förderung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz werden diese Stuckfragmente während der Laufzeit der Ausstellung konserviert. Hierdurch können Besucherinnen und Besucher den Fortschritt der Restaurierung unmittelbar miterleben. Ein weiterer großer Schatz der Stiftskirche war deren ursprüngliche farbliche Gestaltung, die heute fast gar nicht mehr erlebbar ist. Hier richtet die Interimsausstellung ›Schatz im Raum‹ mit der Frage »Wo sind die Farben geblieben?« den Blick der Besucher auf die einstige qualitätvolle Ausmalung der plastischen Dekorationen.
Die Evangelische Kirchengemeinde trägt die Gesamtverantwortung für Planung, Ausstellungstexte, Umsetzung, Besucherlenkung und dokumentarische Betreuung der Ausstellung. Das Projekt wird maßgeblich durch das Land Sachsen-Anhalt und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz finanziert.
Anlässlich der Eröffnung der Interimsausstellung ›Schatz im Raum‹ erklärte der Staatssekretär für Kultur in der Staatskanzlei und Ministerium für Kultur, Dr. Sebastian Putz: »Der Quedlinburger Domschatz gehört nicht nur zu den bedeutendsten mittelalterlichen Kirchenschätzen Europas, er ist auch an seinem authentischen Ort erhalten. Die aktuelle Ausstellung lenkt den Blick auf beides – Kirchenschatz und -raum – und ist daher weit mehr als eine Interimslösung. Sie ist das Ergebnis einer beispielhaften Zusammenarbeit von Denkmalpflege und kirchlichen Verantwortlichen und ein gelungenes Beispiel dafür, wie Kulturerbe zugleich bewahrt, sichtbar gehalten und qualitätvoll vermittelt werden kann. Ich wünsche der Ausstellung viele begeisterte Besucherinnen und Besucher.«
Der Quedlinburger Domschatz
Der Quedlinburger Domschatz zählt zu den herausragenden mittelalterlichen Kirchenschätzen Europas. Er entstand im Umfeld des 936 gegründeten ottonischen Frauenstifts, das als geistlicher Erinnerungsort für König Heinrich I. und seine Nachkommen eine zentrale Rolle in der Reichsgeschichte spielte. Das Stift wurde über Jahrhunderte reich mit Reliquien, liturgischen Geräten, Prachthandschriften und kostbaren Objekten ausgestattet. Viele dieser Stücke spiegeln die enge Verbindung zwischen Frömmigkeit, Repräsentation und Herrschaft der ottonisch-salischen Zeit.
Der Domschatz umfasst heute rund 60 Einzelobjekte aus dem 1. bis 16. Jahrhundert, darunter bedeutende Werke wie das Samuhel-Evangeliar, den sogenannten Servatiusschrein, Bergkristallreliquiare und den ältesten erhaltenen mittelalterlichen Knüpfteppich Deutschlands. Die Stücke werden im historischen ›Zitter‹ und einer weiteren Schatzkammer des 20. Jahrhunderts präsentiert. Bis heute ist der Domschatz Teil des lebendigen kulturellen und kirchlichen Lebens der Evangelischen Kirchengemeinde Quedlinburg. Er wird konservatorisch fortlaufend von Kirche und LDA Sachsen-Anhalt betreut und begleitet und der Öffentlichkeit in vielfältigen Vermittlungsformaten zugänglich gemacht. Als Kernbestand der Stiftskirche besitzt der Domschatz weit überregionale Bedeutung und ist ein zentraler Identitätsträger Quedlinburgs. Um diesen weit über die Stadt hinaus bedeutenden Schatz auch während der Schließung der Schatzkammern in Auswahl zugänglich zu halten, konzipierten die Evangelische Kirchengemeinde Quedlinburg und das LDA Sachsen-Anhalt mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sowie der Staatskanzlei und Ministerium für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt die heute eröffnete Interimspräsentation.
Mittelalterliche Bilderwelten
Die Interimsausstellung ›Schatz im Raum‹ präsentiert neben ausgewählten Kleinodien des Domschatzes erstmals auch die bahnbrechenden Erkenntnisse zur farbenprächtigen Gestaltung des Kirchenraumes, die jüngste Forschungen des LDA Sachsen-Anhalt erbrachten. So sind Erforschung und denkmalpflegerische Betreuung der Quedlinburger Stiftskirche und ihrer Ausstattung seit Jahrzehnten ein Schwerpunkt der Arbeit der Abteilung Bau- und Kunstdenkmalpflege am LDA Sachsen-Anhalt und seiner Vorgängerinstitutionen. Die dabei erreichten Erfolge waren nur durch die konstruktive Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Stadtverwaltung und der Kirchengemeinde sowie die Unterstützung der Landesregierung möglich.
