25/98 UEberlebt durch Jugendbewegung Juedische Jugend in Koeln von 1906 - 1938
Das Beispiel Koeln macht deutlich, das aus der UEbereinstimmung zwischen Gemeinde und Jugendbewegung ein wesentlicher Beitrag zur Staerkung, Ausbildung und vor allem der Rettung organisierter Jugendlicher vor der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik geleistet wurde. Parallel zur gesellschaftlichen Situation der Juden in Deutschland, die in immer staerkerem Masse ins gesellschaftliche Abseits gedraengt wurden, zeigt sich schon am Ende der zwanziger Jahre ein starkes Interesse an der Integration der Jugendlichen in das Leben der Synagogengemeinde. Dieser Entwicklung verschlossen sich die Jugendbuende nicht. Sie verstaerkten ihrerseits, vor dem Hintergrund des wachsenden Antisemitismus, ihre Bemuehungen, das Gemeinschaftsideal der Bewegung ueber die Grenzen der eigenen Buende hinaus in die Gemeinde zu tragen. Zu diesem Ergebnis gelangt Suska Doepp in ihrer Magisterarbeit "Juedische Jugendbewegung in Koeln 1906-1938", die sie am Historischen Seminar der Universitaet zu Koeln (Professor Dr. Eberhard Kolb) verfasst hat. Fuer diese Arbeit wurde sie heute von Oberbuergermeister Norbert Burger in dessen Eigenschaft als Vorsitzender des Kuratoriums der Universitaet zu Koeln mit dem Koeln-Preis ausgezeichnet.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schlossen sich Jugendliche in ganz Deutschland zunaechst in der "Wandervogelbewegung" und mit dem Wechsel der politischen Systeme vom Kaiserreich zur Weimarer Republik in "Jugendbuenden" zusammen. Die juedische Jugendbewegung verstand sich als Teil dieser allgemeinen Jugendbewegung und ihr lagen die gleichen Motivationen und Inhalte zugrunde. Diese wurden aber sehr bald mit einem spezifisch juedischen Gehalt belegt.
Die juedische Jugendbewegung in Koeln hatte ihre Bluetezeit von 1919 bis 1932, doch kam ihr gerade in den folgenden Jahren bis 1938 eine gesteigerte Bedeutung zu. Zum einen waren die Jugendbuende Sammelpunkt fuer die zunehmend aus dem normalen Leben aggressiv Herausgedraengten, zum anderen kam ihnen eine besondere Rolle bei der Auswanderungsvorbereitung juedischer Jugendlicher zu. Gerade in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft waren die Jugendbuende Hoffnungstraeger fuer Jugendliche, die seelische Unterstuetzung und praktischen Beistand suchten. Die Schwere der Zeit sollte durch die Einbindung in einen neuen sozialen und weltanschaulichen Kontext erleichtert werden, auf der anderen Seite wurden Anhaenger fuer den Aufbau eines juedischen Gemeinwesens in Palaestinae erzogen.
Da die juedische Jugendbewegung kein Massenphaenomen war, liegt ihre Bedeutung vor allem in ihrer Wirkung, die schon bald nach Gruendung der ersten Organisationen ein vielfaeltiger und eigenwertiger Teil des juedischen Lebens in Koeln geworden war. War bis 1918 das Bild der Jugendbewegung vor allem durch Jugendliche einer westjuedischen assimilierten Mittelschicht gepraegt, so aenderte sich das nach Ende des Ersten Weltkriegs voellig. Zunaechst ging es vornehmlich um die Staerkung des Koerpers durch Wanderungen und die Vermittlung eines Zugehoerigkeitsgefuehls zum juedischen Volk durch Heimabende mit der Vermittlung juedischen Wissens. Die mitgliederstaerksten Vereinigungen waren hier der "Gabriel-Riesser-Verein" und die "Juedische Wandergruppe Blau-Weiss".
Mit dem Zustrom ostjuedischer Einwanderer nach dem Ersten Weltkrieg aenderte sich das Bild: Waehrend sich die Jugend aus westjuedischem Elternhaus kaum noch organisierte, waren es die ostjuedischen Jugendlichen, die in die Jugendbewegung draengten. Da die Jugendbuende zunehmend auf eine Auswanderung nach Palaestina ausgerichtet waren, laesst dieser Aspekt auf ein sensibilisiertes Krisenbewusstsein besonders bei ostjuedischen Jugendlichen schliessen. In den zwanziger Jahren, der Bluetezeit der juedischen Jugendbewegung in Koeln, gab es zahlreiche Jugendorganisationen unterschiedlichster Praegung. Allen gemein war ihnen jedoch ein Hauptanliegen: die Jugendpflege. Aus diesem gemeinsamen Interesse heraus erwuchsen Einrichtungen wie die "Schule der juedischen Jugend" und das Jugendheim, von denen die organisierte Jugend in hohem Masse profitierte.
Die UEberlebenden der juedischen Jugendbewegung in Koeln wohnen heute zumeist in israelischen Kibbuzim und gestalten ihr Dasein dort nach den vermittelten Gemeinschaftsidealen und dem Menschenbild der Jugendbuende. Die auf die Jugendbewegung gestuetzten Hoffnungen wurden damit erfuellt: Durch die Mitgliedschaft im Bund konnten viele Jugendliche ihr Leben retten und fuer den Staat Israel bedeuteten die Pioniere der Jugendbewegung ein grosses ideelles und intellektuelles Potential.
Verantwortlich: Dr. Wolfgang Mathias
Fuer Rueckfragen steht Ihnen Suska Doepp unter der Telefonnummer 0221/381307 zur Verfuegung.
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