Als Einzelkämpfer mag sich der Lehrer vorkommen, der seinen Unterricht einfallsreicher gestalten möchte, als es der Lehrplan erfordert. Doch ob nicht, womöglich ganz in der Nähe, Kollegen und Kolleginnen an der Arbeit sind, die ähnliche Pläne hegen oder schon verwirklicht haben - das kann er nicht wissen, solange ihm der Überblick fehlt, was andere tun oder tun wollen. Diese Informationslücke zu schließen ist eines der Anliegen des Projekts "Schulisches Innovations-Netz Nürnberg" (SINN), das drei Lehrstühle der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät (EWF) der Universität Erlangen-Nürnberg und weitere Institutionen gemeinsam ins Leben gerufen haben. Der Service ist in ein anspruchsvolles Vorhaben integriert: ein Gesamtbild aller Neuerungen an der Schulen der Region soll entstehen, zugleich als Anreiz und Bestätigung, als Feld wissenschaftlicher Untersuchung und schließlich auch als langfristiges Instrument einer koordinierten Schulentwicklung im Großraum Nürnberg.
Nicht nur in Bezug auf schulische Inhalte und Methoden wird mit dem Projekt Neuland betreten. Das Team am Lehrstuhl für Schulpädagogik von Prof. Dr. Werner Sacher, am Lehrstuhl Pädagogik II von Prof. Dr. Dieter Spanhel und am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik I von Prof. Dr. Paul Helbig will künftige Entwicklungen aus der Schulpraxis heraus wachsen und reifen lassen, also vorliegende Ansätze stärken und begleiten, Zusammenarbeit fördern und koordinieren. Kein vorher ausgearbeitetes, fertiges theoretisches Konzept soll den Lehrerkollegien zur Anwendung präsentiert oder "übergestülpt" werden; sie selbst sollen die Richtung mitbestimmen, in der die Schule der Zukunft liegt. Die Datenbank des SINN-Projekts mit den hier gebotenen Möglichkeiten zur Vernetzung ist für diesen zunächst regional begrenzten Entwicklungsplan einstweilen das zentrale Instrument.
Die Kunst der zerbrochenen Stühle
Vielleicht haben mehrere Lehrkräfte schon mit der Idee gespielt, das Mönchtum im Mittelalter für ihre Schüler lebendig werden zu lassen und mit ihnen zusammen das Modell eines Klosters aufzubauen. Oder wie wäre es mit einem Projekt zu Sonnenuhren im Unterricht? Besteht Interesse an Erfahrungen mit der Gestaltung von Musicals? Wird ein virtueller Zoo auf CD-Rom gesucht? Wer unter "www.sinn.uni-erlangen.de" die bisher eingetragenen Angebote sichtet, wird erstaunt sein, welche Überraschungen eine solche Fundgrube schon nach recht kurzer Zeit zu bieten hat.
Neben Lernartikeln, Konzepten und Materialien für Projekte und Freiarbeit ist den Neuen Medien ein fester Platz eingeräumt worden: digitale Fotos, Führerschein für Internet-Surfer, eine Schülerzeitung, die im World Wide Web veröffentlicht wird. Kooperationen mit Schulen im Ausland, Begegnungen mit geistig Behinderten oder Kontakte mit Seniorenheimen - wer Ähnliches plant, kann sich mit denen austauschen, die hier bereits aktiv sind. Dazwischen finden sich Spielwiesen der Phantasie, wie das Verfremden kaputter Stühle unter dem Titel "Stuhl-Art".
Nicht unbedingt so ausgefallene Ideen, aber doch ein Abweichen von ausgetretenen Pfaden hatten die Initiatoren des Schulentwicklungsprojekts bei ihrer Definition des Begriffs "Innovation" im Sinn. Alles, was im Handlungsrepertoire und der Organisationsstruktur einer Schulart oder Schulstufe noch nicht zum traditionellen Spektrum gehört, gilt demnach als innovativ.
Neues ist dabei nicht nur im Unterricht gefragt, sondern auch in anderen erzieherischen Bereichen. Darunter fallen etwa Maßnahmen, die die Berufsreife und Berufswahlreife fördern, dem Mißbrauch von Drogen oder der Gewalt unter Schülern vorbeugen, Schulkultur und Klassenklima verbessern oder dazu beitragen, der Schule ein unverwechselbares Profil zu verleihen. Auch Fortbildung wäre ein Thema, bei dem Vorschläge für Neuerungen willkommen sind.
Die SINN-Datenbank ist auf dem Server der EWF und im Regionalen Rechenzentrum Erlangen eingerichtet, so daß Interessenten schnell und einfach Kontakt aufnehmen können. Dadurch eröffnen sich Chancen zu intensiver und dauerhafter Kooperation ebenso wie die Möglichkeit unverbindlicher Anfragen: auch wer nur einen Rat braucht oder sich gelegentlich informieren möchte, kann das Innovations-Netzwerk nutzen. Für Lehrkräfte und Schulen, die keinen Internet-Zugang haben, wird ein regelmäßig aktualisierter Innovationsatlas in gedruckter Form oder auf CD zur Verfügung stehen.
Trends als Basis der Entwicklung
Zugleich liefert die Datenbank die Basis für wissenschaftliche Begleitung und Evaluation. In welchem Ausmaß und unter welchen Bedingungen wirkt sich der verbesserte Informationsfluß günstig auf die Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Schulen, auf Sozialkontakte unter den Beteiligten und auf innovatorische Aktivitäten aus? Bilden sich deutliche gemeinsame Trends heraus, die als Grundlage der Schulentwicklung in der Region in Frage kommen? Zusätzlich hofft man, auf diesem Weg Materialien zusammenzutragen, welche die Erziehungswissenschaftliche Fakultät dann für Schulpraktiker bereithalten kann.
Das Schulentwicklungsprojekt in Form eines Schulversuchs mit wissenschaftlicher Begleitforschung wird in enger Zusammenarbeit mit dem Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung München (ISB), der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung Dillingen, dem Pädagogischen Institut der Stadt Nürnberg sowie staatlichen und kommunalen Schulbehörden durchgeführt. Lehrkräfte und Schulen, die Sinn für Neues beweisen, erhalten von diesen Institutionen Unterstützung. Letztendlich entscheiden solche Praktiker über den Erfolg von SINN: sie müssen das Projekt mit Leben füllen.
* Kontakt:
Prof. Dr. Werner Sacher, Klaus Wild
Lehrstuhl für Schulpädagogik
Regensburger Straße 160, 90478 Nürnberg
Tel.: 0911/5302 -586, -526, Fax: 0911/5302 -718
E-Mail: wrsacher@ewf.uni-erlangen.de, kswild@ewf.uni-erlangen.de
http://www.sinn.uni-erlangen.de
Criteria of this press release:
Social studies, Teaching / education
regional
Research projects
German
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