idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
03/08/2023 18:07

Pilzsporen kidnappen Lungenzellen

Ronja Münch Pressestelle
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI)

    Der krankheitserregende Pilz Aspergillus fumigatus entgeht seiner Vernichtung in Oberflächenzellen der menschlichen Lunge, indem er ein menschliches Protein bindet. Dadurch nistet er sich in abgegrenzten Bereichen – den Phagosomen – in den Lungenzellen ein. So verhindert der Pilz, dass Zellprozesse in Gang gesetzt werden, die ihn abtöten würden. Forschende des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) haben damit einen möglichen neuen Angriffspunkt gegen die Pilzinfektion entdeckt.

    Aspergillus fumigatus ist ein Schimmelpilz, der weltweit in der Umwelt vorkommt. Für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem kann er zu einer ernsten Gefahr werden: Laut Schätzungen erkranken jedes Jahr mehr als 300.000 Menschen weltweit an einer Invasiven Aspergillose, also einer Infektion mit einem Schimmelpilz der Gattung Aspergillus. 40-90 Prozent der Patienten versterben daran.

    Forschende am Leibniz-HKI haben nun entdeckt, dass Pilzsporen die Oberflächenzellen der Lunge davon abhalten können, sie zu töten. „Die sogenannten Epithelzellen unserer Lunge sind die wichtigste Barriere gegen Pilzsporen und andere potentielle Pathogene aus der Luft“, erklärt Axel Brakhage, Direktor der Leibniz-HKI und Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie halten einen Großteil der Sporen ab, die wir tagtäglich einatmen.

    Anders als Immunzellen sind Lungenepithelzellen zwar nicht auf das Töten von Krankheitserregern spezialisiert, aber trotzdem dazu in der Lage: Die Zellen umschließen Fremdkörper und bilden damit ein sogenanntes Phagosom, ein von einer Membran umschlossenes Kompartiment innerhalb der Zelle. Anschließend wird eine Vielzahl von Zellprozessen in Gang gesetzt, bei denen das Phagosom reift und die Eindringlinge schließlich mit stark reaktiven Substanzen zersetzt werden.

    Dass Pilzsporen diesen Mechanismus umdirigieren können, entdeckten die Forschenden, als sie sich deren Oberflächenstrukturen genauer ansahen. „Wir wollten wissen, welche der pilzlichen Oberflächenproteine an menschliche Zellen binden und somit an der Infektion beteiligt sein könnten“ erklärt Leijei Jia, Erstautor der Studie.

    Dabei fanden sie ein menschliches Protein – p11 – das offenbar von einem pilzlichen Protein gebunden wird. „Wenn wir das Pilzprotein ausschalten, das an p11 bindet, finden wir die Pilzsporen in den ‚reifen‘ Phagosomen, das heißt sie werden zersetzt. Wenn wir das menschliche p11 ausschalten, ebenso“, sagt Jia. „Wenn das Pilzprotein und p11 jedoch intakt sind, bleiben die Phagosomen ‚unreif‘.“ Dann umschließen die Epithelzellen der Lunge zwar die Pilzsporen, vernichten sie aber nicht. Das konnten Jia und seine Kolleg*innen am Leibniz-HKI auch unter dem Mikroskop beobachten: In den unreifen Phagosomen keimten die Sporen und bildeten Pilzfäden, sogenannte Hyphen. Manche der Sporen wurden auch wieder aus der Zelle heraus oder in eine Nachbarzelle transportiert, sodass der Pilz sich verbreiten kann.

    Die Experimente konnten die Forschenden anschließend auch mit Immunzellen bestätigen. Das heißt, die Pilzsporen können nicht nur Phagosomen in den Lungenzellen umdirigieren, sondern auch in verschiedenen Immunzellen.

    Die klinische Bedeutung ihrer Entdeckung untersuchte das Team aus Jena gemeinsam mit Mediziner*innen aus Portugal, die DNA-Daten von Empfängern und Spendern einer Stammzelltransplantation lieferten. „Nach Transplantationen sind Patienten besonders anfällig für Pilzinfektionen, weil das Immunsystem heruntergefahren wird“, erklärt Axel Brakhage. Gut ein Viertel der etwa 500 Empfänger von Stammzelltransplantationen entwickelte in den Monaten nach der Transplantation eine lebensbedrohende Invasive Aspergillose.

    Auf dem p11-Gen der transplantierten Stammzellen fanden die Forschenden tatsächlich einen kleinen Unterschied. „Patienten mit einer bestimmten Mutation hatten in der Stichprobe eine geringere Wahrscheinlichkeit, an Invasiver Aspergillose zu erkranken. Dieses Ergebnis hilft, die stärker gefährdeten Patienten besonders intensiv zu beobachten“, so Jia. Sowohl das Pilzprotein, das an p11 bindet, als auch das menschliche Protein selbst könnten somit mögliche Angriffspunkte für eine Therapie der Pilzinfektion sein.

    Die Arbeit wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unter anderem im Rahmen des Exzellenzclusters Balance of the Microverse und der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio) und PolyTarget gefördert. Weitere Unterstützung erhielt die Arbeit durch die Leibniz-Gemeinschaft, die Fundação para a Ciência e a Tecnologia, durch die EU im Rahmen von Horizon 2020, durch die „la Caixa“-Stiftung und durch das Gilead Research Scholars Program.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Axel Brakhage
    Direktor Leibniz-HKI
    Abteilung Molekulare und Angewandte Mikrobiologie
    axel.brakhage@leibniz-hki.de


    Original publication:

    Jia LJ, Rafiq M, Radosa L, Hortschansky P, Cunha C, Csresnyés Z, Krüger T, Schmidt F, Heinekamp T, Straßbuger M, Löffler B, Doenst T, Lacerda JF, Campos A, Figge MT, Carvalho A, Kniemeyer O, Brakhage AA (2023). Aspergillus fumigatus hijacks human p11 to redirect fungal-containing phagosomes to non-degradative pathway. Cell Host & Microbe, https://doi.org/10.1016/j.chom.2023.02.002


    Images

    Das fluoreszenzmikroskopische Bild zeigt Epithelzellen (große, unregelmäßige Strukturen) und Pilzsporen (kleine, kugelige Strukturen). Sind die Pilzsporen von p11 umgeben, erscheinen sie grün, reife Phagosomen erscheinen violett.
    Das fluoreszenzmikroskopische Bild zeigt Epithelzellen (große, unregelmäßige Strukturen) und Pilzspo ...
    Leijie Jia/Leibniz-HKI


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Biology, Medicine
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).