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07/10/2006 10:36

Tiefflieger im Netz. Neu entwickelter Moskito-Zaun schützt Pferde vor lästigen Insekten

Ilka Seer Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Freie Universität Berlin

    Die Gefahr surrt und summt dicht über der Grasnarbe. Die Gefahr hat viele winzige Flügel, aber vor allem hat sie viele Stechrüssel. Die Gefahr - das sind Stechfliegen und Bremsen. Im Tiefflug nehmen sie Kurs auf ihre Opfer, dicht über dem Boden sausen sie über Felder, erst kurz vor dem Ziel gewinnen sie an Höhe und greifen an. Jeden Sommer werden sie zur Plage - vor allem für Pferde. Während Menschen meist nur genervt sind von den stechenden Insekten, sind sie für die Vierbeiner eine echte gesundheitliche Gefahr. Wissenschaftler vom Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin der Freien Universität Berlin haben jetzt ein Verfahren entwickelt, wie Pferde effektiv geschützt werden können: Sie zäunen die Koppel mit einer Art Moskitonetz ein.

    Das Prinzip ist einfach: "Die Insekten fliegen auf der Höhe der Wirtstiere", sagt Privatdozent Dr. Peter-Henning Clausen, "höchstens einen Meter über dem Boden". Für die Jagd sei das die optimale Flughöhe, von weiter oben könnten die Insekten ihre Opfer nicht so gut riechen und erkennen. Es reicht also, das Netz in einer Höhe von bis zu einem Meter aufzuspannen. Wichtig: Das Hindernis muss so fein sein, dass es für Insekten unsichtbar ist. "Das Insektenauge kann das schwarze, feinmaschige Netz nicht wahrnehmen, so dass die Fliegen und Bremsen auf der Suche nach ihren Wirten früher oder später dagegen fliegen", sagt der Veterinärmediziner. Damit die Insekten nicht weiterfliegen können, werden die Netze mit einem Insektizid behandelt - Bremsen und Fliegen sterben selbst nach kurzem Kontakt innerhalb von fünf Minuten.

    Für die rund eine Million Pferde in Deutschland kann das eine enorme Erleichterung bedeuten. Um die Insekten zu verscheuchen, bewegen Pferde hektisch ihre Köpfe, schlagen mit ihrem Schweif hin und her, galoppieren panisch über die Weiden und wälzen sich auf dem Boden. Bei manchen führt das zu Verhaltensstörungen: Sie durchbrechen Zäune und verletzen sich selbst. Es gibt Pferdehalter, die ihre Tiere nur noch nachts weiden lassen können.

    Auch das Infektionsrisiko der Pferde steigt, wenn sie gestochen werden. Die Weidestechfliege verursacht Hautbluten und Blutverlust, die schmerzhaften Stiche der Bremsen lösen Quaddeln in der Haut aus. Nach massiven Attacken durch Kriebelmücken kann es sogar zu allergischen Überreaktionen kommen, die Veterinärmediziner sprechen von einem "anaphylaktischen Schock". Noch schlimmer setzt den Pferden die Magenbremse zu. Diese klebt ihre Eier an die Haare der Pferde, besonders in der Nähe der Vorderbeine. Die Pferde lecken an den Eiern, daraufhin schlüpfen Larven, die über die Zunge in die Mundhöhle des Pferdes und dann weiter in den Magen wandern, wo sie sich an die Magenwand heften. Dort verursachen sie Geschwüre. Die Pferde leiden in der Folge an Verdauungsstörungen und Abmagerung.

    Bisher gibt es für Pferdehalter nur zwei Wege, ihre Tiere zu schützen: Entweder sie hüllen die Pferde in Decken und Kopfmasken ein. Oder sie benutzen Schutzmittel und Lotionen, mit denen sie die Vierbeiner einsprühen und einreiben. Doch solche Mittel wirken meist nur wenige Stunden oder Tage. "Unsere Fliegennetze dagegen halten mehrere Monate", sagt Dr. Burkhard Bauer vom Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin der Freien Universität Berlin. "Unsere Methode ist nicht nur effizienter, sondern auch gesünder für die Pferde, weil wir die Tiere damit nicht, wie etwa bei Insektenschutzmittel, direkt behelligen müssen."

    Clausens und Bauers vierköpfige Arbeitsgruppe hat bei Studien in Brandenburg die Wirksamkeit des Netz-Zaunes getestet. Demnach konnte der Fliegenbefall bei Pferden bis zu 90 Prozent reduziert werden. Gemessen haben die Forscher dies mit Insektenfallen. Die Wirkung wurde mit Fotos und Videos dokumentiert. Demnach bewegten sich die Tiere auf der umzäunten Weide wesentlich ruhiger und weniger hektisch als auf einer Vergleichsweide. Zudem fanden die Wissenschaftler heraus, dass nicht die gesamte Weide mit dem Netz eingezäunt werden muss. Es reicht, das Netz in der Einflugschneise der Insekten aufzuspannen. In einer Untersuchung seien, so Bauer, nur 170 Meter der Koppel geschützt worden - von insgesamt 800 Metern. Und trotzdem profitierten die Pferde.

    Schon gibt es Verhandlungen mit einer dänischen Firma, die Netze im Sommer des kommenden Jahres auf den Markt zu bringen. Doch bis dahin wollen die Forscher die Methode noch weiter testen und die Technik verfeinern. "Außerdem wollen wir herausfinden, welche Auswirkungen unsere Netze auf Nutzinsekten haben, zum Beispiel auf Bienen", sagt Peter-Henning Clausen.

    Und auch ein neuer Angreifer rückt ins Blickfeld: winzige Mücken, so genannte Gnitzen - eine Plage in vielen europäischen Gegenden, aber auch in ganz anderen Klimazonen. Versuche im Afrika lassen hoffen, dass der Insekten-Zaun auch gegen die Gnitzen wirksam ist. Milchkühe wurden dort mit den Netzen gegen die Stiche der Tsetse-Fliege und gegen Moskitos geschützt. Da in der Nähe der Netze der Insektenbestand insgesamt zurückgeht, hofft Burkhard Bauer, mit der Methode "gleichzeitig Menschen und Tieren zu helfen".

    Von Oliver Trenkamp

    Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
    Dr. Peter-Henning Clausen, Institut für Parasitologie und Internationale Tiergesundheit der Freien Universität Berlin, Tel.: 030 / 838-62505, E-Mail: p-h-clausen@gmx.net


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Social studies, Zoology / agricultural and forest sciences
    transregional, national
    Research results
    German


     

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