Im Rahmen des Studium Universale findet in der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf die öffentliche Ringvorlesung "Paradoxien des Glücks" statt. Die erste Veranstaltung ist am 12. Mai.
Das Rahmenthema
Das Glück hat Konjunktur – nicht erst seit heute: In der Mythologie wurde es als Fortuna personifiziert, das Glück war zu allen Zeiten Gegenstand und Ziel der Religionen und Philosophien, in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 wurde das Streben nach Glück als unveräußerliches Recht verankert, und in Buthan, einem kleinen Königreich zwischen Tibet und Indien, ist eine eigene Kommission für das „Bruttosozialglück“ eingerichtet. Deshalb verwundert es auch nicht, dass das Glück in Form u.a. der Positiven Psychologie und der „Happiness Economics“ Eingang in die Wissenschaften gefunden hat und jüngst zu einem Schulfach avanziert ist.
Unsere Gesellschaft könnte sich also glücklich schätzen, wenn da nicht der beunruhigende Verdacht wäre, dass die Konjunktur des Glücks – wie auch der boomende Markt der Glücksratgeberliteratur – nur die Kehrseite der Abwesenheit und prinzipiellen Unverfügbarkeit von Glück ist. Da erstaunt es auch nicht, dass bei allem glücksversprechenden Wohlstand die Depression die Volkskrankheit Nr. 1 ist.
Von daher wird eine akademische Reflexion und kritische Bestandsaufnahme über die Glücksversprechungen der Moderne notwendig, die auch die Paradoxien des Glücks in den Blick nimmt. Diese paradoxe Struktur des Glücks besteht weniger in einem „Glück im Unglück“, sondern vielmehr darin, dass das Glück in dem Maße, in dem wir es erstreben, unverfügbar wird (Viktor E. Frankl), dass es sich häufig nur über sein Gegenteil definieren lässt, oder dass es oft mit dem Wissen um vergangenes-verlorenes oder zukünftiges-erhofftes Glück zusammenhängt.
In einer fünfteiligen Ringvorlesung sollen diese Paradoxien an Modellen, Alternativen und Grenzen des Glücks diskutiert werden: Für die Geschichte der Antike, in der eine Widersprüchlichkeit des Glücks in dem Unterschied von Lustprinzip und maßhaltender Selbstsorge bestand, sollen Formen antiker Glückseligkeiten am Beispiel des Arkadien-Mythos und seiner Rezeption in der Neuzeit diskutiert werden. In dem zweiten Vortrag soll dem Zusammenhang von Glück und Leid in der buddhistischen Lehre nachgegangen und gefragt werden, inwiefern dem „nirvana“ (Erlösung, Seligkeit) heute verbreitete Vorstellungen vom Glück entsprechen. In einem kunsthistorischen Beitrag soll dann am Beispiel berühmter Gemälde dem Unterschied von einem Glück, das im Jenseits existiert, und einem Glück, das sich als ein erfülltes Leben im Diesseits darstellt, nachgegangen und die Maler befragt werden, was sie jeweils unter Glück verstanden haben. Mit den Paradoxien des Glücks sind aber auch die Glücksvorstellungen der Gesellschaft, die sich in ihr Gegenteil verkehren, die ihr Versprechen nicht einlösen und die Gesellschaft in einen allgemeinen Erschöpfungszustand treiben, benannt. Diese Analyse der gegenwärtigen Glückssuche soll in einem Vortrag der Reflexiven Sozialpsychologie vorgenommen werden. Dem Glück kann aber heute durch eine Fülle von Medikamenten, Drogen und Methoden des Neuro-Enhancement oder „Gehirn-Doping“ nachgeholfen werden. Hier wird diskutiert werden, welche ethischen Grenzen einer künstlichen Erzeugung von Glück gesetzt werden müssen, das sich nicht auf herkömmlichen Weg einstellt.
Das Programm
12. Mai 2010 / 17-19 Uhr / Hörsaal 3 D / Campus Heinrich-Heine-Universität
„’Auch ich in Arkadien’ – von der Konstruktion einer antiken Glückseligkeit und Idylle“
Prof. Dr. Veit Rosenberger (Alte Geschichte, Universität Erfurt)
In diesem Vortrag soll der Ort, der für die Glückseligkeit und Idylle der Antike steht, untersucht werden: Arkadien. In der Antike galt Arkadien als gebirgig, rau und kalt. Da Ackerbau kaum möglich war, wurde diese Region im Herzen der Peloponnes von Hirten bewirtschaftet. Erst in der Neuzeit entstand die Konstruktion des verklärten Arkadien. Für die Rezeptionsgeschichte bedeutsam war der um 1480 publizierte Schäferroman „Arcadia“ des Jacopo Sannazaro. Sannazaro ersetzte die kalte und nasse Landschaft der antiken Dichtung durch ein liebliches Arkadien, in dem ein Goldenes Zeitalter herrscht – hiermit war die Arkadienbegeisterung geboren. In der Folgezeit diente Arkadien als Topos für heidnische Ideen, als Ort für Plaudereien über Geschichte und als Fluchtpunkt in den Wirren des Krieges. Wie umstritten Arkadien gleichzeitig in vielerlei Hinsicht war, zeigen die zwei von Nicolas Poussin geschaffenen Gemälde mit dem Motiv „Et in Arcadia ego“, und Goethe stellte seiner Italienischen Reise das Motto „Auch ich in Arkadien“ voran, löschte es aber in der „Ausgabe letzter Hand“ wieder.