Dies betrifft insbesondere auch die Rekonstruktion der mittelalterlichen Ausstattung des Kircheninnenraumes. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf den Resten einer prachtvollen Schranke aus Stuck zwischen Chor und Mittelschiff aus der Zeit um 1130, die zu unbekannter Zeit entfernt und in Bruchstücken als Fußbodenaufbau verwendet wurde. Im 19. Jahrhundert wurden bei Bauarbeiten im Kirchenschiff unter dem Fußboden Fragmente dieser mittelalterlichen Ausstattung entdeckt. Im Rahmen der Untersuchung konnten neue Erkenntnisse zu der einstigen prachtvollen Bemalung der Chorwand gewonnen werden, mit der diese etwa 100 Jahre nach ihrer Errichtung bereichert wurde: So zeigten sowohl die Stuckfriese als auch die von diesen gerahmten glatten Wandflächen eine aufwendige Farbgestaltung mit Goldauflagen. Multispektralaufnahmen an einem Fragment einer flächigen Wandmalerei lieferten neue Aufschlüsse über die ursprünglichen qualitätvollen figürlichen Darstellungen.
Von besonderer Bedeutung sind daneben die mittelalterlichen Wandmalerei- und Stuckfragmente an der Ostwand des nördlichen Seitenschiffs über dem Zugang zur Krypta, die bei detaillierten Untersuchungen der Wandfläche entdeckt wurden und ins frühe 13. Jahrhundert datieren. Mit ihnen ist ein letztes Zeugnis hochmittelalterlicher Malerei überliefert. Im Zentrum der fragmentarisch erhaltenen Szenen thront, vor blauem Hintergrund, Maria mit dem Christuskind, auf beiden Seiten flankiert von zwei Heiligen. Im darunter liegenden Tympanon des Eingangs zur Krypta findet sich ein Brustbild Christi. Besonders bemerkenswert ist die auf mehrere Ebenen verlagerte Gestaltung: Thronwangen und Heiligenscheine sind als Halbrelief in Stuck ausgeführt, die halbrunde Thronlehne mittels Gravur akzentuiert. Die hohe künstlerische Qualität der Arbeit spiegelt sich auch in den verwendeten Malmaterialien wider: Der Thron war vergoldet, der Hintergrund der Darstellungen mit dem kostbaren Kupferpigment Azurit gefasst.
Daneben war es aufgrund von Sanierungsarbeiten im Dachraum 2021 erstmals möglich, die unterhalb der Fensterzone im Obergaden des Mittelschiffes umlaufenden und von Oberitalien beeinflussten Frieszonen mit ihren vegetabilen Darstellungen und variationsreich wiedergegebenen Tierfiguren näher in Augenschein zu nehmen. Der Sandsteinfries wurde durch das Sachgebiet Restaurierung am LDA Sachsen-Anhalt unter hohem Zeitdruck zunächst einer Notsicherungsmaßnahme unterzogen. Daneben konnten erstmals die dort noch vorhandenen Fassungsfragmente genauer untersucht werden. Vor schwarzem Hintergrund erstrahlten die Reliefs farbenprächtig in Ockergelb, Ockerrot, Blau und Grün. Geradezu sensationell ist die Erkenntnis, dass es sich dabei um Spuren der 1129 entstandenen ersten farbigen Fassung handelt, wurden doch bei einer Generalinstandsetzung in den 1860-iger Jahren die Wandflächen radikal von allen Farbschichten befreit, um mit der Purifizierung des Kirchenraumes dem damals vorherrschenden Bild mittelalterlicher Architektur und Ausstattung zu entsprechen. Die erhobenen Befunde und Pigmentanalysen lassen auf eine farbenprächtige Bemalung der Frieszone schließen. Dabei wurde die Wirkung der Reliefs durch polychrome Schattierungen und Binnenzeichnungen nochmals verstärkt. Die kostbare Pigmentpalette – unter anderem mit natürlichem Ultramarin aus dem heutigen Afghanistan – belegt den hohen Gestaltungsanspruch bei der Ausstattung des Kirchenraumes und lässt zugleich die verlorene Pracht der Raumfassung erahnen.
Zusammenfassend werfen die in den letzten Jahren bei den durch das LDA Sachsen-Anhalt durchgeführten und angestoßenen Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse ein neues Licht auf die prächtige Gestaltung des Kirchenraumes im 12. Jahrhundert. Anders als es das heutige, auf den Zeitgeschmack des 19. Jahrhunderts zurückgehende Erscheinungsbild vermittelt, das weitgehend auf die Architektur reduziert ist, war die Stiftskirche im Hochmittelalter mit farbenprächtigen Malereien und aufwendigen plastischen Dekorationen ausgeschmückt. Sie bildeten einen kostbaren Rahmen für die zahlreichen Altäre und weitere liturgische Ausstattungen, von deren Pracht und Erlesenheit der Quedlinburger Domschatz noch heute zeugt.
Öffnungszeiten der Stiftskirche St. Servatii
Dienstag bis Sonntag: 10–16 Uhr
Letzter Einlass: 30 Minuten vor Schließung
Eintrittspreise im Ausstellungszeitraum
Ticket: 6,00 Euro
Freier Eintritt für alle Gäste unter 18 Jahren
Informationen zu Führungen und Gruppenprogrammen entnehmen Sie bitte der Website des Quedlinburger Domschatzes unter https://www.domschatzquedlinburg.de/#c3.
Blick auf die Schatzkammer des 19. Jahrhunderts, in die Bruchstücke einer prachtvollen mittelalterli ...
Source: Corinna Scherf
Copyright: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils
Cultural sciences, History / archaeology
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications
German

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