idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
10/29/2020 15:21

Mehr Infektionen als bekannt: Neue Studie zeigt Relevanz bevölkerungsweiter SARS-CoV-2-Antikörpertests auf

Verena Schulz Kommunikation
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt

    Eine neue Studie des Helmholtz Zentrums München kommt zu dem Ergebnis, dass sechsmal mehr Kinder in Bayern mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert waren als gemeldet. Dies verdeutlicht die Relevanz bevölkerungsweiter Antikörper-Screenings zur Überwachung des Pandemieverlaufs. Die Studie beschreibt außerdem einen neuen Ansatz, um Antikörper gegen SARS-CoV-2 mit besonders hoher Genauigkeit zu messen.

    Neuer Ansatz zur Messung von Antikörpern gegen SARS-CoV-2
    Derzeitige Antikörpertests weisen eine mangelnde Spezifität auf, was zu einem großen Anteil falsch-positiver Ergebnisse führt. Unter der Leitung von Prof. Anette-G. Ziegler entwickelten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum München nun einen neuen Ansatz zur Messung von Antikörpern gegen SARS-CoV-2. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass das Testergebnis erst dann als Antikörper-positiv gilt, wenn sowohl gegen die Rezeptor-Bindungsdomäne als auch gegen Nukleokapsid-Proteine des Virus positiv getestet wurde. Dieser zweistufige und zweifach-positive Ansatz führt zu besonders genauen Ergebnissen mit einer Spezifität von 100 Prozent und einer Sensitivität von mehr als 95 Prozent.

    Da Ziegler und ihre Forschungsgruppe bereits eine große, bayernweit angelegte Bevölkerungsstudie namens „Fr1da“ zur Früherkennung von präsymptomatischem Typ-1-Diabetes bei Kindern durchführten, konnten sie schnell und einfach die bestehende Test-Infrastruktur um den neuen Ansatz für SARS-CoV-2-Antikörper erweitern.

    Ergebnisse des SARS-CoV-2-Antikörper-Screenings
    Zwischen Januar 2020 und Juli 2020 untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler knapp 12.000 Blutproben von Kindern in Bayern im Alter zwischen 1 und 18 Jahren (Teilnehmende der Fr1da-Studie) auf SARS-CoV-2-Antikörper. Zwischen April und Juli wiesen im Schnitt 0,87 Prozent der Kinder Antikörper auf (zweifach-positiv). Im Vergleich zu den vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Ernährung (LGL) gemeldeten Fällen von Kindern in Bayern (zwischen 0 und 18 Jahren), die zwischen April und Juli positiv auf das Virus getestet wurden, war die Antikörperhäufigkeit damit sechsmal höher.

    Die Ergebnisse machten keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern sichtbar. Knapp die Hälfte (47 Prozent) der Kinder mit Antikörpern waren asymptomatisch. Rund ein Drittel (35 Prozent) der Kinder, die mit einem auf das Virus positiv getestetem Familienmitglied zusammenlebten, wiesen Antikörper auf. Dies deutet auf eine höhere Übertragungsrate hin als in bisherigen Studien beschrieben. Zudem zeigten die Ergebnisse innerhalb Bayerns deutliche geographische Unterschiede („Hot-Spots“). Am meisten positive Antikörpertests gab es im Süden Bayerns.

    Darüber hinaus wurden die Kinder auch auf Typ-1-Diabetes-Autoantikörper getestet. Diese dienen als Früherkennungsmerkmal für präsymptomatischen Typ-1-Diabetes. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten keine Zunahme dieser Antikörper feststellen. Dies lässt darauf schließen, dass COVID-19 und Typ-1-Diabetes bei Kindern nicht miteinander assoziiert sind.

    Bedeutung für COVID-19-Maßnahmen
    „Unsere Studie liefert wichtige Ergebnisse, die die Diskrepanz zwischen gemeldeten Virusinfektionen und Antikörperaufkommen offenlegen“, sagt Markus Hippich, Erstautor der Studie und Postdoc am Helmholtz Zentrum München. „Da viele Personen, bei Kindern knapp die Hälfte, keine COVID-19-typischen Symptome entwickeln, werden sie nicht getestet. Um verlässliche Daten über die Ausbreitung des Virus zu bekommen, reicht es also nicht aus, nur auf das Virus selbst zu testen.“

    Studienleiterin Prof. Anette-G. Ziegler ergänzt: „Nationale Programme, die mit hoher Spezifität und Sensitivität auf Antikörper testen, könnten den Ländern zuverlässige Daten liefern, um sich auf die Zukunft vorzubereiten. Sie könnten ihnen dabei helfen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und die Auswirkungen regionaler und landesweiter COVID-19-Maßnahmen zu überprüfen.“

    Dashboard
    Die Studienergebnisse sind gemeinsam mit einer Übersicht zur geografischen Verteilung der Antikörperhäufigkeit in einem Online-Dashboard verfügbar: https://covid-dashboard.fr1da-studie.de/app_direct/covid-dashboard/. Die Zahlen werden monatlich aktualisiert.

    Einschränkungen der Studie
    Antikörper gegen SARS-CoV-2 sind erst nach einer bis vier Wochen nachweisbar. Deshalb können diese Messwerte nicht dafür genutzt werden, um Aussagen über das aktuelle Infektionsgeschehen zu treffen. Bisher gibt es keine Belege dafür, dass SARS-CoV-2-Antikörper zu einer Immunität gegen das Virus führen. Falls dies belegt werden sollte, könnten die Ergebnisse wichtige Informationen zur Immunitätslage der Kinder in Bayern liefern.

    Über die Studie
    Diese Studie wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) unterstützt. Förderer der Fr1da-Studie sind die LifeScience-Stiftung, JDRF und The Helmsley Charitable Trust.

    Mehr zu Fr1da: https://www.helmholtz-muenchen.de/en/aktuelles/latest-news/press-information-new...

    Helmholtz Zentrum München
    Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Forschungszentrum die Mission, personalisierte medizinische Lösungen zur Prävention und Therapie umweltbedingter Krankheiten für eine gesündere Gesellschaft in einer sich schnell verändernden Welt zu entwickeln. Es erforscht das Entstehen von Volkskrankheiten im Kontext von Umweltfaktoren, Lebensstil und individueller genetischer Disposition. Besonderen Fokus legt das Zentrum auf die Erforschung des Diabetes mellitus, Allergien und chronischer Lungenerkrankungen. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.500 Mitarbeitende und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands mit mehr als 40.000 Mitarbeitenden in 19 Forschungszentren.


    Contact for scientific information:

    Prof. Anette-G. Ziegler
    Helmholtz Zentrum München
    Institut für Diabetesforschung
    E-Mail: anette-g.ziegler@helmholtz-muenchen.de


    Original publication:

    Hippich et al., 2020: Public health antibody screening indicates a six-fold higher SARS-CoV-2 exposure rate than reported cases in children. Med, DOI: 10.1016/j.medj.2020.10.003


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
    Medicine
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).