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03/20/1996 00:00

Strafrechtliche Probleme bei Kettenbriefen und dem Einsatz von Laien in der Kundenwerbung

Dr. Wolfgang Mathias Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    23/96

    Betruegerische Briefe

    Strafrechtliche Probleme bei Kettenbriefen und dem Einsatz von Laien in der Kundenwerbung

    Koeln, den 20. März 1996 - Strafrechtliche Probleme verursachen kettenartige Systeme, die Laien fuer die Kundenwerbung einsetzen. Dabei werden Personen durch das Versprechen geldwerter Vorteile zum Kauf einer Ware veranlasst. Die Vorteile erhalten sie aber nur dann, wenn sie weitere Kunden zur Abnahme dieser Ware gewinnen. Man unterscheidet dabei zentral (von einem Veranstalter) gesteuerte Kettenbriefsysteme und sogenannte "Selbstlaeufersysteme". Nach der sogenannten "Goldkreis-Entscheidung" des BGH scheidet in den letztgenannten Faellen eine Strafbarkeit wegen verbotenen Gluecksspiels und Betrugs sowie nach dem Sonderstraftatbestand des $ 6c UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) "progressive Kundenwerbung" aus. Dadurch wurde in der Folge ein Boom von - vermeintlich legalen - Kettenbriefaktionen ausgeloest. Diese Systeme koennen aber durch entsprechend weitreichende Auslegung der bestehenden Gesetze strafrechtlich verfolgt werden. Zu diesen Ergebnissen kommt Dr. Ralf Raube in einer Untersuchung, die von dem Geschaeftsfuehrenden Direktor des Kriminalwissenschaftlichen Instituts, Professor Dr. Guenter Kohlmann, betreut wurde.

    Dr. Raube haelt entgegen der BGH-Rechtsprechung eine Strafbarkeit des Veranstalters wegen verbotenen Gluecksspiels nach $ 284 StGB fuer moeglich. Auch ein Betrug koenne gegebenenfalls in Betracht kommen.

    In Kettenbriefen werden in der Regel falsche Angaben ueber die Gewinnaussichten gemacht. Setzt daraufhin ein neuer Mitspieler Geld ein, weil er dem Irrtum erliegt, er koenne mit dem System viel Geld gewinnen, so entsteht ihm ein Schaden im Sinne des Betrugsparagraphen. Die blosse Chance auf einen Gewinn ist dabei kein Ausgleich fuer den Verlust des Geldes, das der Teilnehmer eingesetzt hat. Ein Betrug liegt aber in der Regel nur bei zentralgesteuerten Kettenbriefen vor, da bei "Selbstlaeufersystemen" neue Mitspieler meist keine Zahlung an ihren direkten Werber leisten. Dies waere aber Voraussetzung fuer eine Bestrafung als Betrug. Bei nicht kontrollierten Kettenbriefen brechen die Einzelketten aber gewoehnlich sehr schnell ab, so dass das gesamte Spiel zeitlich und vom Umfang her begrenzt ist. Da solche Systeme somit nur einen aeusserst geringen Schaden verursachen, haelt der Koelner Jurist es nicht fuer erforderlich, neue Strafvorschriften zu schaffen, um auch diese Systeme zu unterbinden.

    Strafbar ist dagegen der Einsatz von Laien in der Kundenwerbung, wenn Verbrauchern geldwerte Vorteile versprochen werden fuer den Fall, dass sie weitere Abnehmer gewinnen. Diese sollen dann weitere Kunden werben, so dass der Kundenkreis extrem schnell waechst. Die Straftatbestaende sind bei diesen Systemen meist nur schwer nachzuweisen. So wird zwar gewoehnlich gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstossen. Fuer eine Bestrafung muss aber nachgewiesen werden, dass der Taeter beabsichtigt hat, den Anschein eines besonders guenstigen Angebots hervorzurufen. Dies duerfte in der Praxis kaum gelingen. Als Betrug koennen die klassischen Kundenwerbungsmodelle in der Regel auch nicht bestraft werden, da dem Mitspieler eine Ware ueberlassen wird. Dies ist als Ausgleich fuer die Vermoegenseinbusse zu sehen, so dass kein Schaden entsteht, der eine Bestrafung als Betrug rechtfertigt.

    Um diese Gesetzesluecke zu schliessen, wurde 1986 ein neuer Paragraph in das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb eingefuegt. Diese Vorschrift ($ 6c UWG, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) wurde aber bislang sehr eng ausgelegt, so dass diese Art der Kundenwerbung nicht davon erfasst wurde, obwohl dies gerade das Ziel des Gesetzgebers war. Nach Auffassung des Koelner Juristen ist eine weitergehende Auslegung noetig, um einen umfassenden Vermoegensschutz zu gewaehrleisten und den Gefahren zu begegnen, die von unlauteren Wettbewerbshandlungen ausgehen. So haelt er es nicht fuer erforderlich, dass allen Kunden die besonderen Vorteile direkt vom Veranstalter gewaehrt werden. Dies sei dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu entnehmen. Einem "Zweitkunden" koennten die Vorteile auch von einem "Erstkunden" ueberlassen werden, wie es bei dieser Kundenwerbung oft der Fall ist.

    Verantwortlich: Dr. Wolfgang Mathias

    Fuer Rueckfragen steht Ihnen Professor Dr. Guenter Kohlmann, Geschaeftsfuehrender Direktor des Kriminalwissenschaftlichen Instituts am 20. Maerz 1996 ab 15.00 Uhr, unter der Telefonnummer 0221/470-5646 zur Verfuegung.


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    Social studies
    transregional, national
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