idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Was würde passieren, wenn die Landwirtschaft rund um den Globus auf nachhaltigen Pflanzenschutz umstellen würden? Eine internationale Studie unter Leitung der Universität Bonn und der ETH Zürich ist dieser Frage nachgegangen. Die Arbeit stützt sich auf die Einschätzung von weltweit über 500 führenden Expertinnen und Experten unterschiedlicher Disziplinen, von der Ökologie bis zu den Wirtschaftswissenschaften. Die meisten Befragten gehen davon aus, dass die Folgen einer solchen Umstellung langfristig positiv wären - selbst aus ökonomischer Perspektive. Welche Effekte überwiegen, variiert aber je nach Weltregion. Die Ergebnisse sind nun in der Zeitschrift „Nature Communications“ erschienen.
Schätzungen zufolge würde ohne Pflanzenschutz Jahr für Jahr mehr als ein Drittel der globalen Ernten durch Krankheiten oder Schädlinge vernichtet. „Andererseits können chemische Pflanzenschutzmittel die menschliche Gesundheit gefährden und Ökosysteme schädigen“, betont Prof. Dr. Niklas Möhring.
Der Wissenschaftler, der an der Universität Bonn die Arbeitsgruppe Produktionsökonomik leitet, erforscht unter anderem Zielkonflikte wie diese. In der aktuellen Studie ist er zusammen mit 13 Kolleginnen und Kollegen von insgesamt sechs Kontinenten einer wichtigen Frage nachgegangen: Was würde passieren, wenn Landwirtinnen und Landwirte rund um den Globus auf nachhaltige Pflanzenschutz-Maßnahmen umstellen würden?
Integrierter Pflanzenschutz, Anbau resistenter Sorten
Denn es gibt durchaus Alternativen zum massiven Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln. Dazu zählen etwa Züchtung und Anbau resistenter Sorten, diverse Fruchtfolgen oder auch die Pflanzung von Hecken an Ackerrändern, in denen sich natürliche Fressfeinde vermehren können. „Leider sind jedoch viele dieser Methoden noch nicht ausreichend erforscht“, sagt Möhring. „Agrarsysteme sind zudem unterschiedlich und Ergebnisse aus einer Feldstudie in Deutschland lassen sich meist nicht auf Kenia oder die Philippinen übertragen.“
Oft weiß man daher nicht, ob sich nachhaltiger Pflanzenschutz in einer bestimmten Region erfolgreich implementieren lässt. Oder ob sich dadurch zwar die Wasserqualität verbessert, das aber mit deutlich geringeren Erträgen und wirtschaftlichen Einbußen für die Landwirte erkauft wird. „Wir haben daher untersucht, welche Chancen und Risiken die Expertinnen und Experten vor Ort in einer Umstellung sehen“, sagt der Wissenschaftler.
Was meinen die Expertinnen und Experten vor Ort?
Dazu haben die Forschenden einen umfangreichen Fragenkatalog entwickelt. Er erfasst, welche Konsequenzen die Befragten bei einer Umstellung auf nachhaltigen Pflanzenschutz erwarten. Diese möglichen Effekte gliedern sich in fünf Bereiche: Auswirkungen auf die Umwelt, Gesundheit, Ernährungssicherheit, ökonomische Situation der Landwirte und soziale Gleichheit und Sicherheit (darunter fallen unter anderem die Arbeitsumstände der Landwirte und Angestellten).
Diesen Katalog legten sie insgesamt 517 Personen vor, die als intime Kennerinnen und Kenner der Landwirtschaft in einer bestimmten Region gelten. Ihre fachliche Perspektive war dabei sehr unterschiedlich - zu den Befragten gehörten also nicht nur Ökologen, sondern auch Wirtschaftswissenschaftlerinnen oder Toxikologen. „Auf diese Weise wollten wir zu einem ausgewogenen Meinungsbild bei dieser komplexen Frage gelangen“, sagt Möhring.
