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07/10/2015 10:08

Wie die Darmflora Allergien verhindert

Helmholtz Zentrum München Kommunikation
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt

    Der Körper jedes Menschen beherbergt eine einzigartige Kombination von Milliarden unterschiedlichster symbiotischer Bakterien, die Mikrobiota. Ein Verlust dieser bakteriellen Symbionten begünstigt die Entstehung von Allergien. Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München konnten dieses Phänomen in Zusammenarbeit mit Kollegen der Technischen Universität München und des Institut Pasteur aufklären und zeigen, wie die Mikrobiota auf das Gleichgewicht des Immunsystems wirkt: Die Anwesenheit der Mikroben blockiert spezifisch jene Immunzellen, die für das Auslösen von Allergien verantwortlich sind. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Science veröffentlicht.

    Der sogenannten Hygienehypothese zufolge besteht ein Zusammenhang zwischen der Abnahme von Infektionskrankheiten und der Zunahme von Allergien in industrialisierten Ländern. Verbesserte Hygiene-Standards führen demnach zwangsläufig zu weniger Kontakt mit Mikroben, was mit einem erhöhten Auftreten von allergischen Erkrankungen und Autoimmunkrankheiten wie Typ-1-Diabetes einhergeht. Epidemiologische Studien haben diese Hypothese unterstrichen: Kinder entwickeln während ihres Lebens weniger Allergien, wenn sie in Kontakt mit Bauernhof-Tieren stehen – und dadurch auch mehr Kontakt mit Mikroben haben. Zudem zeigten experimentelle Studien mit Mäusen, dass der Einsatz von Antibiotika in den ersten Lebenstagen zum Verlust einer intakten Mikrobiota und daraufhin zu einem vermehrten Auftreten von Allergien führt. Allerdings waren die Mechanismen, die diesem Phänomen zugrunde liegen, bisher noch nicht geklärt.

    Darmflora entscheidend für die Verhinderung von Allergien

    In der jetzt in Science publizierten Studie zeigt das Team um Dr. Caspar Ohnmacht vom Zentrum Allergie und Umwelt (ZAUM) der Technischen Universität München und des Helmholtz Zentrums München und Gérard Eberl, Leiter der Microenvironment and Immunity Unit am Institut Pasteur, dass symbiotische Darmbakterien das Immunsystem beeinflussen und dadurch allergische Reaktionen blockieren. Um den Organismus zu verteidigen, können verschiedene Immunantworten hervorgerufen werden. Die Anwesenheit von Bakterien oder Pilzen verursacht eine Antwort von sogenannten Typ-3-Zellen des Immunsystems. Diese Immunzellen koordinieren dann die Phagozytose und das Abtöten der Mikroben.

    Ist ein Erreger aber zu groß, um von den Typ 3 Zellen bekämpft zu werden – wie zum Beispiel parasitische Würmer und bestimmte allergieauslösende Stoffe – ist eine andere Gruppe von Zellen für die Beseitigung verantwortlich: die Typ 2 Zellen. Diese speziellen Immunzellen sind aber auch für allergische Reaktionen verantwortlich. In der Studie zeigten die Wissenschaftler, dass Typ 3 Zellen, die bei einem mikrobiellen Kontakt aktiviert werden, direkt auf Typ 2 Zellen einwirken und ihre Aktivität blockieren. Somit sind die Typ 2 Zellen nicht mehr in der Lage, allergische Immunantworten auszulösen. Durch ihren Einfluss auf die Typ 3 Zellen blockiert die Mikrobiota also indirekt die Typ 2 Immunantwort, so die Forscher.

