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06/26/2020 11:00

Hochkalorische Zusatznahrung bei Amyotropher Lateralsklerose (ALS) von Vorteil bei normaler bis rascher Progredienz

Dr. Bettina Albers Pressestelle der DGN
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

    Die ALS ist eine fortschreitende Erkrankung des motorischen Nervensystems, für die es bislang keine Therapie gibt, um die Progression der Erkrankung effektiv aufzuhalten. Aufgrund von Beobachtungen, dass ein Gewichtsverlust die Prognose ungünstig beeinflusst, wurde bei 200 ALS-Patienten untersucht, ob eine zusätzliche Kalorienzufuhr von 450 kcal/Tag die Überlebenszeit verlängern kann. Wie die Studie zeigte, konnte das Überleben der Betroffenen insgesamt nicht diätetisch beeinflusst werden. Jedoch profitierte die Subgruppe der normal bis schnell progredienten Patienten, vor allem diejenigen, denen es gelang, ihr Gewicht zu halten.

    Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine progrediente Erkrankung des motorischen Nervensystems, die im Verlauf weniger Jahre zu einer schweren Behinderung und letztendlich zum Tod führt. Die Häufigkeit der ALS liegt in Deutschland bei 3/100.000 Personen [2]. Der Erkrankungsverlauf ist sehr variabel, die durchschnittliche Überlebenszeit liegt bei 2-4 Jahren. Daher ist die Prävalenz der Erkrankung mit einem Schätzwert von 6.000-8.000 Patienten in Deutschland relativ niedrig. Selten gibt es auch Verläufe über 10-20 Jahre (bei ca. 5-10% der Patienten).

    Die Erkrankung beginnt in der Regel nach dem 50. Lebensjahr, Männer sind etwas häufiger betroffen (1,5:1). Es kommt zu Muskelschwund, Muskelschwäche und im Verlauf zu Lähmungen. Durch eine Miteinbeziehung der Muskulatur im Kopf-Halsbereich können Probleme beim Kauen, Schlucken und Sprechen entstehen. Wenn die Atemmuskulatur schwächer wird, drohen Lungenentzündungen und eine chronische Sauerstoffunterversorgung des Körpers. Eine kurative Therapie gibt es bislang nicht. Mit dem Medikament Riluzol wird in Sinne einer „krankheitsmodifizierenden Therapie“ versucht, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. In erster Linie ist die Behandlung aber symptomatisch, um Beschwerden (z. B. Muskelkrämpfe) zu lindern und Komplikationen vorzubeugen. So wurde auch gezeigt, dass Gewichtsverlust ein ungünstiger Prognoseprädiktor ist.

    Die im Februar publizierte LIPCAL-ALS-Studie des ALS/MND-NET (Deutsches Netzwerk für Motoneuronerkrankungen) [1] untersuchte doppelblind placebokontrolliert, ob eine hochkalorische Ernährung die Prognose bzw. das Überleben von ALS-Patienten verbessern kann. An zwölf deutschen Zentren wurden 121 weibliche und 80 männliche Patienten zu gleichen Teilen (1:1) in zwei Gruppen randomisiert (2015-2018). Das mittlere Alter lag bei 62 (51-73) Jahren. Die Patienten wurden medikamentös mit Riluzol (100 mg/d) behandelt und erhielten zusätzlich zu ihrer gewohnten Ernährung entweder 3x30 ml einer hochkalorischen Fett-Diät („HCFD“: 100% Fett, täglich 405 kcal) oder 3x30 ml Placebo. Primärer Endpunkt war die Überlebenszeit; Kontrolluntersuchungen erfolgten alle drei Monate. Insgesamt waren Verträglichkeit und Sicherheit der Fett-Diät gut, dennoch gab es mit 26% eine höhere Studienabbruchrate als bei anderen ALS-Studien mit Medikamenten. Als Grund wurde vor allem der mit der Studienteilnahme verbundene Aufwand angegeben.

    In der Gesamtpopulation der Studie war am Studienende die Überlebenswahrscheinlichkeit in der HCFD-Gruppe 0,37 und in der Placebogruppe 0,39. Der Unterschied war statistisch nicht signifikant (p=0,44). In einer Posthoc-Analyse zeigte sich aber ein signifikanter Überlebensvorteil für die Subgruppe von Patienten mit einem normal bis rasch progredienten ALS-Verlauf (0,62 vs. 0,38; p=0,02). Es profierten insbesondere die Patienten, die ihr Gewicht halten konnten.

    „Die hochkalorische Fettzufuhr hatte in der gesamten Studienpopulation keinen lebensverlängernden Effekt“, erklärt Prof. Dr. med. Albert C. Ludolph, Ärztlicher Direktor Klinik für Neurologie der Universität Ulm. „Auch wenn nach diesen Daten eine Fett-Diät bei ALS-Patienten nicht generell empfohlen werden kann, so liefert die Studie wertvolle Hinweise, welche Patienten dennoch von einer Fett- bzw. Kaloriensupplementierung tatsächlich profitieren könnten, und zwar die mit tendenziell schnelleren Verläufen. Allerdings muss einschränkend hinzugefügt werden, dass Ergebnisse von Posthoc-Analysen immer in eigenen, präspezifizierten Studien bestätigt bzw. überprüft werden sollten, auch um weitere Fragen zu klären. So ist beispielsweise auch bislang nicht abzuleiten, ob der Nutzen allein auf die Kalorienmenge per se oder auf die Art der Nährstoffe zurückzuführen war, also beispielsweise, ob Fett- oder Eiweißkalorien besser sind. Wir konzipieren deshalb eine solche Studie und raten unseren Patienten in der Zwischenzeit ihr Gewicht zu halten.“

    Literatur
    [1] Ludolph AC, Dorst J, Dreyhaupt J et al. LIPCAL-ALS Study Group. Effect of High-Caloric Nutrition on Survival in Amyotrophic Lateral Sclerosis. Ann Neurol 2020 Feb; 87 (2): 206-16
    [2] https://www.dgn.org/leitlinien/3012-ll-18-ll-amyotrophe-lateralsklerose-motoneur...

    Pressekontakt
    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    c/o albersconcept, Jakobstraße 38, 99423 Weimar
    Tel.: +49 (0)36 43 77 64 23
    Pressesprecher: Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen
    E-Mail: presse@dgn.org

    Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
    sieht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren über 10.000 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

    Präsidentin: Prof. Dr. med. Christine Klein
    Stellvertretender Präsident: Prof. Dr. med. Christian Gerloff
    Past-Präsident: Prof. Dr. Gereon R. Fink
    Generalsekretär: Prof. Dr. Peter Berlit
    Geschäftsführer: Dr. rer. nat. Thomas Thiekötter
    Geschäftsstelle: Reinhardtstr. 27 C, 10117 Berlin, Tel.: +49 (0)30 531437930, E-Mail: info@dgn.org


    Original publication:

    https://doi.org/10.1002/ana.25661


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Medicine
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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