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06/01/2001 08:20

Auf Zahnsafari in Afrika

Heidi Kurth Presse und Kommunikation
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Erlanger Zahnmedizinstudent gründet ein Hilfsprojekt in Kamerun

    9.30 Uhr, die dritte Stunde in der CBC Nursery School in Buea, Kamerun. Durch die Fenster, die mit Gittern statt Glasscheiben versehen sind, dringt die Wärme von draußen ins Klassenzimmer. Die Schüler in ihren rosafarbenen Schuluniformen sitzen an langen Holztischen, deren hellblaue Farbe schon weitgehend abgeblättert ist. 20 aufmerksame Kinderaugen sind nach vorne gerichtet. Aber in den Händen der Schüler finden sich nicht etwa Stifte, sondern bunte Zahnbürsten. Und vor der Tafel steht nicht der Lehrer, sondern ein deutscher Zahnmedizinstudent, der das richtige Zähneputzen demonstriert.

    Jakob Müller studiert im zehnten Semester Zahnmedizin an der Universität Erlangen-Nürnberg. Im Februar dieses Jahres besuchte er zum zweiten Mal mit seinem kamerunischen Studienkollegen Gabriel Soungwah dessen Heimat, um dort afrikanische Kinder und Jugendliche über Zahnhygiene und orale Krankheiten aufzuklären und, wenn nötig, auch zu behandeln. In ganz Kamerun gibt es nur etwa 40 Zahnärzte, nicht zuletzt deswegen, weil man dieses Fach dort nicht studieren kann. Außerdem haben die meisten Kameruner keine Krankenversicherung und können oder wollen sich eine zahnmedizinische Behandlung nicht leisten.

    Also touren die beiden Studenten vormittags durch Schulen, Kindergärten und Internate der 100.000 Einwohner zählenden Stadt Buea. Das Klassen- oder Lehrerzimmer wird für vier Wochen zum Untersuchungsraum. Bisher schauten sie in insgesamt 2800 Kindermünder und verteilten 2000 Zahnbürsten und 2500 Zahnpastatuben. Ihre Lektionen erteilen sie meist auf Englisch, gelegentlich steht ihnen eine Dolmetscherin für Französisch zur Seite. Nachmittags können sie die Räumlichkeiten des örtlichen Krankenhauses zur Behandlung nutzen. Mit Verhandlungsgeschick hat Jakob Müller erreicht, dass seine Patienten den üblichen Hygienebeitrag von umgerechnet 30 Pfennig pro Besucher nicht entrichten müssen. Bis in die Abendstunden legen die beiden Erlanger Studenten bei etwa 20 Kindern täglich Füllungen, behandeln Zahnfleischprobleme oder ziehen auch mal einen Zahn. Die meisten der jungen Patienten haben aber trotz schlechterer zahnärztlicher Versorgung weniger Probleme als ihre Altersgenossen in Deutschland. "Das könnte daran liegen, dass Süßigkeiten wie Gummibärchen und Überraschungseier noch nicht so verbreitet und vor allem viel zu teuer sind", glaubt Jakob Müller. Der Verbrauch ist zwar steigend, im Moment essen die meisten kamerunischen Kinder aber immer noch Zuckerrohr als Nachspeise.

    Die beiden angehenden Zahnärzte müssen sich umstellen, da die Arbeitsbedingungen in Buea sich von dem unterscheiden, was sie aus Deutschland gewohnt sind. Die Ausstattung der dortigen Klinik ist von 1960. Sie besteht eigentlich nur aus einem Stuhl, der, so schmunzelt Jakob Müller, "eher einem Fahrersitz in einem Omnibus gleicht". Durch das Fenster blickt man auf den meist wolkenverhangenen Mount Cameroon. Trotz des permanenten Stroms von Besuchern, die ihre Angehörigen in der Klinik mit Mahlzeiten versorgen, ist es sehr ruhig. Nur im Falle eines Todes stimmen alle Anwesenden ein Trauergeschrei an, auch wenn sie den Verstorbenen überhaupt nicht kannten.