    Die Ergebnisse erklären, wie ein Ungleichgewicht in der Mikrobiota eine überschießende Typ 2 Immunantwort auslöst, die normalerweise für die Abwehr großer Parasiten eingesetzt wird – aber eben auch zu allergischen Antworten führen kann. „Die Studie stellt einen wichtigen Meilenstein dar, um das Gleichgewicht unserer unterschiedlichen Abwehrmechanismen besser zu verstehen“ ordnet Erstautor Caspar Ohnmacht die Ergebnisse ein. „Ein bisher noch unerforschter therapeutischer Ansatz für die Behandlung von Allergien und anderen Typ 2 assoziierten Erkrankungen könnte darin bestehen, ein mikrobielles Antigen nachzuahmen, um dadurch Typ 3 Zellen zu aktivieren und so auch die allergieauslösenden Typ 2 Zellen zu blockieren.“

    Weitere Informationen

    Hintergrund:
    Die Studie wurde gefördert von: L'Agence Nationale de la Recherche (French National Agency for Research), French Medical Research Foundation, Simone und Cino Del Duca Foundation, Europäische Kommission und „Integrative Biology of Emerging Infectious diseases“ Laboratory of Excellence. Dr. Ohnmacht wurde während der Studie durch ein EMBO longterm fellowship gefördert.

    Original-Publikation:
    Ohnmacht, C. et al. (2015). The microbiota regulates type 2 immunity through RORt+ T cells, Science, DOI: 10.1126/science.aac4263

    Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören. Das Helmholtz Zentrum München ist Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung e.V.

    Das Zentrum Allergie und Umwelt (Leitung: Prof. Dr. Carsten Schmidt-Weber) in München ist eine gemeinsame Einrichtung von Helmholtz Zentrum München und Technischer Universität München. Die in der deutschen Forschungslandschaft einzigartige Kooperation dient der fachübergreifenden Grundlagenforschung und Verknüpfung mit Klinik und klinischen Studien. Durch diesen translationalen Ansatz lassen sich Erkenntnisse über molekulare Entstehungsmechanismen von Allergien in Maßnahmen zu ihrer Vorbeugung und Therapie umsetzen. Die Entwicklung wirksamer, individuell zugeschnittener Therapien ermöglicht betroffenen Patienten eine bessere Versorgung.

    Die Technische Universität München (TUM) ist mit rund 500 Professorinnen und Professoren, 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mehr als 37.000 Studierenden eine der forschungsstärksten Technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und Medizin, ergänzt um die Wirtschafts- und Bildungswissenschaften. Die TUM handelt als unternehmerische Universität, die Talente fördert und Mehrwert für die Gesellschaft schafft. Dabei profitiert sie von starken Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft. Weltweit ist sie mit einem Campus in Singapur sowie Niederlassungen in Brüssel, Kairo, Mumbai, Peking und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder wie Rudolf Diesel und Carl von Linde geforscht. 2006 und 2012 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings gehört sie regelmäßig zu den besten Universitäten Deutschlands.

    Ansprechpartner für die Medien:
    Abteilung Kommunikation, Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH), Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg - Tel. +49 89 3187 2238 - Fax: +49 89 3187 3324 - E-Mail: presse@helmholtz-muenchen.de

    Fachlicher Ansprechpartner:
    Dr. Caspar Ohnmacht, Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH), Zentrum Allergie und Umwelt (ZAUM), Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg - Tel. +49 89 3187 2556 - E-Mail: caspar.ohnmacht@tum.de


    More information:

    http://www.helmholtz-muenchen.de/ - Webseite Helmholtz Zentrum München
    http://www.zaum-online.de/ - Webseite Zentrum Allergie und Umwelt
    http://www.helmholtz-muenchen.de/aktuelles/pressemitteilungen/2015/index.html - Pressemitteilungen Helmholtz Zentrum München


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    Die Mikrobiota im Darm (hier eine histologische Färbung eines Darm-Querschnitts) beeinflusst maßgeblich das Immunsystem des Wirts.
    Die Mikrobiota im Darm (hier eine histologische Färbung eines Darm-Querschnitts) beeinflusst maßgebl ...
    Quelle: Dr. Caspar Ohnmacht, ZAUM
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    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Biology, Medicine
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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