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Neue Analyse des IMK
Gebäudeenergiegesetz: Mit besonnenen Anpassungen lassen sich ökologische, ökonomische und soziale Ziele am besten erreichen
Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Die öffentlich bekannten Positionen innerhalb der Koalition liegen allerdings deutlich auseinander und markige Ankündigungen erschweren eine sachliche Debatte.
So ist von „Übersubventionierung“ und „Überregulierung“ die Rede und es wird gefordert, dass der Fokus zukünftig deutlich stärker auf „marktwirtschaftlichen Prozessen“ liegen solle. Es drohe eine unsachliche Debatte wie schon 2023 – auch zum Schaden von Verbraucher*innen, warnt Dr. Tom Bauermann, Forscher am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, in einer neuen Analyse.* Eine nüchterne Betrachtung und besonnene Anpassungen könnten dagegen helfen, soziale, ökologische und ökonomische Ziele gleichermaßen zu erreichen. Sich bei der Gestaltung der „Wärmewende“ allein auf die CO2-Bepreisung zu verlassen, helfe wenig. Unter anderem, weil viele Menschen die Anstiege in den kommenden Jahren unterschätzten. Stattdessen könne der IMK-Vorschlag eines „Staatlichen Sanierungskapitals“ einen zusätzlichen positiven Anreiz für notwendige Sanierungen setzen, erklärt der Energieexperte. Eine kluge Förderstrategie setze auch wichtige Impulse für wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigung in Zukunftsbranchen.
2024 betrugen die Treibhausgasemissionen Deutschlands im Gebäudesektor etwa 101 Millionen Tonnen. Sie lagen damit fünf Prozent über dem Zielwert gemäß Klimaschutzgesetz (KSG) und stammten größtenteils aus Haushalten. Erdgas und Heizöl wurden in ca. 75 Prozent der Heizungsanlagen verbrannt. Fernwärme, biogene Energien und Strom deckten nur ca. 25 Prozent.
Das KSG verpflichtet die Bundesregierung dazu, Deutschland bis 2045 weitgehend klimaneutral zu machen. Der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch des Gebäudesektors soll zudem infolge der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EER) bis 2030 auf 46 bis 50 Prozent anwachsen. Gleichzeitig drohen auf absehbare Zeit die Kosten für die Nutzung fossiler Brennstoffe mit der Einführung des EU-Emissionshandelssystem II (ETS II) deutlich zu steigen. „Das wird besonders untere und mittlere Einkommen belasten“, betont Bauermann. „Energetischen Sanierungen und dem Austausch von Heizungen im Gebäudebestand kommt daher eine besondere Bedeutung zu.“
Um die Klimaschutzziele perspektivisch erreichen zu können, müsste u. a. die derzeitige Sanierungsrate von unter einem Prozent pro Jahr auf ca. 1,7 Prozent steigen. Das aktuelle GEG verlangt zudem, dass neu eingebaute Heizungen künftig mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien (oder unvermeidbare Abwärme) nutzen. Diese 65-Prozent-Regel ist ein Bestandteil der Umsetzung der EER. Offizielle Angaben zum aktuellen Anteil erneuerbarer Energien im Gebäudebereich gibt es noch nicht für Deutschland. IMK-Experte Bauermann schätzt ihn auf etwa 30 Prozent. Der Abstand zum Zielwert lege nahe, den Anteil erneuerbarer bzw. strom- und fernwärmebasierter Wärme „mit diversen Instrumenten zu steigern“.
Für den künftigen Heizungseinbau werden Regelungen zum Einbau nicht-fossiler Heiztechnologien, die kommunalen Wärmepläne und die Ausgestaltung der Förderung wichtig sein, betont Bauermann. Für 2025 sind rund 15 Milliarden Euro für die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) eingeplant, die Sanierungen und Heizungstausch unterstützt. Für 2026 sind es 12 Milliarden Euro. Die Förderung erscheint hoch, sollte aber ins Verhältnis gesetzt werden, mahnt der Forscher. So geht der Subventionsbericht für 2025 von insgesamt 117 Milliarden Euro an Subventionen aus, die Bund, Länder und Gemeinden über alle Bereiche (z. B. Landwirtschaft, Gewerbliche Wirtschaft, Gebäude etc.) hinweg gewähren. Die BEG-Förderung habe zudem eine Hebelwirkung: Auf jeden Euro Bundesförderung in Bestandswohngebäuden kamen zuletzt drei Euro an privaten Investitionen. Berichte des Expertenrats für Klimafragen legten nahe, dass insbesondere die BEG-Förderung und die klaren Regelungen im GEG einen wesentlichen Beitrag zu den Klimaschutzzielen im Gebäudesektor leisten werden, betont Bauermann. „Die Förderung wirkt daher nicht überdimensioniert.“
Unions-Politiker*innen betonen öffentlich die Bedeutung der CO2-Bepreisung als zentrales, marktwirtschaftliches Instrument in der Klimapolitik. Die CO2-Kosten müssten nur genug steigen, damit rationale Haushalte Investitionen in effizientere Gebäude und klimaneutrale Heizungen tätigen. „Doch gerade im Gebäudebereich zeigt sich, dass die CO2-Bepreisung als Leitinstrument Probleme hat“, analysiert Energieexperte Bauermann.
Denn erstens zeigen Befragungen des IMK und anderer Forschungseinrichtungen, dass viele Menschen die finanziellen Auswirkungen der CO2-Bepreisung nicht gut abschätzen können. So werden die Kosten durch den aktuellen CO2-Preis für den eigenen Haushalt im Durchschnitt überschätzt, die zukünftigen Kosten bei steigenden CO2-Preisen hingegen unterschätzt. Zweitens könnten hohe Zinsen, fehlendes Eigenkapital oder mangelnder Zugang zu Krediten notwendige Sanierungen verhindern, besonders bei Eigentümer*innen mit geringem Einkommen. CO2-Preise können dieses Problem nicht beheben.
