idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
05/03/2019 12:20

Skandal, Zensur, Verbot: Historische Studie zeigt, wie Pop die Gesellschaften internationalisierte

Dr. Stefanie Eisenhuth Öffentlichkeitsarbeit
Zentrum für Zeithistorische Forschung

    „Geräuschathleten“, „Plünnenheinis“, „Schluckauf-Carusos“: Diese Bezeichnungen für normabweichende Musikstars und deren Fans waren in den 1950er-Jahren noch harmlos. Oft war die Kritik an jener neuen Kultur, die sich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg formierte, kulturpessimistisch bis offen rassistisch. Traditionsbewusste Eliten schockierte nicht nur die Technisierung der an Kino und E-Gitarre orientierten neuen Massenästhetik, sondern auch der internationale Charakter der Szene. „Die Jugendpopkultur war eine Transnationalisierung von unten“, sagt Bodo Mrozek. Sein am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam entstandenes Buch bietet erstmals einen Überblick zur Geschichte der Popkultur.

    Für seine Studie hat der Historiker Archivdokumente aus mehr als sechs Ländern ausgewertet, darunter Frankreich, Großbritannien, die USA und neben der Bundesrepublik Deutschland auch die DDR. In all diesen Staaten machte man für ungewohntes jugendliches Verhalten die neuen Sounds der Rock- und Popmusik verantwortlich – und versuchte mit Zensur, Boykotten und Polizeiaktionen gegenzusteuern.

    Auf mehr als 850 Seiten analysiert Mrozek die Übernahme negativer Sozialstereotypen aus Literatur und Kino durch Polizei und Politik. Anhand von „Halbstarken“, „Teddy Boys“ und weiblichen Beat-Fans zeigt sein Buch, wie nach tumultartig verlaufenen Film- und Musikaufführungen sich etwa in England das Klischee des Arbeiterjugendlichen als gewalttätiger Messerstecher durchsetzte, während man in Frankreich junge Algerier als gewaltbereite „Blousons noirs“ diskriminierte. Jungen Frauen warf man Verstöße gegen die Sexualmoral vor, wenn sie auf Konzerten lautstark Emotionen äußerten. Gegen diese Skandalisierungen etablierten sich in den 1960er-Jahren allmählich neue Formate für internationale Popmusik in Kino, Rundfunk, Fernsehen und auf dem Zeitschriftenmarkt – oftmals auf Druck der in Fanclubs transnational organisierten Jugendlichen.

    Dabei sieht Mrozek Parallelen zu gegenwärtigen Diskussionen. „Die Ereignisse bei einem Pariser Massenkonzert 1963 ähneln dem, was 2016 nach der so genannten ‚Kölner Silvesternacht‘ geschah – in beiden Fällen wurden Einzelfälle pauschalisiert und führten zu politischer Stimmungsmache und Repressionen.“ Mrozek versteht seine Ergebnisse daher als historische Korrektur aktueller Debatten: „Heute wird oft behauptet, Internationalisierung sei ein Privileg der globalisierten Eliten. Weniger gebildete Menschen hingegen bräuchten eine nationalkulturelle Heimat. Meine Ergebnisse zeigen aber, dass die Impulse zu einer internationalen Kultur jahrzehntelang gerade von den weniger gebildeten Schichten ausgingen, während die Eliten mit drastischen Maßnahmen eine Nationalkultur durchsetzen wollten.“

    ________

    Bodo Mrozek ist Historiker. Derzeit ist er Fellow am Berliner Kolleg Kalter Krieg und assoziierter Wissenschaftler am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF), wo sein Buch entstand.

    Zum Buch: https://www.suhrkamp.de/buecher/jugend_pop_kultur-bodo_mrozek_29837.html

    Zum Autor: https://zzf-potsdam.de/de/mitarbeiter/bodo-mrozek


    Contact for scientific information:

    Dr. Bodo Mrozek
    Tel.: 0331/28991-27
    Email: mrozek@zzf-potsdam.de


    Original publication:

    Bodo Mrozek: Jugend – Pop – Kultur. Eine transnationale Geschichte, Berlin: Suhrkamp 1. Auflage 2019 (=stw 2237). 866 Seiten, 34 Euro. ISBN: 978-3-518-29837-4


    Images

    Das Buch "Jugend – Pop – Kultur. Eine transnationale Geschichte"
    Das Buch "Jugend – Pop – Kultur. Eine transnationale Geschichte"
    Foto: Bodo Mrozek
    None

    Das Buch "Jugend – Pop – Kultur. Eine transnationale Geschichte"
    Das Buch "Jugend – Pop – Kultur. Eine transnationale Geschichte"
    Buchcover: Suhrkamp
    None


    Attachment
    attachment icon Leseprobe

    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Cultural sciences, History / archaeology, Music / theatre, Social studies
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).