upm-Pressemitteilung der Universitaet Muenster 159/97 - 22. Mai 1997
Von Schildkroeten und anderen Zeitfaktoren
Neues Forschungsjournal der Westfaelischen Wilhelms- Universitaet erschienen
Soeben erschienen ist das neue Forschungsjournal der Westfaelischen Wilhelms-Universitaet Muenster, das sich diesmal mit dem Rahmenthema "Zeit" beschaeftigt. In sechs Beitraegen setzen sich Wirtschaftswissenschaftler, Theologen, Romanisten, Sprachwissenschaftler, Philosophen und Mediziner in ihren jeweiligen Fachdisziplinen mit dem Phaenomen "Zeit" auseinander. Das 46seitige ForschungsJournal ist in Muensteraner Buchhandlungen und in der Pressestelle der Universitaet zum Preis von acht Mark erhaeltlich.
Prof. Dr. Klaus Backhaus, Direktor des Betriebswirtschaftlichen Instituts fuer Anlagen und Systemtechnologien (IAS), zeichnet Perspektiven fuer eine Nach-Beschleunigungswelt. In einer Welt immer staerker zunehmender Beschleunigung, in der die Innovationsrate dramatisch ansteigt, zeigen sich zugleich die Grenzen dieser Beschleunigung, wie empirische Untersuchungen am IAS zeigen. Dass Unternehmen damit auch in einem Beschleunigungsfalle, geraten koennen, weist Prof. Backhaus unter dem Titel "Die Langsamkeit der Schildkroete" nach.
Der katholische Theologe PD Dr. Ulrich Lueke verbindet theologische und naturwissenschaftliche UEberlegungen zum Problem der Zeit. Ausgangspunkt seiner Ausfuehrung ist die Frage, wie sich die verschiedenen Auffassungen von Zeit in beiden Disziplinen miteinander vereinbaren lassen.
Die Romanistin Prof. Dr. Mechthild Albert stellt anhand des Jugendwerks des franzoesischen Romanciers Marcel Proust ("Auf der Suche nach der verlorenen Zeit") wesentliche Elemente von dessen Zeitkonzeption vor. Schon lange vor dem Romanzyklus "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" lassen sich in "Freuden und Tage" von 1896 Grundzuege der Erinnerungsmuster, wie sie Proust verwendet hat, aufzeigen.
Die Sprachwissenschaftlerin Prof. Dr. Edeltraud Buelow beschaeftigt sich mit dem Verhaeltnis von Zeit und Sprache. Der Mensch als "Sprachwesen", als "homo loquens", spricht in der Zeit mit Hilfe sprachlicher Zeitbestimmungen ueber Zeit, um sich selbst, sein Weltwissen und Handeln in der Welt mitzuteilen und zeitlich zu organisieren. Dieses Wissen von der Welt und damit auch das von der Zeit wandelt sich, also wandeln sich auch der Zeitbegriff und die Organisationsformen der Zeit. Der Philosoph Prof. Dr. Peter Rohs versteht die Zeit als ontologischen Knotenpunkt. Durch die Vielfalt und Komplexitaet ihrer Strukturen sei sie der am besten geeignete Kandidat fuer die Aufgabe, die Beziehungen zwischen den verschiedenen Bereichen der Wirklichkeit verstehbar zu machen.
Der Mediziner Prof. Dr. Richard Toellner hat sich mit dem Wandel der medizinischen Ethik im Laufe der Zeit beschaeftigt. Auf der einen Seite herrscht das jahrtausendealte, im hippokratischen Eid kodifizierte und tradierte, quasi unwandelbare aertzliche Ethos auf der anderen Seite die ethische Ratlosigkeit, die sich angesichts der vielfaeltigen neuen Moeglichkeiten, die sich fuer die Medizin zeigen, in der Frage aeussert: "Darf die Medizin, was sie kann?"
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