Ab 2028 soll auf europäischer Ebene der CO2-Preis für Wärme und Verkehr (ETS II) eingeführt werden. Anfangs strebt die EU-Kommission an, dass der CO2-Preis für Wärme bei ca. 58 Euro pro Tonne CO2 bleibt. Ab den 2030er Jahren – oder früher – können deutlich höhere Preise möglich sein. Das hätte negative soziale Effekte, rechnet Bauermann vor. Ein Anstieg der CO2-Bepreisung auf 275 Euro pro Tonne CO2 würde bedeuten, dass Teile der einkommensschwächsten Haushalte allein 2,5 bis 5 Prozent ihres Jahreseinkommens für die CO2-Bepreisung von Wärme aufbringen müssten (siehe Abbildung 1 in der Analyse; Link unten). Selbst bei 200 Euro pro Tonne wären es noch knapp 1,8 bis 3,7 Prozent.
„Eine Kombination aus verbindlichen Vorgaben zum Einbau nicht-fossiler Heizsysteme und sozial gestaffelter Förderung löst nicht alle diese Probleme perfekt“, konzediert Bauermann. Sie könne aber besser für Klarheit sorgen sowie Anreize für Investitionen setzen und somit zum sozial ausgewogenen Klimaschutz beitragen. Die Gestaltung der Transformation mithilfe finanzieller Förderung hat nach Analyse des IMK-Experten zudem neben dem ökologischen auch einen ökonomischen Nutzen, analog zur Förderung klimaneutralen Stroms. Der Großteil des Rückgangs bei den Treibhausgasemissionen in Deutschland seit 2000 gehe auf positive Entwicklungen im Stromsektor zurück. Die Impulse kamen vor allem aus dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG), insbesondere den Einspeisetarifen und Marktprämien für erneuerbaren Strom.
„Die EEG-Förderung hatte positive ökonomische Effekte, auch wenn im Rahmen industriepolitischer Experimente Fehler passiert sind“, betont der Wissenschaftler. So zählte der Bereich Erneuerbare Energien 2023 rund 406.000 Beschäftigte. In Relation zur Bevölkerung hat Deutschland europaweit die zweitmeisten Beschäftigten in den beiden Kernbereichen erneuerbaren Stroms. In der Produktion und Installation von Wärmepumpen waren weitere knapp 71.700 Menschen beschäftigt, inklusive vor- und nachgelagerter Bereiche wie Export, Wartung und Betrieb.
Bauermann empfiehlt daher, behutsam bei der Anpassung des GEG sowie der Fördermaßnahmen vorzugehen. Um die Klimaschutzziele zu realisieren, müsste das Fördervolumen eigentlich steigen. Ob es dazu kommt, ist angesichts absehbar schwieriger Haushaltsdiskussionen aber fraglich.
Eine Möglichkeit, klimafreundliche Sanierungen voranzutreiben ohne den Bundeshaushalt zu belasten, ist das vom IMK bereits 2023 vorgeschlagene „Staatliche Sanierungskapital“ als zusätzliches, ergänzendes Instrument. Dabei übernimmt der Staat zunächst die Sanierungskosten eines betroffenen Bestandsgebäudes und lässt sich die Kosten über die Zeit von den Eigentümer*innen in Abhängigkeit von den durch die Sanierung eingesparten hypothetischen Kosten für den Betrieb einer traditionellen Heizung zurückzahlen. Konkret bedeutet das: Im Falle eines Heizungstauschs müssen die Eigentümer*innen eines selbstbewohnten Hauses zunächst den finanziellen Betrag aufbringen, der für eine Öl- oder Gasheizung anfallen würde. Diese sogenannten Ohnehin-Kosten dienen als Eigenanteil. Die darüber hinausgehenden Kosten werden über ein zinsgünstiges Förderdarlehen der Förderbank KfW finanziert. Die KfW kann sich zu günstigen Konditionen refinanzieren und gibt diese Zinsen (derzeit ca. 2,3-2,8 Prozent) ohne Aufschlag an die Hauseigentümer*innen weiter.
Unter dem Strich sollte bei der anstehenden Reform des GEG sowie der finanziellen Unterstützung die Förderung nicht willkürlich gekürzt werden und klare Regeln hinsichtlich grüner Wärme sollten weiterhin Bestand haben, empfiehlt Bauermann. Statt das gesamte Fördervolumen zu kürzen, sollte es gerechter über die Einkommen eingesetzt werden, um u.a. mögliche Überforderungen von Haushalten durch Sanierungen abzuwenden. Härtefallregelungen können Bestand haben und gegebenenfalls ausgeweitet werden. Wie beim Staatlichen Sanierungskapital dargestellt, biete ein Darlehen eine Möglichkeit, die generelle Förderung auszudehnen, ohne den Bundeshaushalt dauerhaft zusätzlich zu belasten.
Dr. Tom Bauermann
IMK-Experte für die Makroökonomie der sozial-ökologischen Transformation
Tel.: 0211-7778-343
E-Mail: Tom-Bauermann@boeckler.de
Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Tel.: 0211-7778-150
E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de
*Tom Bauermann: Reform des Gebäudeenergiegesetzes: Sachlichkeit statt Polemik ist gefragt. IMK Kommentar Nr. 17, Dezember 2025. Download: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?produkt=HBS-009293
Criteria of this press release:
Journalists
Economics / business administration, Politics, Social studies
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German

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