    Obwohl die Klinik an die Stromversorgung angeschlossen ist, wird überwiegend mit Handinstrumenten gearbeitet. Und diese werden am Abend zu Hause unter Einsatz von Muskelkraft und mithilfe eines Feuers im Drucktopf sterilisiert. Nicht immer funktioniert der Tagesablauf reibungslos. In einem Entwicklungsland wie Kamerun treten fast täglich unerwartete Probleme auf. Entweder verhindert wieder einmal einer der zahlreichen Stromausfälle die Behandlung nach Einbruch der Dunkelheit. Oder der Fahrer des Sammeltaxis, das dort als öffentliches Verkehrsmittel dient, ist einfach spurlos verschwunden, so dass die Kinder aus dem Internat nicht zum vereinbarten Termin in die Klinik kommen können.
    Aber auch zu Hause in Erlangen arbeitet Jakob Müller mit zwei seiner Kommilitonen unermüdlich weiter an dem Projekt. Sie haben innerhalb der Fachschaft Zahnmedizin e.V. eine Arbeitsgruppe Kamerun gegründet, die sich um Geld- und Sachspenden bemüht, sich mit kamerunischen Zollbehörden auseinandersetzt oder mit deutschen Hilfsorganisationen Kontakt aufnimmt. "Als wir das erste Mal in Buea waren, sind wir nach unserer Ankunft in etlichen Büros der Zollbehörde gewesen und konnten schließlich die Zollgebühren von 300 auf 130 DM drücken." Außerdem plant die Arbeitsgruppe, regelmäßig Studenten aus Erlangen, die durch einen Behandlungskurs in Deutschland die nötigen Kenntnisse praktisch nachgewiesen haben, nach Kamerun zu schicken. Unterstützt werden sie dabei von Prof. Dr. Anselm Petschelt (Leiter der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie) und OA Dr. Norbert Krämer (Oberarzt in der Poliklinik). Ihnen ist es zu verdanken, dass Behandlungsstühle mit Zubehör aus der Zahnklinik, die bei einer Renovierung im Herbst ersetzt werden, nach Kamerun geschickt werden können. Der Transport wird von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit finanziert, die die Erlanger bei der Erlaubnis für die zollfreie Einfuhr unterstützt. Da diese allerdings nur Hilfstransporte fördert, die nicht an Regierungsorganisationen gehen, mussten Jakob Müller und Gabriel Soungwah eine eigene Organisation gründen, das "Dental Helpproject South West Cameroon". Weiterhin müssen sie Räumlichkeiten für die Behandlungsstühle, das Röntgengerät und den Sterilisationsapparat zur Verfügung stellen. Daher planen sie den Bau eines kleinen Hauses mit zwei Behandlungszimmern und einem Wohntrakt für die Zahnmedizinstudenten aus Erlangen. Ein Grundstück hat ihnen Gabriels Familie zugesichert, den Bauplan hat ein Nürnberger Architekt bereits angefertigt. "Jetzt suchen wir nach Sponsoren aus der Wirtschaft und sammeln Privatspenden für die benötigten 30.000 DM. Ein Erlanger Professor hat uns schon eine Spende versprochen", freut sich Jakob Müller.

    Im letzten Jahr konnte der Student Sachspenden in Form von Zahnpasta, Zahnbürsten, Watterollen, Desinfektionsmitteln und chirurgischen Instrumenten mit nach Kamerun nehmen. Die Frachtkosten für die 150 Kilogramm bezahlte er genau wie sein Flugticket selbst. Beim diesjährigen Besuch konnte er dafür Sponsorengelder und Privatspenden verwenden, die er unter anderem von den Erlanger Hochschulgemeinden erhalten hat. Außerdem erhalten Müller und Soungwah Unterstützung von den Firmen Espe und GC Europe, zwei Herstellern von Glasionomer-Zement, der in Entwicklungsländern überwiegend für Füllungen verwendet wird. Im Gegenzug führen sie eine Studie über die Eigenschaften dieses Materials durch, die auch die Grundlage ihrer Doktorarbeit darstellt.

    "Unser Ziel ist es", erklärt Jakob Müller, "in den nächsten fünf Jahren allen Kindern in Buea einmal in den Mund zu schauen." Dabei handelt es sich immerhin um eine Gruppe von ungefähr 20.000 Personen. Für die anstrengende Arbeit werde man durch die Freundlichkeit und Dankbarkeit der Menschen belohnt, meint Müller. So waren er und seine Frau bei ihrem ersten Aufenthalt jeden Abend bei einem anderen Einwohner von Buea zum Essen eingeladen. Außerdem konnten sie kostenlos bei dem ehemaligen Bürgermeister von Buea - der auch der Public Relations Officer des Dental HelpProjects ist - und anderen Privatpersonen wohnen. Den Höhepunkt seines ersten Aufenthalts stellte aber die Aufnahme in Gabriels Familie dar, bei der die Deutschen neben traditionellen Gewändern sogar eigene kamerunische Namen aus dem Stamm der Bakweri erhielten - "Mekame" und "Efeti". Auch sonst hat das Ehepaar viele neue Freunde gewonnen, mit denen sie im regelmäßigen E-Mail-Kontakt stehen. "Kamerun ist eines der schönsten Länder, das ich kenne. Der Aufenthalt dort hat mich fachlich und menschlich reicher gemacht", lautet das Fazit des Zahnmedizinstudenten.

    Spendenkonto:
    Stadt- und Kreissparkasse Erlangen, BLZ: 736 500 00 , Kontonr.: 87353
    Empfänger: Fachschaft Zahnmedizin e.V. Erlangen
    Stichwort: Dental HelpProject South West Cameroon

    *Kontakt:
    Dental Helpproject South West Cameroon, Fachschaft Zahnmedizin e.V., Jakob Müller
    Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie
    Glückstraße 11, 91054 Erlangen, Tel.: 09131/816057
    E-Mail: dentproj.cam@gmx.de


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Studies and teaching
    German


     

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