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03/04/2022 09:17

Tarnung oder Kommunikation: Wozu Vögel ihren Geruch nutzen

Jörg Heeren Medien und News
Universität Bielefeld

    Biolog*innen untersuchten, wozu Veränderungen des Bürzelöls dienen

    Welche Sinne nutzen Vögel? Offensichtlich gebrauchen sie Gehör und Augen – schließlich singen sie und tragen oft ein buntes Gefieder. Was aber ist mit dem Geruchssinn? Lange Zeit gab es die Ansicht, Riechen spiele für Vögel keine Rolle. In den vergangenen Jahren ist aber eine Reihe von Arbeiten entstanden, die diese Annahme widerlegen – darunter Forschungen, die sich mit dem Sekret aus der Bürzeldrüse befassen, mit dem Vögel sich mehrmals am Tag ihr Gefieder einschmieren.

    Was es mit Veränderungen in dessen Zusammensetzung auf sich haben könnte und welche Rolle der Geruch dabei spielt, haben Wissenschaftler*innen unter anderem der Universität Bielefeld untersucht. Ihre Studie wurde in der Fachzeitschrift Biological Reviews veröffentlicht.

    Die meisten Vogelarten besitzen an der Wurzel ihres Schwanzes eine besondere Drüse: die Bürzeldrüse. Sie sondert ein öliges Sekret ab, das die Vögel mehrmals am Tag mit dem Schnabel auf ihrem Gefieder verteilen. Das Sekret der Drüse dient unter anderem dazu, das Gefieder zu pflegen, es zu fetten und wasserabweisend zu machen – und es könnte noch weitere Funktionen haben, über die bisher wenig bekannt ist.

    Wie sich dieses Sekret zusammensetzt, unterscheidet sich nicht nur zwischen verschiedenen Vogelarten, sondern oft auch innerhalb einer Art. „Eine Beobachtung war für uns entscheidend: Bei fast allen Vogelarten treten jahreszeitliche Veränderungen auf“, sagt Marc Gilles, Doktorand in der Arbeitsgruppe Verhaltensökologie an der Fakultät für Biologie der Universität Bielefeld.

    Veränderungen beim Bürzelöl während der Paarungszeit

    Gilles hat gemeinsam mit weiteren Forschenden insgesamt 187 Studien gesichtet und 55 Studien ausgewertet, die sich mit dem Bürzelöl und seiner Zusammensetzung befassen. „Wir wollten herausfinden, warum es zu Veränderungen kommt und welche Bedeutung sie haben.“ Bei 47 Prozent der Arten stellten die Forschenden einen Unterschied zwischen den Geschlechtern fest. „Wenn wir Unterschiede zwischen den Geschlechtern gefunden haben, traten diese vor allem während der Paarungszeit auf“, sagt der Biologe.

    Durch Geruch die eigenen Nachkommen tarnen

    Warum verändert sich die Zusammensetzung des Sekrets? „Eine Hypothese ist, dass das Bürzelöl eine Schutzfunktion während der Brutzeit hat“, sagt Gilles. Es könnte dazu dienen, ein Nest geruchlich zu tarnen und es so besser vor denjenigen Räubern zu schützen, die sich bei der Jagd am Geruch orientieren. Für diese Annahme spricht es, dass sich Unterschiede insbesondere während der Brutzeit finden lassen – und zwar vor allem bei dem Geschlecht, das brütet. Besonders deutlich traten solche jahreszeitlichen Unterschiede bei Bodenbrütern, etwa wie Küstenvögeln, auf. „Bodenbrüter sind gegenüber Räubern wie Füchsen, die sich am Geruch orientieren, natürlich besonders gefährdet, weil ihr Nest so leicht zugänglich ist“, sagt Gilles. „Eine geruchliche Tarnung würde hier höhere Überlebenschancen für die Jungtiere bedeuten.“

    Mit Geruch bei der Fortpflanzung kommunizieren

    Eine andere Möglichkeit ist, dass das Bürzelöl und seine veränderte Zusammensetzung eine soziale Funktion hat: Das Sekret könnte einem Vogel etwa signalisieren, welches Geschlecht ein Artgenosse hat – und ob er ein geeigneter Partner wäre, um sich fortzupflanzen. Die Zusammensetzung könnte demnach Aufschluss darüber geben, wie gut zwei Tiere genetisch miteinander harmonieren, um gesunden Nachwuchs zu zeugen. „Denkbar ist auch, dass der Geruch dazu dient, dass Eltern und Jungtiere sich wechselseitig erkennen“, sagt Gilles. Dafür lieferten die gesichteten Studien etliche Belege. So zeigen Studien, dass das Öl insbesondere bei Sperlingsvögeln in der Brutzeit flüchtiger wird und Vögel die Duftstoffe nutzen könnten, um mit gleichgeschlechtlichen Artgenossen zu konkurrieren.

