Jena. 50 Jahre Grundgesetz werden derzeit republikweit gefeiert, aber nur in Jena bringt man das Jubiläum auf die Formel "41 plus 9". Gemeint sind die beiden Zeitabschnitte, in denen die freiheitlich-demokratische Grundordnung allein dem Westen vorbehalten war und erst danach für ein freies und wiedervereinigtes Deutschland galt. "Wir bringen damit zum Ausdruck, daß die Grundrechte in Deutschland-Ost und -West durchaus recht unterschiedlich aufgefaßt werden", erläutert Prof. Dr. Rolf Gröschner, Rechtswissenschaftler und -philosoph an der Universität Jena.
Gemeinsam mit dem Thüringer Oberlandesgericht und der Aktion Gemeinsinn e. V. hat er als Dekan der Juristen-Fakultät, für kommenden Dienstag, den 22. Juni, eine hochkarätig besetzte Festveranstaltung organisiert, um diese Unterschiede in Grundrechtsverständnis und -praxis kontrovers zu diskutieren. Bundesverfassungsrichterin Renate Jäger (Karlsruhe), OLG-Präsident Hans-Joachim Bauer, die Jenaer Bürgerrechtlerin Brigitte Kögler und Rolf Gröschner besetzen das Podium, Moderator ist der ehemalige ZDF-Chefredakteur Reinhard Appel. Alle Bürgerinnen und Bürger aus Stadt und Region - nicht nur Juristen - sind zu dieser Veranstaltung ab 17.00 Uhr in der Aula der Friedrich-Schiller-Universität herzlich eingeladen.
"Auch nach neun Jahren im Prozeß des Zusammenwachsens von Ost und West gibt es immer noch innere Mauern zu überwinden", so Gröschner. "Besonders schmerzhaft ist für viele Menschen in Ostdeutschland, daß sie von der politischen Wende ein staatliches System der Gerechtigkeit erhofft haben, ihnen nun aber vor allem Rechtsstaatlichkeit widerfährt. Das ist ein feiner Unterschied." Über enttäuschte Erwartungen wird sicher Brigitta Kögler berichten, die als Mitbegründerin des Demokratischen Aufbruchs in der ersten frei gewählten DDR-Volks-kammer und mit am "Runden Tisch" saß. Aber auch OLG-Präsident Hans-Joachim Bauer, der seine Justizlaufbahn in Rheinland-Pfalz begann und seit 1990 als Richter in Thüringen arbeitet, kann aus seinem reichen Erfahrungsfundus schöpfen, der nur zu oft auch die Kritik ostdeutscher Bürger an Verfahrensrecht und -prozedere beinhaltet.
"Trotz des Verdrusses, der im Einzelfall entstanden sein mag, gibt es an der Güte der Grundrechte als dem Fundament unserer Verfassung nichts zu zweifeln", konstatiert Prof. Gröschner. "Über Auslegung und Verständnis müssen wir allerdings diskutieren: Für mich drücken die Freiheitsrechte nicht zuletzt republikanischen Geist und damit eine Verpflichtung zur gemeinschaftlichen Verantwortung aus." Die Rechtsphilosophie könne da vermittelnd wirken. Deshalb freut sich Gröschner besonders auf den Dialog mit der Bundesverfassungsrichterin Renate Jäger, die seit fünf Jahren in Karlsruhe Mitglied des Ersten Senats ist. "Wenn alles nichts hilft, muß man seine Grundrechte eben einklagen. Dafür gibt es das Gericht in Karlsruhe", erläutert Gröschner, der in Sachen Rechtschreibreform diesen Weg beschritt. Renate Jäger hat sich übrigens wissenschaftlich insbesondere mit dem Gleichheitssatz in Artikel 3 des Grundgesetzes befaßt.
41 + 9 = 50 Jahre Grundrechte im GG. Eine Veranstaltung der Aktion Gemeinsinn e. V., der Friedrich-Schiller-Universität und des Thüringer Oberlandesgerichts Jena am Dienstag, dem 22. Juni, um 17 Uhr in der Aula der FSU
Friedrich-Schiller-Universität
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Criteria of this press release:
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