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Historiker der Universität Jena präsentiert in neuem Buch die Infrastruktur als Transportmittel deutscher Machtinteressen
Jena (02.02.05) Ob der "Transrapid" in China oder deutsche Abwassersysteme für iranische Städte - der Export von High-Tech-Lösungen trägt den Ruf technischer Spitzenleistungen "Made in Germany" in die Welt. "Mit dem Verkauf von Innovationen zum Ausbau unterentwickelter Infrastrukturen in den Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens schaffen deutsche Unternehmen dort aber auch wirtschaftliche und sogar politische Abhängigkeiten", meint PD Dr. Dirk van Laak. "Die scheinbar neutrale Technik ist dabei ein wirkungsvolles Instrument, den eigenen Einfluss in der Welt zu vergrößern", weiß der Historiker von der Universität Jena. Die Wurzeln dieser Politik liegen für ihn in einer noch immer latent vorhandenen "kolonialen Geisteshaltung".
Dieser spürte der Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Friedrich-Schiller-Universität in seinen aktuellen Forschungen nach, deren neueste Ergebnisse gerade im Band "Imperiale Infrastruktur" erschienen sind. Er hat bereits zuvor in einer Pilotstudie das Phänomen des "großtechnischen Infrastrukturausbaus" und seine außen- wie innenpolitischen Dimensionen untersucht. "Nach einem ähnlichen Prinzip, nach dem die deutschen Kolonien erobert wurden, sind nach 1990 auch die neuen Bundesländer erschlossen worden", sagt van Laak. "Die deutsche Wiedervereinigung war dort am erfolgreichsten, wo das Schienen- und Straßennetz oder die Kommunikationssysteme nach westdeutschem Vorbild ausgebaut wurden. In großen Teilen hat es die Politik allerdings dabei belassen und darauf gehofft, dass sich weitere positive Effekte von allein einstellen", beschreibt er seine Beobachtungen. Dies habe sich jedoch schon ein Jahrhundert zuvor bei den technokratischen Eroberungsstrategien der europäischen Kolonialisten als Trugschluss erwiesen.
Ausgangspunkt für die historische Analyse van Laaks sind die deutschen Planungen für eine Erschließung Afrikas in den Jahren 1880 bis 1960. "Als Kolonialmacht hat Deutschland sehr spät - und dann nur 30 Jahre lang bis 1914 - eine Rolle gespielt", erklärt der Jenaer Historiker. "Doch mehrere Generationen von Deutschen haben über die infrastrukturelle Integration Afrikas und des Orients nachgedacht und technokratische Strategien wie das Projekt von der Bagdad-Bahn oder einer teilweisen Trockenlegung des Mittelmeers entwickelt", benennt er "phantastische" Beispiele. Damit wollte sich Deutschland als "Erschließungsmacht" profilieren. Noch bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde im Zuge der beginnenden europäischen Integration auch in Deutschland die Idee eines technisch gemeinsam erschlossenen Großraumes "Eurafrika" verfolgt.
"Heute reden wir von Globalisierung - und die Ausbreitung von westlichen Technologien ist dabei genauso bestimmend wie der Konkurrenzgedanke unter den Industriestaaten", sagt van Laak. "Die Prozesse sind die gleichen wie zu Zeiten, als Afrika unter den Kolonialmächten aufgeteilt werden sollte, nur geht man heute subtiler vor". Auffällig sei, dass sich die Staaten als Akteure eher zurückhielten. "Der Global Player ist heute die Privatwirtschaft".
Festzuhalten sei allerdings auch, dass "die Technik etwas Verführerisches hat und auch die unterentwickelten Länder an die Welt angeschlossen sein wollen", gibt er zu bedenken. Dennoch sei heute kein Platz mehr für koloniale Geisteshaltungen. "Damit die Globalisierung nicht zu so großen Verwerfungen wie bisher führt, darf den Entwicklungsländern nichts verordnet werden", fordert der Jenaer Wissenschaftler.
Seine historischen Forschungen über das "Phänomen Infrastruktur" hat Dirk van Laak in seiner Habilitationsschrift "Imperiale Infrastruktur. Deutsche Planungen für eine Erschließung Afrikas 1880 bis 1960" zusammengefasst, die vor kurzem beim Verlag Ferdinand Schöningh erschienen ist. Eine populärwissenschaftliche Kurzfassung schreibt der Historiker gerade für den Beck-Verlag. Sie soll als "Geschichte des deutschen Imperialismus im 19. und 20. Jahrhundert" noch in diesem Jahr herauskommen.
Bibliografische Angaben:
Dirk van Laak: Imperiale Infrastruktur. Deutsche Planungen für eine Erschließung Afrikas 1880 bis 1960. Paderborn u. a. 2004. Verlag Ferdinand Schöningh GmbH. 480 Seiten. 72 Euro. ISBN 3-506-71745-6.
Kontakt:
PD Dr. Dirk van Laak
Historisches Institut der Universität Jena
Fürstengraben 13, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944453
E-Mail: dvanlaak@t-online.de
Der Jenaer Historiker PD Dr. Dirk van Laak.
Foto: privat
None
Criteria of this press release:
Economics / business administration, History / archaeology
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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