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Fachliches Können ist für Herzchirurg:innen essenziell – eine einfühlsame Gesprächsführung ebenso. Wie gelingt eine gute Arzt-Patienten-Kommunikation? Antworten lieferte das diesjährige Grundlagenseminar Herzchirurgie der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG). Gemeinsam mit Schauspielern stellten die Teilnehmenden übliche Gesprächssituationen nach und konnten so im geschützten Raum unter der Anleitung von Expert:innen ihre Kommunikationsfähigkeiten auf die Probe stellen und verbessern. Eine Reportage.
„Ich habe solche Angst vor der Operation. Die Schmerzen werden furchtbar sein!“ Die Worte platzen nur so heraus aus Herrn Müller. Der Patient wippt gekrümmt auf seinem Stuhl vor und zurück, die Augen starren nervös auf den Boden. Vor ihm sitzt eine junge Ärztin, eine Herzchirurgin in Weiterbildung. Sie muss den Patienten aufklären – morgen steht seine Bypass-Operation an. Ein Eingriff, der dringend nötig ist, um sein Leben zu retten. Doch der Patient lässt nichts an sich heran, er versinkt geradezu in seinem grauen Kapuzenpulli.
Was tun in einer solchen Situation?
Zum Glück ist die junge Ärztin damit heute nicht allein. Sie ist Teilnehmerin der DGTHG-Weiterbildung „Grundlagen Herzchirurgie“ – und der Patient ist Schauspieler. Gebrieft wurde er von der DGTHG-Dozentin und Diplom-Psychologin Dr. Katharina Tigges-Limmer. Sie arbeitet an der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie im Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen und sieht Menschen wie „Herrn Müller“ täglich. Umso wichtiger sei es, betont sie, junge Nachwuchskolleg:innen auf diese Situationen vorzubereiten – das Grundlagenseminar der DGTHG biete einen geschützten Raum zum Üben.
Kleine Gesten und Körperhaltungen, die viel bewirken
Die Gefühlslage von „Herrn Müller“ sei völlig normal, sagt die Psychologin. „Wir müssen uns nur in seine Lage hineinversetzen, wir hätten sicher auch ein mulmiges Gefühl vor einem Eingriff; ganz egal, wie sicher er ist.“ Dieses empathische Sich-Hineinfühlen sei der erste Schritt auf dem Weg zu einem guten Arzt-Patienten-Gespräch. „Damit schaffen wir eine zwischenmenschliche Grundlage. Wir vermitteln den Betroffenen unterbewusst, dass wir ihre Gefühle ernstnehmen – zum Beispiel durch eine zugewandte Haltung, durch Blickkontakt und die Bereitschaft, sich ganz auf das Gespräch einzulassen.“ 80 Prozent der Kommunikation laufe auf dieser nonverbalen Ebene ab.
All das versucht die junge Seminar-Teilnehmerin nun in ihrem „Übungsaufklärungsgespräch“. Die Ärztin redet dem Patienten gut zu – freundlich und ruhig – und rennt dennoch gegen eine Wand. Der graue Kapuzenpulli verschluckt den Mann immer noch. Ständig fasst er sich an den Brustkorb – als wolle er sein Herz beschützen.
„Wird schon wieder!?“ – Floskeln vermeiden
Psychologin Tigges-Limmer lässt das Rollenspiel kurz einfrieren und gibt der Teilnehmerin einen Rat: „Gehen Sie konkret auf seine größte Sorge ein.“ Und die liegt auf der Hand: Es sind seine Ängste vor den Schmerzen.“ Floskeln solle die junge Ärztin allerdings unbedingt vermeiden. „Es wird schon alles gut“ oder „Wird schon wieder!“ seien Sätze, die nicht authentisch wirkten und eher verunsicherten. Statt leeren Zusicherungen sei es wichtig, realistische Informationen, eine klare Einordnung der Risiken und konkrete Handlungsschritte zu vermitteln. Nur so könne Vertrauen entstehen. „Eine gute Kommunikation kann den Erfolg eines Eingriffs und die Genesung beeinflussen“, sagt die Psychologin. Sie schaffe eine bessere Entscheidungszufriedenheit und könne Stress und Ängste vor einem Eingriff reduzieren und die Betroffenen motivieren, danach selbst stärker am Genesungsprozess mitzuarbeiten.
Aufrichtig sein und Lösungen anbieten
Schafft es die Seminar-Teilnehmerin, Herrn Müller zu ermutigen? Sie gibt sich alle Mühe, schaut ihm freundlich in die Augen und erklärt in klaren, einfachen Sätzen das Schmerzkonzept der Klinik. Ja, natürlich könne es nach dem Eingriff zu Schmerzen kommen, sagt sie. Sie versichert ihm aber sofort, dass man sie sehr gut in den Griff bekäme, und dass das Team gut auf ihn achten werde.