    „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die vorhandenen Studien diese Hypothesen unterstützen“, sagt auch Professorin Dr. Barbara Caspers, die die Studie betreut hat. Sie leitet die Arbeitsgruppe Verhaltensökologie und untersucht seit mehreren Jahren den Geruchssinn bei Singvögeln. In ihren Studien konnte sie zeigen, dass zumindest einige Vögel einen gut ausgeprägten Geruchssinn haben und diesen tatsächlich auch einsetzen, um miteinander zu kommunizieren. Die jetzt veröffentlichte Studie lässt die Vermutung zu, dass es vielleicht ein generelleres Phänomen ist. „Es liegen allerdings aktuell leider nicht genügend Daten vor, um die Hypothesen weiter zu prüfen.“ Die Forschenden geben deshalb Empfehlungen, um die Datenlagen zu verbessern.

    Um die Annahme zu überprüfen, ob ein verändertes Sekret dem Schutz während der Brutzeit dient, fehlen etwa Studien über die Fähigkeiten von Raubtieren, verschiedene Zusammensetzungen des Öls zu erkennen. In den meisten Studien ist außerdem bislang nur aufgeschlüsselt worden, dass es Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt – aber nicht, worin diese genau bestehen. „Zusätzliche Informationen über die Art der Unterschiede könnten helfen, die beiden Hypothesen voneinander zu trennen“, sagt Caspers. Darüber hinaus ist bislang nicht klar, inwieweit Eltern das Sekret auch auf den Nachwuchs übertragen. „Auch dazu ist weitere Forschung nötig“, sagt Barbara Caspers. Unklar ist vielfach auch, in welchen Brutphasen Veränderungen auftreten und ob Vögel in der Lage sind, das Geschlecht von Artgenossen am Geruch zu unterscheiden.

    In der aktuellen Studie weisen die Wissenschaftler*innen darauf hin, worauf bei künftigen Untersuchungen zum Bürzeldrüsenöl zu achten ist. „In den ausgewerteten Studien wird nur selten angegeben, welches Geschlecht Veränderungen aufweist. Auch wird nur selten im Detail erläutert, welche Chemikalien sich verändert haben“, sagt die Wissenschaftlerin. Wenn Geschlechtsunterschiede von Interesse sind, sollten Forschende Proben während der Brutzeit nehmen und auch die verschiedenen Brutphasen von Paarbildung bis Brutpflege erfassen. Außerdem wäre es wichtig, mehr Vogelordnungen in die Studien mit einzubeziehen: Für die Hypothese zur geruchlichen Tarnung beispielsweise wurden bislang vor allem Küstenvögel untersucht. „Auf diese Weise würden wir tiefere Einblicke in die Rolle der chemischen Maskierung und der chemischen Signalgebung bei Vögeln gewinnen“, sagt Caspers.


    Contact for scientific information:

    Marc Gilles, Universität Bielefeld
    Fakultät für Biologie
    Telefon: 0521 106-2193
    E-Mail: marc.gilles@uni-bielefeld.de


    Original publication:

    Leanne A. Grieves, Marc Gilles, Innes C. Cuthill, Tamás Székely, Elizabeth MacDougall-Shackleton and Barbara A. Caspers (2022), Olfactory camouflage and communication in birds. Biological Reviews, https://doi.org/10.1111/brv.12837, erschienen am 6. Februar 2022.


    More information:

    https://www.uni-bielefeld.de/fakultaeten/biologie/forschung/arbeitsgruppen/behav... Website der Arbeitsgruppe Verhaltensökologie
    https://barbaracaspers.wordpress.com Website von Prof’in Dr. Barbara Caspers


    Images

    Vögel nutzen zum Putzen das Öl aus ihrer Bürzeldrüse. Dieses hilft nicht nur dabei, das Gefieder zu pflegen, sondern hat noch weitere Funktionen für die Tiere: Es könnte etwa dazu dienen, Gelege besser zu tarnen und Fortpflanzungspartner anzuziehen.
    Vögel nutzen zum Putzen das Öl aus ihrer Bürzeldrüse. Dieses hilft nicht nur dabei, das Gefieder zu ...

    Foto links: Hayley Crews, Foto rechts: Oliver Krüger

    Prof’in Dr. Barbara Caspers und Marc Gilles haben sich mit dem Bürzelöl von Vögeln befasst. Sie haben 187 Studien gesichtet, um mehr darüber herauszufinden, warum sich die Zusammensetzung des Öls im Jahresverlauf verändert.
    Prof’in Dr. Barbara Caspers und Marc Gilles haben sich mit dem Bürzelöl von Vögeln befasst. Sie habe ...

    Fotos: Universität Bielefeld/S. Jonek


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils
    Biology, Environment / ecology, Zoology / agricultural and forest sciences
    transregional, national
    Cooperation agreements, Research results
    German


     

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