124/97 Traditionelle Sparmotive verlieren an Bedeutung
Statt der Zukunftsangst bestimmt die Rendite das Sparverhalten der Deutschen
Fast drei Viertel aller deutschen Haushalte sparen Kleinbetraege, die als Grundstock fuer eine private Rente kaum geeignet sind. Dementsprechend schaetzen solche Haushalte ohne groesseres Vermoegen ihre Alterssicherung wesentlich schlechter ein als Haushalte mit hoeherem Einkommen. Selbst diejenigen aber, die aktiv fuer eine Alterssicherung sparen, wollen damit die gesetzliche Rentenversicherung nicht ersetzen, sondern nur ergaenzen. Dies waere auch gar nicht anders denkbar, da die gesetzliche Rentenversicherung nach wie vor ein durchschnittliches Rentenniveau gewaehrt, das nur durch sehr hohe - von vielen nicht leistbare - Ansparbetraege moeglich waere. Zu diesem Schluss kommt Dr. Werner Schoenig vom Forschungsinstitut fuer Sozialpolitik der Universitaet zu Koeln in seiner Untersuchung ueber das Sparverhalten privater Haushalte.
Als Ursachen fuer eine mangelnde Vermoegensbildung in vielen Haushalten nennt der Koelner Wirtschaftswissenschaftler unter anderem einen Wandel der Sparmotive seit der Nachkriegszeit. So hat die Nachkriegsgeneration vor allem aus Angst vor zukuenftigen Einkommenseinbussen oder fuer den Erwerb von Konsumguetern gespart. Heute hingegen wird haeufig kurzfristig ueber Anschaffungen entschieden, so dass der Konsumentenkredit zunehmend den Rueckgriff auf Erspartes ersetzt. Gespart wird heute vor allem aus zwei Gruenden: Erstens soll der Status des Haushaltes gesichert werden, indem ein Anteil des Nettoeinkommens als Vermoegen angelegt wird. Zweitens dient Sparen heute mehr und mehr dazu, Ertraege zu erzielen. Das Sparen fuer einen bestimmten Zweck (z.B. Bausparen fuer eine Eigentumswohnung) hat an Bedeutung verloren. Auch ein enger Zusammenhang zwischen Sparmotiv (z.B. Alterssicherung) und einer bestimmten Anlageform (z.B. Lebensversicherung) existiert heute nicht mehr.
Was und wie nun der Haushalt individuell spart, dafuer bieten somit die traditionellen Sparmotive kaum noch Anhaltspunkte. So ist denn auch die Ermittlung der Sparmotive heute mehr denn je die Achillesferse jeder empirischen Forschung. Besonders deutlich gilt dies fuer jene Sparmotive, die typisch fuer die "Entbehrungsmentalitaet" der Nachkriegsgeneration waren, d.h. das Zwecksparen und das Angstsparen. Sie sind abgeloest worden durch das Rendite- und Vorsorgesparen, die empirisch schwieriger ermittelt werden koennen. Da selbst die juengere Generation im traditionellen Sinne nicht mehr spart, sondern Geld anlegt, verliert der groesste Teil der bislang betriebenen Forschung zum Sparverhalten privater Haushalte seine Relevanz. Zukuenftig muss sie staerker Sparfaehigkeiten, individuelle Praeferenzen und Sparneigungen betonen. Daher fordert der Koelner Wirtschaftswissenschaftler, Sparbetraege nicht mehr ausschliesslich als den Teil des Einkommens aufzufassen, der nicht fuer Konsum ausgegeben wurde. Sparen muesse als eigenstaendige Entscheidung naeher untersucht werden.
Zwischen den einzelnen Haushalten bestehen immer noch grosse Differenzen bezueglich der Nutzung verschiedener Anlageformen. Dr. Schoenig betrachtet das Haushaltsnettoeinkommen als das Merkmal, das am signifikantesten Sparvolumen und die Breite aller Anlageformen beeinflusst. Zunehmendes Einkommen und zunehmende selbstaendige Erwerbstaetigkeit resultieren in einem steigenden Selbstvertrauen in die eigene Flexibilitaet. Einhergehend damit ist eine breitere Nutzung der Anlageformen auf dem Kapitalmarkt. So besitzen 1993 weit ueber die Haelfte aller Haushalte mit einem Nettoeinkommen von ueber 10.000 DM einen Bausparvertrag, eine Lebensversicherung bzw. Wertpapiere, waehrend fuer Haushalte mit einem Einkommen von unter 2000 DM das Sparbuch immer noch bei weitem die haeufigste Anlageform ist.
Die gesparten Mittel eines Haushaltes mit hoeherem Einkommen sind quantitativ und qualitativ denen mit niedrigem Einkommen ueberlegen. Daher nehmen - zufolge der Untersuchung - mit steigendem Nettoeinkommen auch die Sorgen der Haushaltsmitglieder ueber die zukuenftige Lebenssicherung ab. AEhnliches gilt auch fuer die Wahrnehmung der Wohnsituation. Eine positivere Beurteilung der individuellen Situation korreliert mit steigender Sparfaehigkeit bzw. steigendem Haushaltseinkommen. Dies ist - so der Koelner Wirtschaftswissenschaftler - verstaendlich, denn Haushalte mit geringer Sparfaehigkeit bzw. geringem Nettoeinkommen haben weniger disponible Mittel. Dementsprechend koennen sie weniger flexibel auf eine verschlechterte persoenliche oder allgemeine wirtschaftliche Lage reagieren. Zudem koennen die individuellen Sorgen auch das Ergebnis einer bereits bestehenden Notlage sein, die naturgemaess die Sparfaehigkeit begrenzt. So liegt der Schluss nahe, dass Massnahmen der Vermoegensbildung und Sparfoerderung auch die subjektive Lebenslage von Haushalten - insbesondere auch deren Alterssicherung - positiv beeinflussen koennten.
Verantwortlich: Sabine Reich Fuer Rueckfragen steht Ihnen Herr Dr. Werner Schoenig unter der Telefonnummer 0221/470-2301, der Faxnummer 0221/470-4999 und der E-mail-Adresse schoenig@uni-koeln.de zur Verfuegung.
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