Und siehe da: Herr Müller wird auf einmal größer, der Kapuzenpulli kleiner. Nun endlich schaut er die Ärztin an, die Schultern sind nicht mehr bis fast an die Ohren gezogen, er wirkt offener. Ein echter Erfolg für die Teilnehmerin des Seminars und Zeit für ein Lob der Dozentin. „So ist es richtig“, sagt sie. „Wir sollten als Ärztinnen und Ärzte immer aufrichtig sein, dann aber Lösungen vorschlagen.“ Das bestätigt auch Prof. Dr. Bernd Niemann, Leiter des DGTHG-Seminars und Leitender Oberarzt der Herzchirurgie am Universitätsklinikum Gießen. „Ich sage meinen Patientinnen und Patienten immer, dass sie sich darauf verlassen können, dass ich ehrlich zu ihnen sein werde.“ Nichts sei beunruhigender, als nicht zu wissen, ob man die volle Wahrheit erfahre oder nicht.
Dem Herzchirurgen ist der Baustein „Gesprächsführung“ im DGTHG-Seminar ein echtes Anliegen. Neben jeder Menge Praxis wie Hands-on-Trainings, vielen Möglichkeiten des selbstständigen Operierens an Modellen und dem Steuern einer Herz-Lungen-Maschine biete das Seminar auch einen intensiven Einblick in die Gefühlswelt von Herz-Patient:innen. „Auch das gehört zur Basis“, sagt Niemann. „Wir möchten den Teilnehmenden ein gutes Handwerkszeug mitgeben, das ihnen auch in schwierigen Gesprächssituationen helfen wird.“
Vorsicht bei Fachbegriffen
Zurück zu „Herrn Müller“. Nachdem er erfahren hat, wie mögliche Schmerzen nach der OP behandelt werden können, wirkt er beruhigt. Er hört der Ärztin nun noch aufmerksamer zu und kann konkreter über seine Ängste sprechen. Der Einsatz der Herz-Lungen-Maschine sei eine schwierige Vorstellung, sagt er. Auch hier hat Katharina Tigges-Limmer Tipps für eine behutsame Kommunikation. „Wir müssen uns als Fachpersonal bewusst sein, dass einige Begriffe missverstanden werden können.“ Wenn beispielsweise die Rede von einem „Herzstillstand“ bei der OP sei, würden Patientinnen und Patienten dies häufig mit dem Tod gleichsetzen. Um das zu vermeiden, sei es sinnvoller, die Vorteile der Herz-Lungen-Maschine hervorzuheben und sie als das zu bezeichnen, was sie auch tatsächlich ist: ein Sicherheitsnetz, das den Chirurginnen und Chirurgen ein ganz präzises Arbeiten ermöglicht.
Zwei bis drei Minuten „echte Zeit“ kann ausreichen
Herr Müller entspannt sich weiter. Nun schaut er der jungen Ärztin direkt in die Augen. Das Vertrauen ist da. Ein schönes Ergebnis – aber: Woher die Zeit nehmen für solch intensive Gespräche im oft hektischen Klinikalltag? „Es kommt meist gar nicht auf die Länge des Gesprächs an“, sagt Katharina Tigges-Limmer. „Wenn Sie sich beim Kennenlernen Ihrer Patientinnen und Patienten zwei bis drei Minuten wirklich aufrichtig Zeit nehmen, haben Sie bereits eine Vertrauensgrundlage für die nächsten Gespräche geschaffen; auch wenn es dann vielleicht schneller gehen muss“, sagt sie. „Das verzeihen Ihnen die Patientinnen und Patienten dann.“
Ein gutes Ende finden – mit dem Blick auf eine gesündere Zukunft
Auch das Gespräch zwischen der Seminarteilnehmerin und Herrn Müller muss langsam zu Ende gehen. Der Patient ist jetzt zuversichtlicher. Zuversicht – das sei sowieso ein wichtiges Stichwort, sagt Dozentin Tigges-Limmer. „Beenden Sie ein Gespräch am besten immer mit der Frage, warum die Person die Operation überhaupt machen lässt.“ Fast jeder Mensch habe Beweggründe – vielleicht ist es das Fußballspielen mit dem Enkel, das nach dem Eingriff wieder möglich sein wird, die Reise mit der Ehefrau oder einfach das unbekümmerte Zusammensein mit Freunden und Familie.
Solche konkreten Ziele im Kopf bewirken häufig ein Umdenken. Weg von den Ängsten hin zu einem mutigen: „Ja, dafür mache ich das!“
https://dgthg.de/aktuelles/arzt-patienten-kommunikation-so-fuehren-sie-gute-gesp...
Criteria of this press release:
Journalists
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Psychology, Teaching / education
transregional, national
Advanced scientific education, Transfer of Science or Research
German

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