2. Juni 2010 / 17-19 Uhr / Hörsaal 3 D / Campus Heinrich-Heine-Universität
„Glück und Leid im Buddhismus“
Prof. Dr. Volker Beeh (Germanistische Sprachwissenschaft, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)
Die für den Buddhismus grundlegende ‘Predigt von Benares’, enthält die Lehre von den Vier Edlen Wahrheiten: der Wahrheit vom Leiden, von der Entstehung des Leidens, von der Aufhebung des Leidens und von dem zur Aufhebung des Leidens führenden Weg. Das Leiden ist damit bis heute zu einem klassischen Element der buddhistischen Lehre geworden.
Die Frage, die im Vortrag diskutiert werden soll, ist, ob der vom Buddha gewiesene Weg zu einem Glück führt, oder ob und in welcher Weise das „nirvâna“ (ind. f. Erlöschen, Erlösung, Seligkeit) der verbreiteten Vorstellung vom Glück entspricht?
Eine Antwort könnte in der in Ostasien populären Tradition des Buddhismus gefunden werden, in der „jôdo-(shin-)shû“ (jap. f. die ‘(Wahre) Tradition des Reinen Landes’), der auch der Ekô-Tempel in Düsseldorf angehört. Eine andere Bezeichnung des ‘Reinen Landes’ ist nämlich (jap.) goku-raku, ‘das Land der Höchsten Freude’. Hier schließt sich die Frage an, ob das ‘Reine Land’ mit dem nirvâna zusammenfällt oder lediglich eine Ausgangsbasis zu seiner Erreichung sein soll?
16. Juni 2010 / 17-19 Uhr / Hörsaal 3 D / Campus Heinrich-Heine-Universität
„Glück, Kunst, Liebe: Wege und Irrwege“
Prof. Dr. Renate Prochno (Kunstgeschichte, Universität Salzburg)
Das Mittelalter kennt vor allem die „Glückseligkeit“ (beatitudo), die im Jenseits existiert. Doch auch das zufällige, flüchtige Glück in Gestalt der Fortuna ist gegenwärtig. In der Neuzeit wird Glück als individuelles Glück Thema auch der Kunst und stellt sich als ein erfülltes Leben im Diesseits dar. Der Vortrag befragt einige berühmte Gemälde, was Maler zum Thema Glück zu sagen hatten.
30. Juni 2010 / 17-19 Uhr / Hörsaal 3 D / Campus Heinrich-Heine-Universität
„Das spätmoderne Subjekt von der Glückssuche erschöpft?“
Prof. Dr. Heiner Keupp (Reflexive Sozialpsychologie, Ludwig-Maximilians Universität München)
Wer wollte die Suche der Menschen nach Lebensglück diskreditieren, die ein wichtiger Motor für alle persönlichen und gesellschaftlichen Engagements ist. Selbstverwirklichung ist ein hohes Ziel, aber es ist auch ein gesellschaftlicher Anspruch, der nicht selten ideologisch überhöht und definiert wird. Je stärker Menschen traditionelle Lebensformen hinter sich lassen können und selbstbestimmt eigene Wege gehen können - jedenfalls in höherem Maße als frühere Generationen - desto größer ist die Gefahr der Grenzenlosigkeit.
In seinen Lebensformen passen sich die Menschen der unaufhaltsamen gesellschaftlichen Beschleunigungsdynamik an. Der gesellschaftliche und berufliche Fitness-Parcours hat kein erreichbares Maß, ein Ziel, an dem man ankommen kann, sondern es ist eine nach oben offene Skala, jeder Rekord kann immer noch gesteigert werden. Hier ist trotz Wellness-Industrie keine Chance eine Ökologie der eigenen Ressourcen zu betreiben, sondern in einem unaufhaltsamen Steigerungszirkel läuft alles auf Scheitern und einen Erschöpfungszustand zu. Die steigenden Depressionsraten sind der Beleg dafür.
14. Juli 2010 / 17-19 Uhr / Hörsaal 3 D / Campus Heinrich-Heine-Universität
„Kennt das Glück ethische Grenzen?“
Prof. Dr. Isabella Heuser ( Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité Berlin)
Um ihre geistige Leistungsfähigkeit zu steigern oder ihre Stimmung zu verbessern, greifen nicht nur kranke, sondern zunehmend auch gesunde Menschen zu pharmazeutischen Mitteln. So weit verbreitet dieser Einsatz von „Glückspillen“ in Beruf und Freizeitgestaltung auch heute ist, soll doch nach den ethischen Kriterien einer Bewertung und den Gründen gefragt werden, die für oder gegen ein „Gehirn-Doping“ oder „Neuro-Enhancement“ im Hinblick auf Missbrauch, ungerechte Vorteilsnahme, gefährdete Authentizität etc. sprechen.
Criteria of this press release:
Philosophy / ethics, Psychology, Religion, Social studies
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