Umwelt und Gesundheit würden profitieren
Tatsächlich fielen die Einschätzungen je nach Weltregion und Expertise unterschiedlich aus. Dennoch glaubten die Befragten im Schnitt, dass sich die Umstellung auf nachhaltigen Pflanzenschutz positiv auswirken würde - zumindest langfristig gesehen. Mit besonders starken Fortschritten rechneten die Teilnehmenden im Bereich Umwelt - also etwa bei der Gewässerbelastung oder bei der Biodiversität. Das galt nahezu einhellig und unabhängig von der Region. Ähnlich sah es bei den erwarteten Effekten im Bereich menschliche Gesundheit aus.
Bei der ökonomischen Bewertung gab es dagegen starke Unterschiede. In Nordamerika, Europa und Australien rechneten in etwa genauso viele Expertinnen und Experten mit positiven wie mit negativen Auswirkungen auf das Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe – zumindest kurzfristig. In Asien, Afrika und Südamerika sahen die Befragten in der Umstellung dagegen eher auch eine ökonomische Chance. Auch beim lokalen Zugang zu sicheren Lebensmitteln erwarten Befragte dieser Kontinente von einer Umstellung viel stärkere positive Impulse als solche aus Nordamerika, Europa und Australien.
Nachhaltigkeit ist nicht umsonst zu haben
„Trotz dieser Unterschiede war das das Meinungsbild jedoch insgesamt erstaunlich positiv“, sagt Möhring, der auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Sustainable Futures“ und im Exzellenzcluster PhenoRob der Universität Bonn ist. „Das bedeutet aber nicht, dass eine Umstellung auf nachhaltigere Anbaumethoden umsonst zu haben wäre: Kurzfristig ist sie definitiv mit Kosten verbunden, die sich aber auf lange Sicht auszahlen können.“ Es sei ähnlich wie beim Klimawandel, der anfangs ebenfalls eine große Kraftanstrengung erfordere. „Wesentlich ist, dass wir Landwirte bei der Umstellung unterstützen, etwa indem wir angepasste, wirksame Pflanzenschutzstrategien sowie passende Förderinstrumenten zur Verfügung stellen.“
Allerdings habe die Studie lediglich ein Meinungsbild eingeholt; ob diese Prognosen realistisch seien, müsse sich noch zeigen. „Dazu benötigen wir unter anderem mehr lokale Studien in verschiedenen Regionen, in denen wir nachhaltigeren Pflanzenschutz ausprobieren und seine Effekte systematisch erforschen können“, betont der Wissenschaftler.
Institutionen und Förderung:
An der Studie waren neben der Universität Bonn und der ETH Zürich das World Vegetable Center (Benin), die Universität São Paulo (Brasilien), die Universität La Rochelle (Frankreich), das Centre d′Etudes Biologiques de Chizé (Frankreich), das Department of Agriculture and Fisheries Queensland (Australia), die Universität Aarhus (Dänemark), die Universität von Kalifornien in Santa Barbara (USA), das Kings’s College London (Großbritannien), das Institut für Agrarökologie (Schweiz), das World Vegetable Center (Thailand), das Eawag-Wasserforschungsinstitut (Schweiz) und die Universität Wageningen beteiligt. Die Arbeit wurde durch die Swiss National Science Foundation, das INRAE Metaprogram SuMCrop und die Fresh and Secure Trade Alliance FASTA gefördert.
Prof. Dr. Niklas Möhring
Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik
Universität Bonn
Tel. +49 228 73-2890
E-Mail: mohring@uni-bonn.de
Niklas Möhring et. al.: Expected Effects of a Global Transformation of Agricultural Pest Management; Nature Communications; DOI: https://www.doi.org/10.1038/s41467-025-66982-4
https://www.ilr1.uni-bonn.de/de/forschung/forschungsgruppen/pe/produktionsoekono...
Die Erwartungen der 517 Befragten in den Bereichen Umwelt (grün), Ernährungssicherheit (blaugrün), G ...
Copyright: Abbildung: AG Möhring/Uni Bonn
Criteria of this press release:
Journalists, all interested persons
Environment / ecology, Zoology / agricultural and forest sciences
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German

You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).